18.01.2019 Straßburg/Brüssel – EU-Regierungen, die die Justiz behindern oder Betrug und Korruption nicht bekämpfen, laufen Gefahr, EU-Gelder zu verlieren, laut neuer Vorschriften, die am Donnerstag vom Europäischen Parlament angenommen wurden.

Nach den neuen Regeln erhält die die EU-Kommission den Auftrag, unterstützt von einem Gremium unabhängiger Experten, „allgemeine Defizite in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit“ festzustellen. Je nach Befund kann sie dann verschiedene Maßnahmen gegen die Regierung eines EU-Landes ergreifen, darunter das Aussetzen von Zusagen bzw. Zahlungen oder die Verringerung von Vorfinanzierungen. Ein solcher Beschluss würde erst nach der Annahme durch das Parlament und den Rat umgesetzt. Sobald der Mitgliedstaat die von der EU-Kommission festgestellten Defizite behoben hat, könnten Parlament und Rat die Mittel freisetzen.

Unabhängige Experten sollen EU-Kommission unterstützen

Die Kommission kann einen Mangel in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in einem Mitgliedstaat feststellen, wenn einer oder mehrere der folgenden Punkte beeinträchtigt werden:

  • die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden des Mitgliedstaats, die den Haushaltsplan der Union ausführen;
  • die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden, welche die Finanzkontrolle durchführen;
  • die ordnungsgemäße Verfolgung von Betrugsdelikten, einschließlich Steuerbetrug, Korruptionsdelikten und anderen Verstößen gegen Unionsrecht im Zusammenhang mit der Ausführung des Haushaltsplans der Union;
  • die wirksame gerichtliche Kontrolle behördlicher Handlungen durch unabhängige Gerichte;
  • die Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter Beträge;
  • die Verhütung und Ahndung von Steuerhinterziehung und Steuerwettbewerb;
  • die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung und, unter gegebenen Umständen, mit der Europäischen Staatsanwaltschaft.

Zur Unterstützung der Kommission wird ein Gremium unabhängiger Sachverständiger für Verfassungsrecht und Finanz- und Haushaltsangelegenheiten eingerichtet. Jeweils ein Sachverständiger wird von den nationalen Parlamenten der einzelnen Mitgliedstaaten und fünf Sachverständige werden vom Europäischen Parlament benannt. Das Gremium bewertet jährlich die Situation in allen Mitgliedstaaten und veröffentlicht jedes Jahr eine Zusammenfassung seiner Erkenntnisse.

Schutz der Endbegünstigten

Je nach Umfang der Mängel und dem Verfahren der Haushaltsführung kann die Kommission eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen annehmen:

  • Aussetzung von Mittelbindungen;
  • Unterbrechung von Zahlungsfristen;
  • Reduzierung der Vorfinanzierung und
  • Aussetzung von Zahlungen.

Soweit in dem Beschluss zur Annahme der Maßnahmen nichts anderes bestimmt wird, muss die Regierung das von der Maßnahme betroffene Programm oder den von der Maßnahme betroffenen Fonds ausführen und insbesondere Zahlungen an Endempfänger oder Begünstigte tätigen. Die Kommission stellt sicher, dass alle geschuldeten Beträge auch tatsächlich an die Endbegünstigten ausgezahlt werden.

Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Vorschlag für eine Mittelübertragung zur Bildung einer Haushaltsreserve in Höhe eines Betrags vor, der dem Wert der erlassenen Maßnahmen entspricht. Der Vorschlag gilt als angenommen, sofern nicht innerhalb von vier Wochen das Europäische Parlament mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen oder der Rat mit qualifizierter Mehrheit (so dass kein einzelner Staat den Beschluss blockieren kann) beschließt, ihn zu ändern oder abzulehnen. Sobald die EU-Kommission feststellt, dass die Mängel beseitigt sind, wird der gesperrte Betrag nach dem gleichen Verfahren wieder verfügbar gemacht.

Zitate

Berichterstatterin (für den Haushaltsausschuss) Eider Gardiazabal Rubial (S&D, ES): „Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und aller EU-Werte sind grundlegende Prinzipien, auf denen wir das europäische Projekt aufgebaut haben. Keine Regierung kann gegen diese Werte verstoßen, ohne die Folgen zu tragen.“

Berichterstatter (für den Haushaltskontrollausschuss) Petri Sarvamaa (EPP, FI): „Der wichtigste Aspekt dieses Verfahrens ist der Schutz der Endbegünstigten – in unserer Position wird dieser gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag verbessert. Wir haben auch das Europäische Parlament in das Entscheidungsverfahren einbezogen und damit die demokratische Rechenschaftspflicht bei allen getroffenen Maßnahmen gestärkt.“

Die nächsten Schritte

Das Plenum billigte die neuen Vorschriften mit 397 Stimmen bei 158 Gegenstimmen und 69 Enthaltungen. Die Abgeordneten sind nun bereit, mit den EU-Ministern, die ihren Standpunkt noch nicht festgelegt haben, Verhandlungen über den endgültigen Wortlaut der Verordnung aufzunehmen.

Hintergrundinformationen

Der Vorschlag für eine „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz des Haushalts der Union im Falle von generellen Mängeln in Bezug auf das Rechtsstaatsprinzip in den Mitgliedstaaten“ ist Teil des Gesetzespakets für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU für den Zeitraum 2021-2027.

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