Einigung auf strengere Vorschriften zur Entfernung terroristischer Online-Inhalte © Europäische Gemeinschaften, 1999, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst

11.12.2020 Brüssel. Terroristische Inhalte müssen künftig innerhalb von einer Stunde nach einer Entfernungsanordnung der nationalen Behörden aus dem Web entfernt werden. Darauf verständigten sich gestern (Donnerstag) Europäisches Parlament und Rat. Dank der Einigung kann künftig auch besser gegen die Verbreitung extremistischer Ideologien im Internet vorgegangen werden. Diese Regeln sind wesentlicher Bestandteil der Anti-Terror-Agenda der Kommission.

Die Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online‑Inhalte muss nun noch vom Europäischen Parlament und vom Rat im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgaben und Verfahren förmlich erlassen werden. Sobald die Verordnung angenommen ist, schafft sie die Gewähr, dass Online-Plattformen eine aktivere Rolle bei der Auffindung terroristischer Online-Inhalte übernehmen und solche Inhalte binnen maximal einer Stunde aus dem Internet entfernt werden.

Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas erklärte: „Die heutige Einigung macht das Internet sicherer. Bleiben terroristische Inhalte im Netz, können sie verheerenden Schaden anrichten – sie können zu neuen Anschlägen anstacheln, Menschen radikalisieren und dazu beitragen, dass sich gefährliches technisches Know-how verbreitet. Mit der Verordnung wird ein Rechtsrahmen geschaffen, der die Mitgliedstaaten und Diensteanbieter klar in die Pflicht nimmt. Die heutige Einigung ist ein Meilenstein, um künftige Angriffe zu verhindern. Unsere Sicherheitsunion wird zur Realität.“

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson ergänzte: „Um Terroristen anzuwerben, werden Videos – manchmal sogar Livestreams – von Terroranschlägen ins Netz gestellt. Terrorpropaganda zu stoppen, ist für unsere Arbeit gegen Radikalisierung von zentraler Bedeutung. Mit dieser Verordnung stellen wir sicher, dass das, was in der realen Welt illegal ist, auch im Internet illegal ist. Nationale Behörden und Online-Plattformen bekommen das nötige Rüstzeug, um bei solchen illegalen Inhalten schnell Schadensbegrenzung zu betreiben. Wir haben solide Schutzvorkehrungen eingebaut, damit unsere Meinungs- und Informationsfreiheit gewahrt bleibt.“

Hier die Eckpunkte des gestrigen Kompromisses:

  • Die Ein-Stunden-Regel: Der größte Schaden durch terroristische Inhalte entsteht in den ersten Stunden nach ihrem Erscheinen. Die neuen Vorschriften verpflichten Online-Plattformen, die Verbreitung solcher Inhalte so früh wie möglich zu stoppen.
  • Grenzüberschreitend geltende Entfernungsanordnungen in der EU: Entfernungsanordnungen können von jedem Mitgliedstaat an jede in der EU niedergelassene Online-Plattform gerichtet werden.
  • Definition terroristischer Inhalte im Einklang mit der geltenden Anti-Terror-Richtlinie. Ausgenommen sind Inhalte, die zu Bildungszwecken, zu journalistischen oder künstlerischen Zwecken oder zu Forschungszwecken verbreitet werden. Diese Ausnahme gilt auch, wenn Inhalte zur Sensibilisierung gegen terroristische Aktivitäten verbreitet werden.
  • Beschwerdemechanismen, damit irrtümlich entfernte Inhalte möglichst schnell wiederhergestellt werden können.
  • Verstärkte Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und Europol, damit Entfernungsanordnungen besser nachverfolgt werden können.
  • Verpflichtungen für Diensteanbieter, proaktiv gegen den Missbrauch ihrer Dienste für die Verbreitung terroristischer Online-Inhalte vorzugehen.
  • Transparenz und Rechenschaftspflicht durch jährliche Transparenzberichte.
  • Möglichkeiten für die Mitgliedstaaten, Verstöße zu ahnden und das Strafmaß festzulegen, wobei Art und Größe der Plattform berücksichtigt werden sollen, damit die Strafen verhältnismäßig sind und kleine, mittlere und Kleinstunternehmen nicht übermäßig belastet oder abgestraft werden.

Nächste Schritte

Die Verordnung muss nun noch vom Europäischen Parlament und vom Rat im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgaben und Verfahren förmlich erlassen werden. Die Kommission wird die gesamten Abläufe, insbesondere auch die Anwendung der Verordnung, weiterhin nach Kräften unterstützen.

Hintergrund

Die Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und Cyberkriminalität gehört zu den Prioritäten der Kommission unter Präsidentin von der Leyen. Im Juli stellte die Europäische Kommission die EU-Strategie für die Sicherheitsunion für den Zeitraum 2020 bis 2025 vor und verpflichtete sich, den Fokus vor allem auf Bereiche zu legen, in denen die EU den Mitgliedstaaten wertvolle Hilfe leisten kann, um die Sicherheit aller Menschen in Europa zu erhöhen. Die kürzlich angenommene Agenda für die Terrorismusbekämpfung baut auf den Maßnahmen auf, die bereits ergriffen wurden, um Terroristen handlungsunfähig zu machen und die Abwehrfähigkeit gegen Angriffe zu stärken.

Die Kommission hat die heute vereinbarte Verordnung 2018 vorgeschlagen und die Verhandlungen der Gesetzgeber über dieses vorrangige Vorhaben intensiv unterstützt.

Parallel dazu hat die Kommission auf freiwilliger Basis mit den Mitgliedstaaten, Europol und der Branche zusammengearbeitet. Die Unternehmen haben gemeinsam mit Europol eine „Hash-Datenbank“ entwickelt, mit der als schädlich identifizierte Inhalte elektronisch gekennzeichnet und so deren erneutes Auftreten verhindert werden kann. Die Datenbank enthält inzwischen mehr als 300.000 Hashes bekannter terroristischer Videos und Bilder.

Auch die EU-Meldestelle für Internetinhalte bei Europol durchsucht das Internet nach terroristischen Inhalten. Seit ihrer Einrichtung im Juli 2015 hat die Meldestelle mehr als 100.000 Inhalte an die Internetunternehmen gemeldet, im Jahr 2019 mehr als 25.000.

Außerdem haben sich die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Anbieter von Online-Diensten im Oktober 2019 auf ein EU-Krisenprotokoll verpflichtet – einen Schnellreaktionsmechanismus, mit dem die virale Verbreitung terroristischer und gewaltverherrlichender extremistischer Inhalte im Internet eingedämmt werden soll.

Links zum Thema:

Sicherheitsunion: Kommission begrüßt politische Einigung über Entfernung terroristischer Online-Inhalte
Presseinformation der EU-Kommission vom 10.12.2020.

Verordnungsvorschlag der Kommission zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte

Mitteilung über die EU-Agenda für Terrorismusbekämpfung: Antizipieren, verhindern, schützen, reagieren

Sicherheitsunion – Website der Kommission

EU-Internetforum: Regierungen, Europol und Technologieunternehmen suchen gemeinsam Wege zur Bekämpfung von Anstiftung zu Terrorismus und Hassreden in Online-Medien.
Presseinformation der EU-Kommission vom 03.12.2015.

Aufklärungsnetzwerk gegen Radikalisierung (RAN)

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.