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Haushaltskommissar Oettinger weist Berichte über „EU-Beitrags-Hammer“ für Deutschland zurück © Europäische Union, 2011, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Etienne Ansotte

30.10.2019 Brüssel. Der deutsche Beitrag für den nächsten langfristigen EU-Haushalt ab 2021 wird bei weitem nicht so hoch ausfallen wie in einigen Medien berichtet. Dies hat EU-Haushaltskommissar Oettinger heute (Mittwoch) vor Journalisten in Brüssel klargestellt. „Nach unseren Berechnungen wird Deutschlands jährlicher Nettobeitrag 2021 bei 18,1 Milliarden Euro liegen, im Jahr 2027 bei 23,5 Milliarden Euro“, sagte Oettinger. Diese Zahlen seien auch mit dem Bundesfinanzministerium abgestimmt. Die in Medien mit Verweis auf die Bundesregierung kursierenden „Horrorzahlen“ von einem deutschen Nettobeitrag von 30-33 Milliarden Euro seien „schlichtweg falsch“, sagte Oettinger. Ohnehin ergebe eine übermäßige Fokussierung auf Nettosalden ein stark verfälschtes Bild.

Die Vorteile gemeinsamer europäischer Programme beim Außengrenzschutz oder der Entwicklungs- und Verteidigungspolitik lassen sich nicht auf einzelne Mitgliedstaaten herunterrechnen, sagte Oettinger. „Wir haben Programme im Interesse der Mitgliedstaaten aufgebaut, bei denen es bewusst keine Rückflüsse gibt: Wir finanzieren zum Beispiel Menschenwürde für Flüchtlinge in der Türkei. Da kommen null Euro zurück, aber es kommen die Flüchtlinge auch nicht ungeordnet zu uns“, sagte Oettinger.

„Und wenn wir für die Programme Galileo und Copernicus Satelliten ins All schicken, kommt hoffentlich auch kein Satellit zu uns zurück. Aber die Daten helfen unseren Bürgern, Forschern und Autofahrern“, so Oettinger weiter. „Wenn wir die Grenzschutzagentur Frontex auf 11.500 Mitarbeiter aufbauen wollen, dann stehen die nicht im Herzen Deutschlands oder an der deutschen Grenze zu den Niederlanden. Aber wir bekommen Ordnung an den Außengrenzen.“

Nach dem Vorschlag der Kommission sollen im Zeitraum 2021-2027 aus dem EU-Haushalt 1279 Milliarden Euro (= 1,114 Prozent des Bruttonationaleinkommens, BNE, der EU27) bereitgestellt werden. Die Höhe der Beiträge der Mitgliedstaaten errechnet sich auf der Grundlage der Beträge, die die EU jedes Jahr an die Begünstigten von Haushaltsmitteln auszuzahlen hat, abzüglich der Einnahmen aus anderen Quellen wie Zöllen und Kartellbußen und bis zu einer maximalen Gesamthöhe von 1246 Milliarden Euro (bzw. 1,08 Prozent des BNE der EU27).

Von einem Finanzrahmen zum nächsten steigen die nationalen Beiträge im Zuge von Inflation und Wirtschaftswachstum – genauso wie die nationalen Haushalte. Anders als die nationalen Haushalte erstreckt sich der Finanzrahmen der EU jedoch über einen Zeitraum von sieben Jahren, sodass der jeweilige Anstieg aufgrund des längeren Zeitraums stärker zu Buche zu schlagen scheint.

Bei einem Vergleich der beiden Finanzrahmen 2014-2020 und 2021-2027 ist zu berücksichtigen, dass sie zusammen 14 Jahre Inflation und Wirtschaftswachstum abbilden. Ein direkter Vergleich ergäbe somit ein verzerrtes Bild. Bei Betrachtung des jeweils letzten Jahrs der beiden Finanzrahmen (also 2020 und 2027), würde sich ein Gesamtanstieg der nationalen Beiträge aller Mitgliedstaaten um ein Drittel ergeben: Der Anstieg ist zum größten Teil auf die Inflation und das Realwachstum zurückzuführen (wie auch bei den nationalen Haushalten). „Nominal mehr ist dann real keine erhöhte Einzahlung“, sagte Oettinger.

