28.02.2019 Brüssel. Die Europäische Kommission hat heute (Donnerstag) ihre Antworten auf die einzelnen falschen und irreführenden Behauptungen in der aktuellen Kampagne der ungarischen Regierung veröffentlicht. In der vergangenen Woche hatte die ungarische Regierung eine Kampagne gestartet, mit Plakaten, ganzseitigen Anzeigen in Zeitungen und einem Brief des ungarischen Premierministers Viktor Orbán an alle ungarischen Bürgerinnen und Bürger unter dem Motto: „Sie haben das Recht zu wissen, was Brüssel plant“. Die Europäische Kommission teilt die Auffassung der ungarischen Regierung, dass die Bürgerinnen und Bürger es verdienen, die Wahrheit über das zu erfahren, was die EU tut – allerdings verdienen die Menschen Fakten, nicht Schauermärchen.
Die ungarische Regierungskampagne verzerrt die Wahrheit und versucht, ein düsteres Bild einer geheimen Verschwörung zu zeichnen, die auf mehr Migration nach Europa abzielt. Die Wahrheit ist, dass es keine Verschwörung gibt. Die Behauptungen der ungarischen Regierung sind im in vielen Fällen sachlich falsch oder bestenfalls irreführend. Nichts davon hat etwas mit dem Investor George Soros zu tun, der auf den Kampagnenmotiven zusammen mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker abgebildet ist.
Die Kommission möchte daher die Dinge richtig stellen, Punkt für Punkt.
1. Behauptung: „Brüssel“ will verpflichtende Neuansiedlungsquoten für Migranten einführen.
Die Realität: Die Mitgliedstaaten sind Entscheidungsträger in der EU, niemand zwingt sie zu Entscheidungen. Die Neuansiedlung von Flüchtlingen aus Drittländern war und wird immer auf rein freiwilliger Basis erfolgen.
Es ist zu unterscheiden zwischen der Umverteilung von Asylbewerbern innerhalb der EU (Relocation) und Neuansiedlung aus Drittstaaten in die EU (Resettlement). Die EU ist bestrebt, die Bemühungen für Neuansiedlung von Schutzbedürftigen zu koordinieren, aber alle nationalen Zusagen sind und bleiben freiwillig.
Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise verabschiedeten die Mitgliedstaaten ein Gesetz, um Solidarität mit den am stärksten unter Druck stehenden Ländern Italien und Griechenland zu zeigen und Asylbewerber aus diesen Ländern solidarisch umzuverteilen. Knapp 35.000 Asylbewerber wurden umverteilt, 22.000 aus Griechenland und 12.700 aus Italien. Dieser zweijährige Rahmen ist nun abgelaufen.
Die Asylvorschriften der EU enthalten keine Bestimmungen über die obligatorische Neuansiedlung von Schutzbedürftigen aus Drittstaaten. Die Diskussionen über eine Reform der bestehenden Vorschriften zwischen den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament dauern an. Die Kommission vertritt in diesen Verhandlungen den Standpunkt, dass alle Mitgliedstaaten eine Form der Solidarität zeigen sollten, dass sie aber in vielen verschiedenen Formen erfolgen kann. In ihrem ursprünglichen Vorschlag zur Reform der Asylvorschriften hat die Kommission vorgeschlagen, Solidarität in vielerlei Hinsicht zu zeigen – Länder könnten einen finanziellen Beitrag leisten, wenn sie keine Asylbewerber aufnehmen wollten.
2. Behauptung: „Brüssel“ will die Rechte der Mitgliedstaaten auf Schutz ihrer Grenzen schwächen.
Die Realität ist das Gegenteil: Die EU unterstützt den nationalen Grenzschutz.
Die Grenzen müssen vor Sicherheitsrisiken geschützt werden, müssen aber auch den Grenzübertritt von legitim Reisenden professionell abwickeln. Die neue europäische Grenz- und Küstenwache, die 2016 eingerichtet wurde, hat die gemeinsamen europäischen Anstrengungen zum besseren Schutz der Außengrenzen verstärkt. Die Kommission hat auch vorgeschlagen, weiter zu gehen und ein ständiges Korps von 10.000 Grenzschutzbeamten zu bilden, das den Mitgliedstaaten zur Verfügung stünde, um genau das zu tun: unsere Grenzen zu schützen – unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte und der Souveränität der Mitgliedstaaten über ihre Grenzen.
Auf Vorschlag der Kommission hat der Rat neue Regeln verabschiedet, die jetzt gelten und sicherstellen, dass jede einzelne Person, die die Außengrenzen überschreitet, anhand aller unserer Sicherheitsdatenbanken überprüft wird.
Um die Ursachen der Migration anzugehen, arbeitet die EU auch mit Ländern zusammen, aus denen Migranten kommen oder durch die sie auf dem Weg in die EU reisen. So reduzierte das Abkommen der EU mit der Türkei die Ankünfte in Griechenland um 98 Prozent. Wir arbeiten auch daran, die Rückkehrquote von irregulären Migranten zu verbessern, die kein Recht auf Aufenthalt in Europa haben.
3. Behauptung: „Brüssel“ will die Einwanderung mit Migrantenvisa erleichtern.
Die Realität: Die Kommission hat keine Pläne zur Einführung humanitärer Visa.
