25.07.2019 Brüssel. Die Kommission hat heute (Donnerstag) beschlossen, aufgrund der Unvereinbarkeit des österreichischen Gesetzes über die Indexierung von Familienbeihilfen und einschlägigen Steuerermäßigungen mit den EU-Vorschriften ihr Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich zu verschärfen. Seit dem 1. Januar 2019 macht Österreich die Familienbeihilfen und einschlägige Steuerermäßigungen, die für Kinder mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat ausbezahlt werden, von den Lebenshaltungskosten des betreffenden Mitgliedstaats abhängig. Das bedeutet, dass viele EU-Bürgerinnen und -Bürger, die in Österreich arbeiten und in gleicher Weise Sozialbeiträge und Steuern entrichten wie lokale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, niedrigere Leistungen erhalten, und zwar allein aus dem Grund, dass ihre Kinder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Nach Ansicht der Kommission ist ein solcher Indexierungsmechanismus nicht mit dem EU-Recht vereinbar.
Die für Beschäftigung, Soziales, Qualifikationen und Arbeitskräftemobilität zuständige Kommissarin Marianne Thyssen äußerte sich wie folgt: „Die Gleichbehandlung ist ein Grundsatz der EU. EU-Bürger, die als Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsmitgliedstaat Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen, haben dort Anspruch auf dieselben Familienleistungen wie einheimische Arbeitnehmer.“
Österreich beantwortete das Aufforderungsschreiben der Europäischen Kommission im März 2019. Nach eingehender Prüfung der von Österreich vorgebrachten Argumente ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass ihre Bedenken nicht ausgeräumt wurden. Daher leitete die Kommission den zweiten Schritt des Vertragsverletzungsverfahrens ein, indem sie Österreich im Anschluss an das Aufforderungsschreiben von Januar 2019 eine mit Gründen versehene Stellungnahme übermittelte.
Nächste Schritte
Österreich hat nun zwei Monate Zeit, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen. Sollte Österreich keine zufriedenstellende Antwort geben, kann die Kommission Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union erheben.
Hintergrund
Die EU-Vorschriften über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Verordnung (EG) Nr. 883/2004) erlauben es den Mitgliedstaaten nicht, Geldleistungen für unter ihren Rechtsvorschriften versicherte Personen allein aus dem Grund zu verringern, dass sie oder ihre Familienangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Diese Vorschriften verbieten auch jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Eine Verringerung von Familienleistungen, die allein auf den Umstand zurückzuführen ist, dass die betreffenden Kinder im Ausland wohnen, verstößt nach Ansicht der Kommission sowohl gegen die EU-Vorschriften über die soziale Sicherheit als auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, hinsichtlich sozialer und steuerlicher Vergünstigungen (Verordnung (EU) Nr. 492/2011).
Der österreichische Indexierungsmechanismus ist diskriminierend, da er zu einer Verringerung der Familienbeihilfen und einschlägiger Steuerermäßigungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich führt, nur weil deren Kinder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Der Umstand, dass die Lebenshaltungskosten in einem Mitgliedstaat niedriger sind als in Österreich, ist für Leistungen, die als Pauschalbetrag ohne Bezug zu den tatsächlichen Unterhaltskosten für ein Kind ausbezahlt werden, nicht relevant.
Links zum Thema:
Indexierung von Familienleistungen: Kommission leitet nächsten Schritt im Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein
Pressemitteilung der EU-Kommission vom 25.07.2019.
Koordinierung der sozialen Sicherheit in der EU
Zu den wichtigsten Beschlüssen bei den Vertragsverletzungsverfahren im Paket vom Juli 2019 siehe MEMO INF/19/4251
Zu Vertragsverletzungsverfahren allgemein siehe MEMO/12/12
EU-Vertragsverletzungsverfahren
Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.