12.01.2018 Brüssel. Europas Unternehmen und Forscher sollen in Zukunft ihre Datenmengen in der Europäischen Union (EU) selbst verarbeiten können. Dafür will die Europäische Kommission gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten 1 Milliarde Euro in den Aufbau der ersten europäischen Supercomputer-Infrastruktur investieren. Supercomputer werden unter anderem für Klimaforschung, sichere Energieversorgung, neue Formen der Medizin und Cybersicherheit gebraucht. Durch eine eigene Infrastruktur würden auch Daten und Geschäftsgeheimnisse besser geschützt: Weil die EU noch nicht über die leistungsfähigsten Supercomputer verfügt, müssen Wissenschaftler und Unternehmen ihre Daten außerhalb der EU verarbeiten lassen. „Supercomputer sind der Motor der digitalen Wirtschaft. Die EU muss in diesem harten Rennen aufholen“, sagte der für den digitalen Binnenmarkt zuständige EU-Kommissionsvizepräsident Andrus Ansip am Donnerstag (11. Januar) in Brüssel.

Ein neues Gemeinsames Unternehmen EuroHPC soll eine europaweite Hochleistungsrecheninfrastruktur von Weltrang erwerben, aufbauen und einrichten. Die Initiative wird auch ein Forschungs- und Innovationsprogramm der EU für die Entwicklung der Technologien und Hardware sowie der Anwendungen für diese Supercomputer umfassen.

„Mit der EuroHPC-Initiative wollen wir den europäischen Forschern und Unternehmen bis 2020 erstklassige Superrechner-Kapazitäten zur Verfügung stellen, um Technologien wie künstliche Intelligenz zu entwickeln und die künftigen Alltagsanwendungen in Bereichen wie Gesundheitswesen, Sicherheit oder Ingenieurwesen zu erstellen“, fügte Ansip hinzu.

Supercomputer werden benötigt, um die immer größeren Datenmengen zu verarbeiten und entfalten ihren Nutzen für die Gesellschaft in vielen verschiedenen Bereichen, von der Gesundheitsversorgung und erneuerbaren Energien über die Fahrzeugsicherheit bis hin zur Cybersicherheit. Im Rahmen der aktuellen Initiative der EU-Kommission sollen Investitionen gebündelt werden, um erstklassige europäische Supercomputer und Infrastrukturen für die Massendatenverarbeitung (Big Data) bereitzustellen. EuroHPC soll dafür Systeme mit einer Rechenleistung von hundert Billiarden pro Sekunde erwerben und die Entwicklung von Systemen mit einer Rechenleistung Trillion Rechenoperationen pro Sekunde auf der Grundlage von EU-Technologie bis 2022–2023 unterstützen.

Für die Tätigkeit des Gemeinsamen Unternehmens EuroHPC ist der Zeitraum 2019–2026 vorgesehen. Die geplante Infrastruktur wird im gemeinsamen Eigentum ihrer Mitglieder stehen und von ihnen gemeinsam betrieben werden. Bei diesen Mitgliedern handelt es sich zunächst um die Unterzeichnerländer der EuroHPC-Erklärung, darunter auch Deutschland, sowie um private Mitglieder aus Wissenschaft und Industrie. Der Beitritt weiterer Mitglieder zu dieser Zusammenarbeit ist jederzeit möglich, soweit sie einen entsprechenden Finanzbeitrag leisten.

Warum ist es notwendig, dass die EU eine solche HPC-Initiative ergreift?

Trotz der bisherigen Bemühungen und Investitionen verfügt die EU noch nicht über die leistungsfähigsten Supercomputer, und die vorhandenen Hochleistungsrechner beruhen auf außereuropäischer Technik. Die verfügbare Rechenzeit reicht nicht aus, um den ständig steigenden Bedarf zu decken. Um diese Bedarfslücke zu schließen, müssen europäische Wissenschaftler und Unternehmen ihre Daten außerhalb der EU verarbeiten lassen. Daraus ergeben sich aber Probleme in Bezug auf die Privatsphäre, den Datenschutz, den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das Eigentum an Daten, insbesondere bei sensiblen Anwendungen.

Die europäische Versorgungskette für HPC-Technik ist unterentwickelt, und der Anteil europäischer Technik an laufenden Hochleistungsrechnern ist nach wie vor unbedeutend. Ohne klare Perspektiven für einen Leitmarkt und den Verkauf einer Exa-HPC-Anlage an den öffentlichen Sektor werden europäische Hersteller nicht das Risiko eingehen, solche Anlagen selbst zu bauen.

Außerdem investieren die EU-Mitgliedstaaten bisher jeder für sich allein in die Entwicklung und Anschaffung von HPC-Infrastrukturen. Aber trotz beträchtlicher Investitionen sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Unionsebene wird in Europa – im Vergleich zur Konkurrenz aus den USA, China oder Japan – eindeutig viel zu wenig Geld für das Hochleistungsrechnen ausgegeben. Die bestehende Investitionslücke beläuft sich auf 500–750 Millionen Euro pro Jahr. Der Bedarf an materiellen und finanziellen Mitteln für den Aufbau eines tragfähigen HPC-Ökosystems auf Exa-Niveau hat inzwischen eine Größenordnung erreicht, bei der kein einzelnes Land in Europa mehr in der Lage ist, ein solches System nachhaltig und in einem mit der außereuropäischen Konkurrenz vergleichbaren Zeitrahmen aufzubauen. Deshalb müssen die EU-Mitgliedstaaten ihre HPC-Investitionsstrategien auf europäischer Ebene koordinieren und ihre Mittel bündeln.

