03.08.2020 Brüssel. Die Europäische Kommission hat am Freitag die Übernahme von Bombardier Transportation durch Alstom nach der EU-Fusionskontrollverordnung genehmigt. Die Genehmigung ist an die Bedingung geknüpft, dass Alstom seine Verpflichtungszusagen vollständig umsetzt. „Alstom und Bombardier sind führende Anbieter hochmoderner Züge, die täglich von Millionen von Fahrgästen in der Europäischen Union genutzt werden. Dank der Vorlage umfassender Abhilfemaßnahmen, um die Wettbewerbsbedenken der Kommission in Bezug auf Höchst-geschwindigkeits- und Fernzüge sowie Signaltechnik für Fernverkehrsstrecken auszuräumen, konnte die Kommission das Vorhaben rasch prüfen und genehmigen“, sagte die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager.
„Das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen wird künftig eine stärkere Marktstellung haben. Gleichzeitig wird es dank dieser Abhilfemaßnahmen auf seinen Kernmärkten auch weiterhin Wettbewerb ausgesetzt sein, was den europäischen Kunden und Verbrauchern zugutekommt“, sagte Vestager weiter.
Alstom und Bombardier gehören zu den Weltmarktführern im Schienenverkehr. Beide Unternehmen verfügen über ein breites Produktportfolio und konkurrieren miteinander bei der Herstellung und Lieferung von
- Höchstgeschwindigkeits-, Fern- und Nahverkehrszügen (Rollmaterial): Zu den Höchstgeschwindigkeitszügen zählen auf Fernstrecken eingesetzte Züge, die Geschwindigkeiten von 300 km/h oder mehr erreichen, Fernverkehrszüge umfassen Intercity- und Regionalzüge, und Nahverkehrszüge sind U-Bahnen und Straßenbahnen;
- Signaltechniklösungen für den Fern- und Nahverkehr: Signaltechniklösungen umfassen infrastrukturseitige Systeme und fahrzeugseitige Ausrüstung (Fahrzeuggeräte bzw. On-Board-Units – OBU) für Sicherheitskontrollen im Fern- und Nahverkehrsschienennetz. Dazu gehören OBU, die dem ETCS-Standard (Europäisches Zugsicherungs- und Zugsteuerungssystem) entsprechen und daher derzeit im gesamten EWR immer breitere Anwendung finden. Sie fördern die Interoperabilität und gewährleisten einen sicheren grenzüberschreitenden Verkehr.
Die Untersuchung der Kommission
Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss in der ursprünglich angemeldeten Form in folgenden Bereichen wettbewerbsrechtlich bedenklich gewesen wäre:
i) Höchstgeschwindigkeitszüge: Das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen wäre angesichts seiner starken Marktstellung eindeutig zum Marktführer geworden.
ii) Fernverkehrszüge: Der ohnehin bereits große gemeinsame Marktanteil der beteiligten Unternehmen wäre insbesondere in Frankreich und Deutschland weiter gewachsen.
iii) Signaltechniklösungen für den Fernverkehr: Das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen wäre in der Lage gewesen und hätte einen Anreiz gehabt, Schnittstellenlösungen für die Kompatibilität von ETCS-OBU anderer Anbieter mit seinen vielen bereits installierten Signalsystemen (herkömmlichen OBU) und seiner bereits im Einsatz befindlichen Zugflotte (der größten im EWR) zu erschweren. Außerdem bestand die Gefahr, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen in den Niederlanden als Lieferant herkömmlicher OBU unumgänglich geworden wäre.
Die Untersuchung bestätigte, dass das Vorhaben keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken auf anderen Märkten aufwirft, insbesondere nicht auf den Märkten für Signaltechniklösungen für den Fern- und Nahverkehr, wo der Marktanteil von Bombardier im EWR nur sehr gering ist.
