EU erweitert Arsenal für Schutz von Handelsinteressen © Europäische Union, 2019, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Lukasz Kobus

29.10.2020 Brüssel. Die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Rat haben sich gestern (Mittwoch) politisch über die Stärkung der EU-Durchsetzungsverordnung bei Handelsstreitigkeiten geeinigt. Dank der vereinbarten Änderungen wird die EU ihre Handelsinteressen trotz der Lähmung des multilateralen Streitbeilegungssystems der Welthandelsorganisation schützen können. Die Kommission kann auch tätig werden, wenn in bilateralen Abkommen Probleme auftreten.

Durch die endgültige Einigung zwischen den beiden Ko-Gesetzgebern Rat und Parlament werden auch der Geltungsbereich der Verordnung sowie etwaiger handelspolitischer Maßnahmen auf Dienstleistungen und auf bestimmte handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums ausgeweitet. Dadurch wird es der Union ermöglicht, in weiteren Bereichen Gegenmaßnahmen zu ergreifen und so das ihr bei der Durchsetzung ihrer Rechte zu Verfügung stehende Arsenal weiter zu stärken.

Der für Handelspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsident der Kommission Valdis Dombrovskis erklärte dazu: „Mit dieser Einigung sendet die Europäische Union ein starkes politisches Signal aus. Sie macht deutlich, dass sie immer für die Unternehmen, Beschäftigten und Verbraucher eintreten wird, wenn sich ihre Partner nicht an die Regeln halten. Damit kommen wir einer zentralen Verpflichtung nach, die wir mit unserer europäischen Handelsagenda eingegangen sind. Die Einigung eröffnet der EU weitere Möglichkeiten zur Verteidigung ihrer Interessen, wenn ein Handelsstreit im Rahmen der WTO oder eines unserer bilateralen Handelsabkommen blockiert wird. Außerdem können wir nun Gegenmaßnahmen nicht nur in Bezug auf Waren, sondern auch auf Dienstleistungen und bestimmte Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums ergreifen. Zur Lösung dieser Probleme hat ein modernisiertes und gut funktionierendes multilaterales Regelwerk mit einem zweistufigen Streitbeilegungssystem als Herzstück nach wie vor absolute Priorität für uns. Vorläufig können wir es uns aber nicht erlauben, über keinerlei Mittel zur Verteidigung zu verfügen.“

Im Anschluss an diese politische Einigung werden das Europäische Parlament und der Rat die geänderte Verordnung förmlich annehmen, damit sie so bald wie möglich in Kraft treten kann.

Hintergrund

Im Einklang mit den politischen Leitlinien von Präsidentin von der Leyen baut die Kommission das der Union zur Verfügung stehende Instrumentarium weiter aus und engagiert sich damit noch stärker für die Einhaltung und Durchsetzung der Handelsabkommen der EU.

Zu den obersten Prioritäten von Präsidentin von der Leyen gehört es, für die Einhaltung der mit anderen Handelspartnern vereinbarten Verpflichtungen zu sorgen. Die EU setzt sich daher noch intensiver dafür ein, die von ihren Partnern in multilateralen, regionalen und bilateralen Handelsabkommen eingegangenen Verpflichtungen durchzusetzen. Die Union wird sich dabei auf ein ganzes Instrumentarium stützen können.

Mit dem Vorschlag zur Änderung der bestehenden Durchsetzungsverordnung wurde auf die Blockade des WTO-Berufungsgremiums reagiert. Die geltende Verordnung stellt nach EU-Recht die Grundlage für handelspolitische Gegenmaßnahmen dar. Demnach muss ein Streitfall sämtliche WTO-Verfahren einschließlich des Berufungsstadiums durchlaufen, bevor die Union reagieren kann. Solange es kein funktionsfähiges WTO-Berufungsgremium gibt, können sich die WTO-Mitglieder ihrer Verpflichtungen entziehen. Zudem können sie einer verbindlichen Entscheidung durch die Einlegung von Rechtsmitteln gegen einen Panelbericht ganz einfach entgehen.

Mit der überarbeiteten Verordnung wird die EU sogar dann reagieren können, wenn die WTO keine abschließende Entscheidung getroffen hat, weil ein anderes WTO-Mitglied das Streitbeilegungsverfahren blockiert, indem es Rechtsmitteln bei einem nicht funktionsfähigen Berufungsgremium einlegt und der Durchführung eines alternativen Schiedsverfahrens im Rahmen der WTO-Streitbeilegungsvereinbarung nicht zustimmt.

Dieser neue Mechanismus gilt auch für die Streitbeilegungsbestimmungen, die in den regionalen oder bilateralen, von der EU abgeschlossenen Handelsabkommen für den Fall vorgesehen sind, dass es zu einer vergleichbaren Blockade kommt. Die EU muss immer dann entschieden reagieren können, wenn Handelspartner eine wirksame Streitbeilegung – etwa durch die Blockade der Zusammensetzung von Panels – behindern.

Im Rahmen dieser Einigung verpflichtete sich die Kommission, den EU-Mechanismus zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen rasch weiterzuentwickeln. Wie in der Absichtserklärung der Präsidentin der Europäischen Kommission vom 16. September 2020 an den Präsidenten des Europäischen Parlaments und die amtierende Präsidentin des Rates angekündigt, wird die Kommission den Vorschlag für den Mechanismus zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen spätestens Ende 2021 annehmen. Der Mechanismus zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen ist auch Teil des Arbeitsprogramms der Kommission für 2021.

Im Sinne eines noch stärkeren Engagements für die Einhaltung und Durchsetzung der Handelsabkommen der EU hat die Kommission im Juli dieses Jahres auch erstmals einen Leitenden Handelsbeauftragten ernannt.

Links zum Thema:

Handelsstreitigkeiten – EU erweitert ihr Durchsetzungsarsenal mit modernisierter Verordnung
Presseinformation der EU-Kommission vom 28.10.2020.

Der Vorschlag der Kommission

Memo

Infografik

Absichtserklärung

Arbeitsprogramm der Kommission für 2021

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.