Obwohl die Verteidigung eine ausschließliche nationale Zuständigkeit bleibt und es auch keine EU-Armee gibt, wurde in letzter Zeit viel getan, um die Verteidigungszusammenarbeit zu fördern.

11.07.2019 Brüssel/Straßburg – Seit 2016 wurden im Bereich der Sicherheit und Verteidigung der EU mit mehreren Initiativen zur Förderung der Zusammenarbeit und zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Europas erhebliche Fortschritte erzielt. Wir fassen die neuesten Entwicklungen hier für Sie zusammen.

Hohe Erwartungen an die EU

Die Europäer sehen die EU als Garant für Sicherheit und Frieden. In einer speziellen Eurobarometer-Umfrage zu den Themen Sicherheit und Verteidigung aus dem Jahr 2017 sprachen sich drei Viertel der Befragten für eine gemeinsame EU-Verteidigungs- und Sicherheitspolitik aus und eine Mehrheit von 55 Prozent unterstützte die Schaffung einer EU-Armee. Im März 2018 sagten 68 Prozent der Umfrageteilnehmer in einer Eurobarometer-Umfrage, dass die EU bei der Verteidigung stärker tätig werden solle.

Die Staats- und Regierungschefs sind sich bewusst, dass kein einzelner EU-Mitgliedstaat die derzeitigen Sicherheitsbedrohungen komplett alleine bewältigen kann. Frankreichs Präsident Macron setzte 2017 Impulse für ein gemeinsames europäisches Militärprojekt, während die deutsche Bundeskanzlerin Merkel in einer Ansprache vor dem Europäischen Parlament im November 2018 erklärte: „Wir sollten [ …] an der Vision arbeiten, eines Tages auch eine echte europäische Armee zu schaffen.“ Der Übergang hin zu einer Sicherheits- und Verteidigungsunion war auch eine der Prioritäten der Juncker-Kommission.

Jüngste Maßnahmen zur Stärkung der Verteidigungszusammenarbeit

Eine gemeinsame EU-Verteidigungspolitik ist im Vertrag von Lissabon vorgesehen (Artikel 42(2) EUV). Der Vertrag hebt jedoch den Vorrang der nationalen Verteidigungspolitik einschließlich der NATO-Mitgliedschaft oder der Neutralität hervor.

In den vergangenen Jahren begann die EU, ehrgeizige Initiativen umzusetzen, um mehr Ressourcen zu schaffen, die Effizienz zu erhöhen, die Zusammenarbeit zu erleichtern und die Entwicklung von Kapazitäten zu unterstützen:

  • Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ) wurde im Dezember 2017 gegründet. Seit Juni 2019 beteiligen sich 25 Mitgliedstaaten. Die SSZ operiert derzeit auf der Basis von 34 konkreten Projekten mit bindenden Verpflichtungen einschließlich eines Europäischen Sanitätskommandos, eines Seeüberwachungssystems, gegenseitiger Unterstützung bei der Cybersicherheit und schnellen Eingreiftruppen.
  • Der Europäische Verteidigungsfonds wurde im Juni 2017 eingerichtet. Zum ersten Mal wird der EU-Haushalt zur Kofinanzierung der Zusammenarbeit im Bereich Verteidigung verwendet. Der Fonds soll Teil des kommenden langfristigen EU-Haushalts (2021-2027) sein. Der Europäische Verteidigungsfonds soll nationale Investitionen ergänzen und sowohl praktische als auch finanzielle Anreize für die Forschungszusammenarbeit und die gemeinsame Entwicklung und den Erwerb von Verteidigungsgütern und -technologien schaffen.
  • Die Europäische Union stärkte die Zusammenarbeit mit der NATO in 74 Bereichen, darunter Cybersicherheit, gemeinsame Übungen und Terrorismusbekämpfung.
  • Es gibt einen Plan zur Verbesserung der militärischen Mobilität innerhalb der EU, damit militärisches Personal und Ausrüstung im Falle von Krisen rascher reagieren können.
  • Die Finanzierung von zivilen und militärischen Missionen und Operationen soll effizienter werden. Die EU führt derzeit 16 solcher Missionen auf drei Kontinenten (mit einem breiten Spektrum an Mandaten und der Entsendung von über 6 000 zivilen und militärischen Mitarbeitern).
  • Im Juni 2017 wurde die Einrichtung einer neuen Befehls- und Führungsstruktur (MPCC) beschlossen, um das Krisenmanagement der EU zu verbessern.

Mehr investieren – gemeinsam und besser

Am NATO-Gipfel in Wales im Jahr 2014 verpflichteten sich die EU-Mitgliedstaaten, die Mitglieder der NATO sind, bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigungsausgaben aufzuwenden. Das Europäische Parlament ruft die Mitgliedstaaten dazu auf, dies auch umzusetzen.

Schätzungen der NATO aus dem Jahr 2019 zufolge wenden sechs Länder, nämlich Estland, Griechenland, Lettland, Polen, Rumänien und das Vereinigte Königreich zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auf.

Beim Aufbau der EU-Verteidigung geht es jedoch nicht nur um mehr, sondern auch um effiziente Ausgaben. Gemeinsam liegen die EU-Mitgliedstaaten bei den Verteidigungsausgaben weltweit nach den USA an zweiter Stelle. Schätzungsweise werden jedoch jährlich rund 26,4 Milliarden Euro aufgrund von Überschneidungen, Überkapazitäten und Hemmnissen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge „verschwendet“. Infolgedessen werden in Europa mehr als sechsmal so viele Verteidigungssysteme eingesetzt wie in den USA. Hier kann die EU ansetzen, um Rahmenbedingungen und Anreize für die Zusammenarbeit zu schaffen.

Wenn Europa im weltweiten Wettbewerb bestehen soll, muss es seine Kapazitäten bestens bündeln und integrieren, denn bis 2025 wird China voraussichtlich den zweiten Platz hinter den USA in puncto Verteidigungsausgaben einnehmen.

Die Position des Europäischen Parlaments

Das Parlament forderte bereits mehrmals, die Möglichkeiten der Bestimmungen des Vertrags von Lissabon voll auszuschöpfen, um auf eine Europäische Verteidigungsunion hinzuarbeiten. Das Parlament unterstützt konsequent mehr Zusammenarbeit, höhere Investitionen und die Bündelung von Ressourcen, um Synergien auf EU-Ebene zu schaffen und die Europäer besser zu schützen.

Sind große Erwartungen realistisch?

Neben den praktischen Herausforderungen muss die EU auch unterschiedliche Traditionen und strategische Ansätze miteinander in Einklang bringen. Das Parlament ist der Ansicht, dass ein EU-Weißbuch zur Verteidigung ein nützlicher Weg wäre, dies zu tun und die Entwicklung der künftigen EU-Verteidigungspolitik zu unterstützen.