29.10.2020 Brüssel. EU-Justizkommissar Didier Reynders hat gestern (Mittwoch) bei einem virtuellen Besuch im Deutschen Bundestag den ersten EU-weiten Bericht über die Situation der Rechtsstaatlichkeit in den einzelnen Mitgliedstaaten vorgestellt. Vorab betonte Kommissar Reynders im Deutschlandfunk: „In manchen Ländern gibt es strukturelle Probleme wie Ungarn und Polen, in anderen, wie Deutschland, eher punktuelle. Das wichtigste Ziel des Berichts über die Rechtsstaatlichkeit ist es, eine permanente Debatte auf der europäischen Ebene in Gang zu setzen.“ Die Kommission hatte den Bericht über die Rechtsstaatlichkeit Ende September vorgelegt.
In seinem Interview mit dem Deutschlandfunk betonte Reynders weiter: „Der Bericht hat gezeigt, dass manche Staaten ein strukturelles Problem haben. Das sehen wir zum Beispiel in Polen, wo Monat für Monat Entscheidungen getroffen werden, die die Unabhängigkeit der Justiz gefährden. Das ist der Grund, warum wir Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet haben – auf der einen Seite wegen verschiedener polnischer Gesetze, aber auch gegen sehr spezifische Einzelentscheidungen, wie Disziplinarmaßnahmen gegen Richter. Deswegen haben wir den EuGH gebeten, Maßnahmen dagegen zu ergreifen.“
Zum derzeit von Parlament und Rat verhandelten Rechtsstaatlichkeitsmechanismus sagte Reynders: „Wir brauchen einen weitgefassten Anwendungsbereich, damit wir auch wirklich ein Verfahren starten können, wenn wir Rechtsstaatsdefizite sehen. Natürlich kann man den Rechtsstaatsmechanismus verknüpfen mit Gefahren für den EU-Haushalt. Aber diese Verknüpfung muss weit ausgelegt werden, denn wenn man das EU-Budget schützen will, dann muss es in allen Mitgliedstaaten eine ernsthafte Korruptionsbekämpfung und eine unabhängige Justiz geben. Also versuchen wir jetzt gemeinsam mit dem EU-Parlament und dem Rat ein Instrument zu schaffen, dass es der Kommission ermöglicht zu handeln, wenn das nötig ist. Vom EU-Parlament bekommen wir starke Unterstützung, aber wir brauchen auch die Zustimmung vom Rat und das ist schwierig. Und in diesem Trilog befinden wir uns gerade.“
Nach dem Vorschlag der Kommission vom 2. Mai 2018 sollen Finanzierungen durch die EU stärker an die Rechtsstaatlichkeit gekoppelt sein. Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit ist eine Grundvoraussetzung für die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung und eine wirksame EU-Finanzierung. Der vorgeschlagene Rechtsstaatsmechanismus soll den EU-Haushalt vor finanziellen Risiken schützen, die auf generelle Rechtsstaatlichkeitsdefizite in den Mitgliedstaaten zurückgehen.
Links zum Thema:
Interview mit Justizkommissar Reynders im Deutschlandfunk vom 28. Oktober 2020
Factsheet zum Kommissionsvorschlag zum Rechtsstaatsmechanismus
Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.