08.07.2020 Brüssel. Um bis 2050 klimaneutral zu werden, muss Europa sein Energiesystem umgestalten, auf das 75 Prozent der Treibhausgasemissionen der EU entfallen. Die Europäische Kommission hat heute (Mittwoch) dafür zwei EU-Strategien zur Integration des Energiesystems und zu Wasserstoff angenommen. Frans Timmermans, der für den europäischen Grünen Deal zuständige Exekutiv-Vizepräsident der Kommission, sagte: „Die heute angenommenen Strategien werden den europäischen Grünen Deal und den grünen Wiederaufschwung stärken und uns den Weg zur Dekarbonisierung unserer Wirtschaft bis 2050 deutlich vorzeichnen. Die neue Wasserstoffwirtschaft kann ein Wachstumsmotor sein, der zur Überwindung der durch COVID-19 verursachten wirtschaftlichen Schäden beträgt.“
Die für Energie zuständige Kommissarin Kadri Simson ergänzte: „Da 75 Prozent der Treibhausgasemissionen der EU auf Energie zurückgehen, brauchen wir einen Paradigmenwechsel, um unsere Ziele für 2030 und 2050 zu erreichen. Das Energiesystem der EU muss besser integriert und flexibler werden und in der Lage sein, die saubersten und kosteneffizientesten Lösungen zu nutzen. Wasserstoff wird dabei eine Schlüsselrolle spielen, da sinkende Preise für erneuerbare Energien und kontinuierliche Innovationen ihn zu einer tragfähigen Lösung für eine klimaneutrale Wirtschaft machen.“
Die beiden Strategien sollen den Weg zu einem effizienteren und stärker vernetzten Energiesektor ebnen. Sie beinhalten im Einklang mit dem Aufbaupaket NextGenerationEU der Kommission und dem europäischen Grünen Deal eine neue Investitionsagenda für saubere Energie. Die geplanten Investitionen haben das Potenzial, die wirtschaftliche Erholung von der Coronavirus-Krise anzukurbeln. Sie schaffen Arbeitsplätze in Europa und stärken unsere Führungsrolle und Wettbewerbsfähigkeit in strategischen Wirtschaftszweigen, die für die Resilienz Europas von entscheidender Bedeutung sind.
Integration des Energiesystems
Die EU-Strategie zur Integration des Energiesystems bildet den Rahmen für die Energiewende. Mit dem derzeitigen Modell, bei dem der Energieverbrauch im Verkehr, in der Industrie, im Gas- und im Gebäudesektor in „Silos“ mit jeweils getrennten Wertschöpfungsketten, Vorschriften, Infrastruktur, Planung und Betrieb erfolgt, kann Klimaneutralität bis 2050 nicht auf kosteneffiziente Weise erreicht werden. Die sich ändernden Kosten innovativer Lösungen müssen sich in der Art und Weise widerspiegeln, in der wir unser Energiesystem betreiben. Es müssen neue Verbindungen zwischen den Sektoren geschaffen und der technologische Fortschritt genutzt werden.
Integration des Energiesystems bedeutet, dass das System als ein Ganzes, unter Vernetzung verschiedener Energieträger, Infrastrukturen und Verbrauchssektoren, geplant und betrieben wird. Dieses vernetzte und flexible System wird effizienter sein und die Kosten für die Gesellschaft senken. Dies bedeutet beispielsweise ein System, in dem der Strom, mit dem die Fahrzeuge in Europa angetrieben werden, aus den Solarpaneelen auf unseren Dächern stammt, während unsere Gebäude mit Wärme aus einer nahegelegenen Fabrik geheizt werden und die Fabrik wiederum mit sauberem Wasserstoff betrieben wird, der mit Offshore-Windenergie erzeugt wurde.
Diese Strategie ruht auf folgenden drei Säulen:
- Erstens einem stärker „kreislauforientierten“ Energiesystem, dessen zentrales Bestandteil die Energieeffizienz ist. In der Strategie werden konkrete Maßnahmen zur praktischen Anwendung des Grundsatzes „Energieeffizienz an erster Stelle“ und zur wirksameren Nutzung lokaler Energiequellen in unseren Gebäuden oder Gemeinschaften aufgezeigt. Erhebliches Potenzial bieten die Wiederverwendung von Abwärme aus Industrieanlagen, Rechenzentren oder anderen Quellen sowie die Energiegewinnung aus Bioabfall oder Kläranlagen. Die „Renovierungswelle“ wird ein wichtiger Bestandteil dieser Reformen sein.
- Zweitens einer stärkeren direkten Elektrifizierung der Endverbrauchssektoren. Da der Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor am höchsten ist, sollten wir nach Möglichkeit zunehmend Strom nutzen, beispielsweise für Wärmepumpen in Gebäuden, Elektrofahrzeuge im Verkehr oder Elektroöfen in bestimmten Industriezweigen. Ein Netz von einer Million Ladestationen für Elektrofahrzeuge wird neben dem Ausbau der Solar- und Windkraft zu den sichtbaren Ergebnissen zählen.
- Für die Sektoren, in denen eine Elektrifizierung schwierig ist, wird in der Strategie die Nutzung saubererer Brennstoffe‚ z.B. von erneuerbarem Wasserstoff, nachhaltigen Biokraftstoffen und Biogas, vorgeschlagen. Die Kommission wird ein neues Klassifizierungs- und Zertifizierungssystem für erneuerbare und CO2-arme Brennstoffe vorschlagen.