Ungefähr ein Achtel des Anstiegs ist dem Brexit geschuldet, da mit dem Vereinigten Königreich ein wichtiger Beitragszahler austritt. Und nur etwa ein Viertel des Anstiegs geht zurück auf die vorgeschlagenen höheren Aufwendungen für Forschung, Digitalisierung, Klimaschutz, Migrationssteurerung, Verteidigung und andere vorrangige Politikbereiche, die mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet werden.

Nationale Beiträge: Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten

Im Rahmen des aktuellen Systems werden einigen Mitgliedstaaten aus historischen Gründen Ermäßigungen auf ihre Beiträge bzw. Rabatte gewährt. Diese Rabatte haben jedoch eine Verzerrung des derzeitigen EU-Finanzierungssystems zur Folge, da diejenigen Mitgliedstaaten, die in den Genuss von Rabatten kommen (darunter auch Deutschland), einen geringeren Teil ihres Einkommens zum EU-Haushalt beitragen als die übrigen Mitgliedstaaten.

Gegenwärtig gehören die fünf Mitgliedstaaten, die gemessen an ihrem BNE prozentual den niedrigsten Beitrag zahlen (Dänemark, Deutschland, Niederlande, Österreich und Schweden) zu den acht EU-Ländern mit dem größten relativen Wohlstand. Dieselben fünf Mitgliedstaaten kommen derzeit auch in den Genuss eines Rabatts auf den von ihnen zu zahlenden Beitrag zum

EU-Haushalt. Umgekehrt leisten alle Mitgliedstaaten mit einem unterdurchschnittlichen Wohlstand trotz ihrer geringeren Kapazitäten einen gemessen an ihrem BNE-Anteil überdurchschnittlichen Beitrag zum EU-Haushalt. Einfach ausgedrückt: Die reichsten Mitgliedstaaten zahlen am wenigsten, während die ärmsten unverhältnismäßig hohe Beiträge entrichten.

Nettosalden sind ein veraltetes Konzept

Die Vorteile der Unionsmitgliedschaft gehen weit über Finanzhilfen aus dem EU-Haushalt hinaus. Deshalb ergibt eine übermäßige Fokussierung auf „Nettosalden“ ein stark verfälschtes Bild. Ein solcher Saldo entspricht lediglich der Differenz zwischen dem, was ein Mitgliedstaat zum EU-Haushalt beiträgt, und den Geldern, die die erfassten Begünstigten im betreffenden Land erhalten, nachdem verschiedene statistische Anpassungen vorgenommen wurden. Dieses statistische Konstrukt kann nicht maßgebend für die Festlegung der nationalen Beiträge sein, wenn man die aktuelle Haushaltsstruktur betrachtet, bei der ein zunehmender Anteil der Mittel für europäische öffentliche Güter zugewiesen wird. Mit dem Konzept des Saldenausgleichs lassen sich nicht die Vorteile erfassen, die den EU-Mitgliedstaaten aus ihrer Zugehörigkeit zum Binnenmarkt, aus den Maßnahmen zur Bewältigung der Migration und aus der Bekämpfung des Terrorismus und des Klimawandels erwachsen. Genauso wenig gibt es Aufschluss über die Geschäftsmöglichkeiten, die die Kohäsionspolitik – das wichtigste investitionspolitische Instrument der EU – für Unternehmen in der gesamten EU eröffnet. Die EU leistet einen erheblichen Beitrag zu den Volkswirtschaften ihrer Mitgliedstaaten, was bei den Nettozahler-Betrachtungen völlig unberücksichtigt bleibt.

So wirkt sich der Binnenmarkt unmittelbar positiv und in beträchtlichem Ausmaß auf Beschäftigung und Wachstum aus. Die daraus resultierenden Vorteile werden auf rund 10 Prozent des BNE beziffert. Dies entspricht mehr als dem Zehnfachen des Beitrags, den die Mitgliedstaaten zum Haushalt leisten. Laut einer ifo-Studie aus dem Jahr 2018 sind die Vorteile der Binnenmarktintegration besonders für Deutschland immens: Seit 2014 kann Deutschland eine Einkommenssteigerung von fast 120 Milliarden Euro verzeichnen, die nach dem angewandten Modell auf die Teilnahme am Binnenmarkt zurückzuführen ist.

Links zum Thema:

VIDEO: Mitschnitt der Pressekonferenz – Eingangsbemerkungen von Günther Oettinger

VIDEO: Mitschnitt der Pressekonferenz – Fragen und Antworten

Faktenblatt: Finanzierung des EU-Haushalts

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.