Eine solche Bündelung und Rationalisierung auf EU-Ebene ist nun unverzichtbar geworden. Eine gemeinsame Infrastruktur und die gemeinsame Nutzung der bestehenden Kapazitäten würde allen nützen: Industrie, kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Wissenschaft, öffentlichem Sektor und insbesondere kleineren EU-Mitgliedstaaten, die keine eigenständigen nationalen Hochleistungsrecheninfrastrukturen haben. So könnte insbesondere ein eigener, unabhängiger Zugang der EU zu HPC-Spitzentechnik gesichert werden.

Die Initiative wird die gemeinsame Anschaffung von Hochleistungsrechnern ermöglichen und allen EU-Mitgliedstaaten Zugang zu Supercomputern verschaffen, die eine mit den besten Anlagen der Welt vergleichbare Leistung bieten. Diese Rechenanlagen werden in eine europaweite Infrastruktur eingebettet sein und der Wissenschaft und industriellen Forschung sowie dem öffentlichen Sektor unabhängig von ihrem Standort zur Verfügung stehen. Die gesteigerte Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von HPC-Spitzenressourcen wird die Anwender dazu ermutigen, ihre Tätigkeiten und Daten in Europa zu belassen und somit zum Erhalt einer kritischen Masse an Know-how und Personal in den Mitgliedstaaten beitragen.

Warum schlägt die EU-Kommission die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens zur Umsetzung der EuroHPC-Initiative vor?

Heutige Finanzierungsinstrumente reichen nicht aus, wenn es um eine solche großangelegte Zusammenarbeit im Bereich der Supercomputer geht. In einer Folgenabschätzung wurde festgestellt, dass sich die EuroHPC-Initiative am besten in Form eines Gemeinsamen Unternehmens umsetzen lässt. Dieses Rechtsinstrument ermöglicht es, mit den EU-Mitgliedstaaten alle Kräfte zu bündeln, um die Entwicklung einer europaweiten Hochleistungsrechen- und Dateninfrastruktur zu unterstützen. Damit werden drei dringende Bedarfsfälle angegangen:

  • Beschaffung und Einrichtung einer Weltklasse-HPC-Infrastruktur im Vor-Exa-Maßstab in Europa;
  • Bereitstellung dieser Infrastruktur für öffentliche und private Anwender zur Entwicklung wegweisender wissenschaftlicher und industrieller Anwendungen;
  • Unterstützung der rechtzeitigen Entwicklung europäischer Hochleistungsrechentechnik der nächsten Generation und deren Integration in Exa-Systeme in einem Zeitrahmen, der gegenüber der weltweiten Konkurrenz wettbewerbsfähig ist.

Das Gemeinsame Unternehmen EuroHPC wird eine effiziente Kombination aus gemeinsamer Beschaffung und gemeinsamem Besitz von Supercomputern sowie gemeinsame Investitionen in die Entwicklung von Technologien für die angeschafften Anlagen seitens EU-Kommission und der EU-Mitgliedstaaten ermöglichen.

Wer wird sich am Gemeinsamen Unternehmen EuroHPC beteiligen?

Das Gemeinsame Unternehmen EuroHPC wird zwei Arten von Mitgliedern haben: öffentliche und private Mitglieder. Die öffentlichen Mitglieder werden die Europäische Union (vertreten durch die EU-Kommission) und die 13 EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Länder sein, die die EuroHPC-Erklärung bereits unterzeichnet haben. Deutschland gehört mit Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal und Spanien zu den ersten Unterzeichnern. Weitere EU-Mitgliedstaaten und assoziierte Länder können sich dem Gemeinsamen Unternehmen jederzeit anschließen.

Die privaten Mitglieder des Gemeinsamen Unternehmens werden Vertreter der Beteiligten und Interessenträger aus dem HPC- und Big-Data-Bereich sein, z.B. aus Wissenschaft und Industrie. Zwei vertragliche öffentlich-private Partnerschaften (ETP4HPC und Big Data Value Association – BDVA) haben bereits schriftlich ihre Unterstützung für die Gründung des Gemeinsamen Unternehmens EuroHPC bekundet.

Das Gemeinsame Unternehmen EuroHPC wird voraussichtlich im Jahr 2019 seinen Betrieb aufnehmen und soll bis Ende 2026 tätig sein.

Hintergrund

Die EU-Kommission ist seit 2012 federführend bei Initiativen der EU in diesem Bereich:

  • Europäische Cloud-Initiative vom 19. April 2016 im Rahmen ihrer Strategie zur Digitalisierung der europäischen Industrie; darin wird die Schaffung eines führenden europäischen Ökosystems für die Massendatenverarbeitung (Big Data) auf der Grundlage erstklassiger Hochleistungsrechner-, Daten- und Netzinfrastrukturen gefordert;
  • EuroHPC-Erklärung, unterzeichnet am 23. März 2017 anlässlich des Digitalen Tags in Rom von sieben EU-Mitgliedstaaten – Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal und Spanien. Im Jahr 2017 folgten Belgien, Slowenien, Bulgarien, die Schweiz, Griechenland und Kroatien. Diese Länder vereinbarten den Aufbau einer europaweiten integrierten Supercomputer-Infrastruktur auf Exa-Niveau. Die anderen EU-Mitgliedstaaten und die assoziierten Länder werden ermutigt, die EuroHPC-Erklärung ebenfalls zu unterzeichnen.

Links zum Thema:

EU soll für eine Milliarde Euro Supercomputer bekommen
Weitere Nachricht vom 12. Januar 2018 zum Thema.

Kommission will 1 Mrd. EUR in europäische Weltklasse-Supercomputer investieren
PresseInformation der EU-Kommission vom 11. Januar 2018 mit Links zu weiterführenden Informationen und Dokumenten zum Thema.