Vorgeschlagene Abhilfemaßnahmen
Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, hat Alstom eine Reihe von Verpflichtungszusagen unterbreit
i) Die Veräußerung der von Bombardier in die gemeinsam mit Hitachi entwickelte Höchstgeschwindigkeitszug-Plattform „Zefiro V300″* eingebrachten Vermögenswerte. Alstom hat sich ferner zu einer Reihe von Maßnahmen verpflichtet, um das von Bombardier und Hitachi als Konsortium unterbreitete Angebot für das HS2-Projekt, die derzeit größte Absatzmöglichkeit für Hersteller von Höchstgeschwindigkeitszügen in Europa, aufrechtzuerhalten.
ii) Die Veräußerung a) der Coradia-Polyvalent-Fernzugplattform von Alstom, b) der Produktionsanlage von Alstom im französischen Reichshoffen, c) der Talent-3-Fernzugplattform von Bombardier sowie d) eines Teils* von BombardiersProduktionsanlage im deutschen Henningsdorf.
iii) Die Bereitstellung herkömmlicher OBU sowie der erforderlichen Schnittstelleninformationen und Support-Leistungen für Wettbewerber im Bereich Signaltechnik.
iv) Die Bereitstellung herkömmlicher OBU für den niederländischen Infrastrukturbetreiber ProRail zugunsten aller interessierten Betreiber.
Mit den endgültigen Verpflichtungszusagen, die auf der Grundlage der Stellungnahmen von Marktteilnehmern deutlich verbessert wurden, werden die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission hinsichtlich der Übernahme von Bombardier Transportation durch Alstom ausgeräumt. Die Kommission kam daher zu dem Schluss, dass die geplante Übernahme in der durch die Verpflichtungszusagen geänderten Form keinen Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken gibt.
Die Genehmigung der Kommission ist an die Bedingung geknüpft, dass die Verpflichtungszusagen vollständig erfüllt werden.
Unternehmen und Produkte
Alstom mit Sitz in Frankreich ist weltweit in der Schienenverkehrsindustrie tätig und Anbieter vielfältiger Verkehrslösungen (von Hochgeschwindigkeitszügen über U-Bahnen und Straßenbahnen bis hin zu Elektrobussen) und damit verbundenen Dienstleistungen (Wartung und Modernisierung) sowie von Signaltechniklösungen, Produkten für Reisende und Infrastruktur sowie von Bahnelektrifizierungssystemen und Lösungen im Bereich der digitalen Mobilität.
Bombardier Transportation ist die weltweite Sparte für Schienenverkehrslösungen von Bombardier, einem diversifizierten Industriekonzern mit Sitz in Kanada, der im Bau- und Immobiliengewerbe sowie in der Telekommunikations- und Medienbranche tätig ist. Das in Deutschland ansässige Bombardier Transportation bietet eine breite Palette an Schienenverkehrslösungen an, die von Zügen über Teilsysteme und Signaltechnik bis hin zu kompletten schlüsselfertigen Transportsystemen sowie einschlägigen Dienstleistungen reicht.
Fusionskontrollvorschriften und –verfahren
Das Vorhaben wurde am 11. Juni 2020 bei der Kommission zur Genehmigung angemeldet.
Die Kommission hat die Aufgabe, Fusionen und Übernahmen von Unternehmen zu prüfen, deren Umsatz bestimmte Schwellenwerte übersteigt (vgl. Artikel 1 der Fusionskontrollverordnung), und Zusammenschlüsse zu untersagen, die den wirksamen Wettbewerb im gesamten oder in einem wesentlichen Teil des EWR erheblich behindern würden.
Der weitaus größte Teil der angemeldeten Zusammenschlüsse ist wettbewerbsrechtlich unbedenklich und wird nach einer Standardprüfung genehmigt. Nach der Anmeldung muss die Kommission in der Regel innerhalb von 25 Arbeitstagen entscheiden, ob sie das Vorhaben im Vorprüfverfahren (Phase I) genehmigt oder ein eingehendes Prüfverfahren (Phase II) einleitet. Wenn, wie in diesem Fall, in Phase I Verpflichtungen angeboten werden, verfügt die Kommission über 10 zusätzliche Arbeitstage, womit sich die Gesamtdauer des Vorprüfverfahrens auf 35 Arbeitstage erhöht.
Weitere Informationen werden auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission im öffentlich zugänglichen Register unter der Nummer M.9779 veröffentlicht.
Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.