Kommission beschränkt Handelspräferenzen für Kambodscha wegen Menschenrechtsverletzungen © Europäische Gemeinschaften, 1999, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst

12.02.2020 Brüssel. Aufgrund der schwerwiegenden und systematischen Verstöße gegen Menschenrechtsgrundsätze hat die Europäische Kommission heute (Mittwoch) beschlossen, einen Teil der Zollpräferenzen, die Kambodscha im Rahmen des Handelsschemas „Everything But Arms“ (EBA – Alles außer Waffen) gewährt worden waren, zurückzunehmen. Insbesondere die Dauer, der Umfang und die Auswirkungen der Verstöße gegen das Recht auf politische Teilhabe sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Vereinigungsfreiheit werden von der EU scharf kritisiert.

Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsident der Europäischen Kommission, Josep Borrell‚ erklärte: „Die Dauer, der Umfang und die Auswirkungen der Verstöße gegen das Recht auf politische Teilhabe sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Vereinigungsfreiheit haben der Europäischen Union keine andere Wahl gelassen als die Kambodscha gewährten Handelspräferenzen teilweise zurückzunehmen. Stabilität und nachhaltige Entwicklung erfordern eine voll funktionsfähige Demokratie und ein Umfeld, das die freie Debatte fördert. Wir hoffen sehr, dass die kambodschanischen Behörden die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, damit die Handelspräferenzen wieder eingeführt werden können.“

EU-Handelskommissar Phil Hogan ergänzte: „Die Europäische Union ist entschlossen, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Kambodschas mithilfe von Handelspräferenzen zu unterstützen. Die Achtung der Menschenrechte ist jedoch für uns nicht verhandelbar. Wir erkennen die von Kambodscha erzielten Fortschritte an, es bestehen jedoch nach wie vor ernsthafte Probleme. Unser erklärtes Ziel ist es, dass die kambodschanischen Behörden den Verstößen gegen die Menschenrechte ein Ende setzen, und wir werden weiter mit ihnen gemeinsam darauf hinarbeiten.“

An die Stelle der Zollpräferenzen tritt der EU-Standard der Meistbegünstigungszollsätze. Dies betrifft Kleidung und Schuhe, Reiseartikel und Zucker und damit etwa ein Fünftel der kambodschanischen Ausfuhren in die EU. Sofern das Europäische Parlament und der Rat keine Einwände erheben, wird die Maßnahme am 12. August 2020 wirksam.

Mit diesem Beschluss reagiert die Kommission auf die Menschenrechtsverletzungen, die das Verfahren ausgelöst haben und wahrt gleichzeitig das Entwicklungsziel des EU-Handelssystems. Daher wird anerkannt, dass die wirtschaftliche Entwicklung Kambodschas und die Diversifizierung seiner Exporte weiterhin unterstützt werden müssen.

Allen aufstrebenden Industriezweigen in Kambodscha wird weiterhin zoll- und kontingentfreier Zugang zum EU-Markt gewährt. Dasselbe gilt für Kleidung mit hoher Wertschöpfung und bestimmte Arten von Schuhen.

Dem Beschluss der Kommission ist ein eingehender Austausch mit der kambodschanischen Regierung und Interessenträgern vorausgegangen. Insbesondere haben die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) in den letzten zwölf Monaten Informationsreisen nach Kambodscha unternommen und mehrere Treffen mit den kambodschanischen Behörden sowohl auf technischer als auch auf politischer Ebene abgehalten.

Die Kommission erkennt die von den kambodschanischen Behörden unternommenen Schritte an, vor allem im Bereich der Arbeitnehmer- und der Landrechte. Es bestehen jedoch weiterhin erhebliche Bedenken, besonders im Zusammenhang mit den ungelösten zivil- und Strafverfahren gegen Gewerkschafter und dem Scheitern unabhängiger Untersuchungen der Morde an Gewerkschaftern. Außerdem wurden seit Beginn des Rücknahmeverfahrens im Rahmen der EBA-Regelung im Februar 2019 keine nennenswerten Fortschritte verzeichnet.

Die Europäische Union wiederholt ihren Appell an die kambodschanische Regierung, den politischen Raum im Land wieder zu öffnen, die erforderlichen Voraussetzungen für eine glaubwürdige demokratische Opposition wiederherzustellen und einen Prozess der nationalen Aussöhnung mit einem echten und alle Seiten einbeziehenden Dialog einzuleiten. Darunter fällt auch die Wiederherstellung der politischen Rechte der Oppositionsmitglieder und die Aufhebung/Überarbeitung von Rechtsvorschriften wie dem Gesetz über politische Parteien und dem Gesetz über Nichtregierungsorganisationen.

Sollte Kambodscha erhebliche Fortschritte insbesondere bei den bürgerlichen und politischen Rechten erzielen, kann die Kommission ihre Entscheidung überprüfen und die Zollpräferenzen im Rahmen der EBA-Regelung wieder einführen.

Hintergrund

Die EU ist Kambodschas größter Handelspartner mit einem Anteil von 45 Prozent an den kambodschanischen Exporten im Jahr 2018. Damals belief sich der Gesamtwert der Ausfuhren aus Kambodscha in die EU auf 5,4 Milliarden Euro und hatte sich damit seit 2013 (2,5 Milliarden Euro) mehr als verdoppelt. 95,7 Prozent dieser Exporte fielen unter EBA-Präferenzen für den Zugang zum EU-Markt (d. h. 5,2 Milliarden Euro bei einem Gesamtvolumen von 5,4 Milliarden Euro).

Das EBA gehört zu den Präferenzregelungen im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) der EU. Damit wird Ländern, die von den Vereinten Nationen als am wenigsten entwickelte Länder eingestuft wurden, zoll- und kontingentfreien Zugang zum EU-Markt für alle Waren außer Waffen und Munition gewährt. Voraussetzung für die Gewährung dieser Präferenzregelungen ist die Einhaltung der Menschen- und Arbeitnehmerrechte.

Links zum Thema:

Verordnung der Kommission

Die Hintergründe der Entscheidung

EU-Verfahren zur Rücknahme von Handelspräferenzen

EU-Präferenzen „Everything But Arms“

Handelsbeziehungen zwischen der EU und Kambodscha

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.