In der Strategie werden 38 Maßnahmen zur Schaffung eines stärker integrierten Energiesystems aufgeführt. Dazu gehören die Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften, finanzielle Unterstützung, Erforschung und Einsatz neuer Technologien und digitaler Tools, Leitlinien für die Mitgliedstaaten zu steuerlichen Maßnahmen und dem Auslaufen von Subventionen für fossile Brennstoffe, eine Reform der Marktsteuerung und Infrastrukturplanung sowie bessere Informationen für Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Analyse der bestehenden Hindernisse in diesen Bereichen wird in unsere konkreten Vorschläge einfließen, z.B. in die Überarbeitung der TEN-E-Verordnung bis Ende 2020 oder die Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie und des Rechtsrahmens für den Gasmarkt im Jahr 2021.
Wasserstoffstrategie
In einem integrierten Energiesystem kann Wasserstoff die Dekarbonisierung von Industrie, Verkehr, Stromerzeugung und Gebäuden in ganz Europa unterstützen. Die Wasserstoffstrategie der EU befasst sich damit, wie dieses Potenzial durch Investitionen, Regulierung, Schaffung von Märkten sowie Forschung und Innovation ausgeschöpft werden kann.
Wasserstoff kann Sektoren mit Energie versorgen, die nicht für die Elektrifizierung geeignet sind, und die Energie speichern, um variable Energieflüsse aus erneuerbaren Energieträgern auszugleichen, aber dies kann nur durch auf EU-Ebene koordinierte Maßnahmen des öffentlichen und privaten Sektors erreicht werden. Vorrangiges Ziel ist die Entwicklung von erneuerbarem Wasserstoff, der hauptsächlich mithilfe von Wind- und Sonnenenergie erzeugt wird. Kurz- und mittelfristig sind jedoch andere Formen CO2-armen Wasserstoffs erforderlich, um die Emissionen rasch zu senken und die Entwicklung eines tragfähigen Marktes zu unterstützen.
Dieser schrittweise Übergang erfordert einen stufenweisen Ansatz:
- Von 2020 bis 2024 werden wir in der EU die Installation von für die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff bestimmten Elektrolyseuren mit einer Elektrolyseleistung von mindestens 6 Gigawatt und die Erzeugung von bis zu 1 Million Tonnen erneuerbarem Wasserstoff unterstützen.
- Von 2025 bis 2030 muss Wasserstoff zu einem wesentlichen Bestandteil unseres integrierten Energiesystems werden, indem für die Erzeugung von erneuerbaren Wasserstoff bestimmte Elektrolyseure mit einer Elektrolyseleistung von mindestens 40 Gigawatt installiert und bis zu 10 Millionen Tonnen erneuerbarer Wasserstoff erzeugt werden.
- Von 2030 bis 2050 sollten die Technologien für erneuerbaren Wasserstoff ausgereift sein und in großem Maßstab in allen Sektoren, in denen die Dekarbonisierung schwierig ist, eingesetzt werden.
Um die Umsetzung dieser Strategie zu unterstützen, ruft die Kommission heute die Europäische Allianz für sauberen Wasserstoff ins Leben, an der führende Vertreter der Industrie, die Zivilgesellschaft, Minister der nationalen und regionalen Ebene und die Europäische Investitionsbank beteiligt sind. Die Allianz wird eine Investitionspipeline für den Ausbau der Erzeugung aufbauen und die Nachfrage nach sauberem Wasserstoff in der EU fördern.
Um gezielt die saubersten verfügbaren Technologien zu fördern, wird die Kommission auf die Einführung gemeinsamer Normen, Terminologie und Zertifizierung hinarbeiten, die auf den CO2-Emissionen während des Lebenszyklus basieren, auf bestehenden Rechtsvorschriften im Bereich Klima und Energie aufbauen und mit der EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen in Einklang stehen. Die Kommission wird politische und regulatorische Maßnahmen vorschlagen, um Sicherheit für Investoren zu schaffen, den Einsatz von Wasserstoff zu erleichtern, die erforderliche Infrastruktur und Logistik zu fördern, die Instrumente für die Infrastrukturplanung anzupassen und Investitionen zu fördern, insbesondere durch den Aufbauplan „Next Generation EU“.
Hintergrund
Der europäische Grüne Deal ist die neue Wachstumsstrategie der EU, ein Fahrplan, um unsere Wirtschaft nachhaltiger zu machen, indem die klima- und umweltpolitischen Herausforderungen in allen Politikbereichen in Chancen umgewandelt und der Übergang für alle gerecht und inklusiv gestaltet wird. Ein stärker integriertes Energiesystem ist von entscheidender Bedeutung, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen, einen fairen Übergang zu gewährleisten und die Innovationstätigkeit in der EU sowie die führende Rolle der Industrie auf globaler Ebene zu stärken. Wie in dem von der Kommission am 27. Mai 2020 vorgelegten Aufbaupaket NextGenerationEU dargelegt wurde, kann der Sektor einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung Europas von der Coronavirus-Krise leisten.
Links zum Thema:
Förderung einer klimaneutralen Wirtschaft: Kommission legt Pläne für das Energiesystem der Zukunft und sauberen Wasserstoff vor
Presseinformation der EU-Kommission vom 08.07.2020.
Vorschlag für eine Strategie zur Integration des Energiesystems
Vorschlag für eine EU-Wasserstoffstrategie
Fragen und Antworten zur EU-Strategie zur Integration des Energiesystems
Fragen und Antworten zur EU-Wasserstoffstrategie
Informationsblatt zur EU-Strategie zur Integration des Energiesystems
Informationsblatt zur EU-Wasserstoffstrategie
Informationsblatt zur Europäischen Allianz für sauberen Wasserstoff
Paket für den wirtschaftlichen Aufbau
Allgemeine Informationen zum Thema Integration des Energiesystems
Allgemeine Informationen zum Thema Wasserstoff
Webseite der Europäischen Allianz für sauberen Wasserstoff
Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.