03.01.2017 Brüssel. Die Europäische Kommission will die bestehende Regelung der Europäischen Union (EU), die Arbeitgeber verpflichtet, alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schriftlich über ihre Arbeitsbedingungen zu informieren, ergänzen und reformieren. Zusätzlich sollen neue Mindeststandards eingeführt werden, die allen Beschäftigten, auch solchen mit atypischen Arbeitsverträgen, mehr Planungssicherheit und Klarheit zu ihren Arbeitsbedingungen geben sollen. Dazu hat die EU-Kommission am 21. Dezember 2017 einen Vorschlag für eine neue Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der EU beschlossen.

Marianne Thyssen, EU-Kommissarin für Beschäftigung, Soziales, Qualifikationen und Arbeitskräftemobilität, erklärte dazu in Brüssel: „In der sich schnell wandelnden Arbeitswelt gibt es eine steigende Zahl atypischer Arbeitsformen und Arbeitsverträge. Dies führt dazu, dass mehr und mehr Menschen Gefahr laufen, grundlegende Rechte nicht in Anspruch nehmen zu können – angefangen beim Recht, die Einzelheiten ihrer Arbeitsbedingungen zu erfahren. Mehr Transparenz und Planbarkeit werden sowohl den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als auch den Unternehmen zugutekommen.“

Die EU-Kommission geht davon aus, dass im Vergleich zu heute zwei bis drei Millionen zusätzliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit atypischen Verträgen von der vorgeschlagenen EU-Richtlinie erfasst sein werden. Zugleich sollen Arbeitgeber vor zu viel Verwaltungsaufwand bewahrt werden; beispielsweise können sie die vorgeschriebenen Informationen auch elektronisch bereitstellen.

Konkret hat die EU-Kommission am 21. Dezember folgendes vorgeschlagen:

  • Angleichung des Begriffs „Arbeitnehmerin/Arbeitnehmer“ an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Derzeit können die Definitionen variieren, sodass bestimmte Kategorien von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgeklammert werden. Mit der Übernahme der Definition von Arbeitnehmer aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs würde diese Richtlinie sicherstellen, dass die gleichen weitgefassten Kategorien von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgedeckt wären.
  • Aufnahme von Beschäftigungsformen, die derzeit oft ausgeschlossen sind, in den Geltungsbereich der Richtlinie. Dies betrifft Hausangestellte, geringfügig Beschäftigte oder solche mit ganz kurzen Arbeitsverträgen; außerdem werden neue Beschäftigungsformen erfasst, etwa Arbeit auf Abruf, auf der Grundlage von Gutscheinen oder auf Online-Plattformen beschäftigt sind.
  • Bereitstellung eines aktualisierten und erweiterten Informationspakets für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und zwar gleich am ersten Tag und nicht wie bisher innerhalb von zwei Monaten nach Beschäftigungsbeginn.
  • Einführung neuer Mindestrechte, darunter das Recht auf bessere Planbarkeit der Arbeit für Menschen, die meist nach einem variablen Zeitplan arbeiten, oder die Möglichkeit, den Arbeitgeber um den Übergang in eine stabilere Beschäftigungsform zu ersuchen und Anspruch auf eine schriftliche Antwort zu haben, oder auch das Recht auf verpflichtende Fortbildung ohne Lohnabzug.
  • Stärkung der Durchsetzungsmöglichkeiten und der Rechtsbehelfe als letztes Mittel zur Streitbeilegung, falls Gespräche nicht reichen.

Hintergrund

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht, am Beginn ihrer Beschäftigung schriftlich über ihre Rechte und Pflichten informiert zu werden, die sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergeben, auch in der Probezeit. Der aktuelle Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen aktualisiert und ersetzt die Richtlinie 91/533/EWG über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung, mit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern 1991 das Recht auf schriftliche Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte ihres Beschäftigungsverhältnisses gewährt worden war. Über 25 Jahre später entspricht diese Richtlinie nicht mehr der veränderten Arbeitsmarktrealität mit den in den letzten Jahren entstandenen neuen Arbeitsformen. Eine größere Flexibilität des Arbeitsmarktes und die zunehmende Vielfalt der Arbeitsformen haben neue Arbeitsplätze geschaffen und mehr Menschen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglicht. Sie hat jedoch auch Lücken sichtbar gemacht und in einigen Fällen, in denen es um eigentlich besonders schutzbedürftige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ging, zur Entstehung neuer Formen des Prekariats beigetragen.

Diese Initiative war im April 2017 zusammen mit der europäischen Säule sozialer Rechte angekündigt worden. Sie ist Teil des Arbeitsprogramms der EU-Kommission für 2018; vorausgegangen war eine zweistufige Konsultation der Sozialpartner. Die Sozialpartner haben keine Verhandlungen aufgenommen, um eine eigene Vereinbarung vorzuschlagen. Im Einklang mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union hat die Kommission daher beschlossen, selbst tätig zu werden.

Mit ihrem aktuellen Vorschlag reagiert die EU-Kommission auch auf die Entschließungen des Europäischen Parlaments vom 19. Januar 2017 zu einer europäischen Säule sozialer Rechte und vom 4. Juli 2017 zu Arbeitsbedingungen und prekären Beschäftigungsverhältnissen; darin fordert das EU-Parlament eine Rahmenrichtlinie über menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle Formen der Erwerbstätigkeit bzw. eine Überarbeitung der Richtlinie von 1991, um neuen Beschäftigungsformen Rechnung zu tragen.

Nächste Schritte

Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission wird jetzt nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren vom Europäischen Parlament und vom Rat der EU (Ministerrat) geprüft werden.

Link zum Thema:

Vorschlag der Kommission für transparentere und verlässlichere Arbeitsbedingungen
PresseInformation der EU-Kommission vom 21. Dezember 2017 mit Links zu weiterführenden Informationen und Dokumenten zum Thema.