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Bundesrat Berlin – Rede von Ministerin Birgit Honé zu TOP 63: Empfehlung für einen Beschluss des Rates über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen über eine neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland © Niedersächsisches Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung

PresseInformation des Niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung vom 14.02.2020.

BERLIN. 985. Sitzung des Bundesrates am 14.02.2020

– Es gilt das gesprochene Wort –

„Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union am 1. Februar 2020 hat ein trauriges Verfahren seinen vorläufigen Höhepunkt erfahren, das vor dreieinhalb Jahren mit dem britischen Referendum über einen EU-Austritt seinen Anfang nahm.

Ich bedaure diese Entwicklung sehr. Das gilt gerade mit Blick auf die besonderen Beziehungen, die mein Bundesland, Niedersachsen, mit dem Vereinigten Königreich verbindet. Denn Niedersachsen entstand mit der Verordnung Nr. 55 der britischen Militärregierung vom 8. November 1946.

Dafür sind wir bis heute dankbar!

Mit dem Brexit beginnt nun eine Zeit, in der die Beziehungen neu geordnet werden müssen. Es gibt einen neuen Verhandlungsprozess, an dessen Ende hoffentlich ein tragfähiges Abkommen über die zukünftigen Beziehungen des Vereinigten Königreichs mit der Union stehen wird.

Wir unterstützen die Ziele des alten und neuen EU-Chefunterhändlers Michel Barnier, der mit dem Vereinigten Königreich eine enge Sicherheitspartnerschaft, ein tragfähiges Handelsabkommen – möglichst ohne Zölle – und den Aufbau neuer Formen der Zusammenarbeit anstrebt.

Dabei steht fest, dass die Europäische Union hierfür kein Dumping bei Wettbewerbsbedingungen sowie Umwelt-, Sozial-, Beihilfe- und Steuerstandards akzeptieren kann und wird. Die Integrität des Binnenmarkts ist dabei zentral. Das sage ich auch und gerade vor dem Hintergrund der starken Exportwirtschaft Niedersachsens mit seinen besonderen Betroffenheiten in der Automobilindustrie, der Chemie und der Landwirtschaft.

Wir haben ein großes Interesse am Handel mit dem Vereinigten Königreich, aber unser gemeinsamer europäischer Binnenmarkt ist für uns überragend wichtig. Wir würden es bedauern, wenn das Vereinigte Königreich nun Standards senkt und damit den Binnenmarkt unter Druck setzt. Das darf nicht geschehen: Das „level-playing field“ ist auch eine Frage der Fairness. Gleiche wettbewerbliche Ausgangsbedingungen herrschen nur dann, wenn der Binnenmarkt nur in dem Maße für britische Produkte und Dienstleistungen geöffnet wird, das der Übereinstimmung der Standards entspricht.

Vereinfacht gesprochen: Wir müssen unsere Verbraucherinnen und Verbraucher auch vor den berühmten Chlorhühnchen schützen.

Auch das Europäische Parlament hat gerade gestern dazu eine Resolution verabschiedet, in der es die Garantie gleicher Wettbewerbsbedingungen fordert.

Die Europäische Union darf sich in den kommenden Monaten nicht erpressen lassen. Die rund 3,2 Millionen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger im Vereinigten Königreich dürfen nicht Faustpfand bei den Verhandlungen sein. Der Austrittsvertrag, der ja insoweit abschließende Regeln enthält, muss vollständig eingehalten werden.

Wir fordern das auch mit Blick auf die über 8.000 in Niedersachsen lebenden Britinnen und Briten. Das gleiche erwarten wir auch von der britischen Regierung. Darauf muss die Kommission achten, schon während der jetzt beginnenden Verhandlungen zum künftigen Verhältnis.

Für Niedersachsen ist wichtig, dass es gelingt, für unsere exportstarke Wirtschaft Bedingungen zu erhalten, die einen möglichst ungestörten Warenverkehr erlauben.

Wir bedauern, dass bereits nun – unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen – Friktionen in dem bislang ungestörten Handel auftreten werden. Denn der Handel mit dem Drittstaat Vereinigtes Königreich wird auf Kontrollen nicht verzichten können. Das wird zwangsläufig gewisse Auswirkungen auf die Lieferketten haben.

Auch für unsere Hochseefischer steht viel auf dem Spiel.

Niedersachsen hat ein großes Interesse daran, dass unsere Hochseefischer weiterhin britische Gewässer nutzen dürfen. Auf der anderen Seite benötigt die britische Seite den europäischen Absatzmarkt für ihre Fischereiprodukte. Ein Fischereiabkommen hat aus unserer Sicht hohe Priorität!

Zudem legen wir großen Wert darauf, dass unsere Bürgerinnen und Bürger weiterhin ohne großen Aufwand nach Großbritannien reisen können. Das gilt insbesondere für den Schüler- und Studentenaustausch. Hier hoffen wir, dass es gelingt, dass der bisherige erfolgreiche Austausch von jungen Menschen erhalten bleibt.

Die Jugend wollte den Brexit weit überwiegend nicht!

Niedersachsen wird auf allen Ebenen in den nun anstehenden Prozess weiter maßgeblich einbringen. Wie schon bisher, werden wir uns

  • im Rahmen der Bund-Länder AG Brexit,
  • der Berichterstattergruppe der Europaministerkonferenz,
  • über einen Bundesratsvertreter
  • und auf der politischen Ebene engagieren.

Dabei baue ich auch darauf, dass – entsprechend des heutigen Bundesratsbeschlusses – die Länder weiterhin maßgeblich am Brexit-Prozess beteiligt werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.“