Das Europäische Parlament hat einen Initiativbericht zu diesem Thema erstellt. Ein Bericht des Parlaments ist jedoch kein Standpunkt der EU und noch lange keine gemeinsame europäische Politik. Auch die Mitgliedstaaten haben ihr Wort mitzureden, ebenso wie die Kommission. Und die Kommission hat nicht vor, neue Rechtsvorschriften in diesem Bereich vorzuschlagen.
Die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz aus Drittländern benötigen, ist bereits Gegenstand der vorgeschlagenen Rahmenverordnung der Union zur Neuansiedlung, die die Grenzen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems respektiert.
4. Behauptung: „Brüssel“ will noch mehr Geld an Organisationen geben, die die Einwanderung unterstützen.
Die Realität: Die Kommission unterstützt keine illegale Migration. Die Kommission arbeitet mit allen Mitgliedstaaten zusammen, um die Ankünfte in Europa zu verringern und gleichzeitig den internationalen Verpflichtungen aller Demokratien zum Schutz der Menschen nachzukommen, die aufgrund von Kriegen oder Verfolgung ihre Heimat verlassen müssen.
Die Kommission arbeitet nicht mit Organisationen zusammen, die illegale Migration erleichtern. Die Europäische Union hat keine Toleranz gegenüber dem Menschenhandel und unternimmt seit vielen Jahren Maßnahmen zur Bekämpfung dieses ausbeuterischen Verbrechens.
Leben auf See zu retten und sich um gefährdete Menschen zu kümmern, die vor Blutvergießen und Krieg geflohen sind und internationalen Schutz benötigen, ist nicht dasselbe wie die Förderung irregulärer Migration. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Nichtregierungsorganisationen mit kriminellen Schmugglernetzwerken zusammenarbeiten, um Migranten bei der Einreise in die EU zu unterstützen. Im Falle eines Verdachts haben die Mitgliedstaaten – und nicht die EU – die Befugnis zu ermitteln. Ungarn erwartet zu Recht die Einhaltung seiner Gesetze, mit voller Unterstützung der Kommission und von EU-Agenturen wie Europol.
Nichtregierungsorganisationen und andere internationale Organisationen gehören im Gegenteil zu den zuverlässigsten und wertvollsten Partnern bei der Bewältigung von Migration und Flucht. Sie bieten Asylbewerbern Informationen und Rechtsberatung sowie Aufnahme- und Betreuungseinrichtungen und tragen dazu bei, die Belastung der Mitgliedstaaten zu verringern.
5. Behauptung: Brüssel will die Einwanderung auch mit Prepaid-Debitkarten unterstützen.
Die Realität: Es gibt keine anonymen Debitkarten.
Die Kommission finanziert ein Programm des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR für Prepaid-Debitkarten für Flüchtlinge und Asylbewerber in Griechenland. Die Begünstigten erhalten einen vordefinierten monatlichen Barzuschuss, der es ihnen ermöglicht, ihre Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung usw. zu decken. Die Barhilfe ist im Gegensatz zur Sachbeihilfe kosteneffizient, erleichtert die Integration in die lokale Gesellschaft und kommt der lokalen Wirtschaft zugute.
Die Begünstigten jeder Karte sind bekannt. Die Karten sind nicht anonym, sondern enthalten eine Nummer, die sich auf die Identität des in das Programm aufgenommenen Begünstigten bezieht. Die Identität des Karteninhabers wird monatlich durch eine Personenkontrolle überprüft. Die Karte ist auf die Nutzung von Griechenland beschränkt. Sie kann nicht in einem anderen Land verwendet werden.
6. Behauptung: Brüssel will gemeinsam mit afrikanischen Ländern Pilotprojekte zur Einwanderung starten.
Die Realität: Die legale Migration ist ein wesentliches Element jeder ernsthaften Politik für die Steuerung der Migration wirkt abschreckend auf irreguläre Migration.
Mit den Pilotprojekten soll ein EU-Rahmen für die Zulassungsbedingungen und -verfahren geschaffen werden, um die Mitgliedstaaten zu unterstützen. Die Mitgliedstaaten entscheiden weiterhin ausschließlich selbst und völlig freiwillig über die Zahl der von ihnen aufgenommenen Migranten, wenn sie überhaupt welche aufnehmen.
Beispiele sind Projekte mit Belgien und Litauen zur Behebung des Fachkräftemangels in ihrem IT-Sektor sowie die Wiedereingliederung in die Heimatländer der Migranten am Ende des Projekts.
7. Behauptung: Brüssel will die Mittel für Länder kürzen, die sich der Einwanderung widersetzen.
Die Realität: Länder, die stärker von Migration betroffen sind, erhalten von der EU mehr Mittel, um sie bei der Herausforderung zu unterstützen.
Die Mittelzuweisungen aus dem Kohäsionsfonds beinhalten eine „Prämie“ im Zusammenhang mit der Nettomigration aus Drittländern in dem Land seit 2013. Für den nächsten Haushalt haben sich alle EU-Mitgliedstaaten, einschließlich Ungarn, in einer Reihe von Erklärungen und Schlussfolgerungen des Europäischen Rates darauf geeinigt, dass wir die Lehren aus der Vergangenheit ziehen und in Zukunft mehr Mittel für die Steuerung der Migration und die Grenzsicherheit vorsehen sollten. Dazu gehören Mittel zur Bekämpfung der eigentlichen Ursachen der Migration (und damit zur Verhinderung), die Unterstützung nationaler Grenzschutzmaßnahmen sowie die Solidarität mit den von der Migration überproportional betroffenen EU-Ländern.
Links zum Thema:
Die vollständige Antwort der Kommission finden Sie hier.
Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.