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Sozialkommissar Nicolas Schmit: „Wir brauchen faire Mindestlöhne, um die Tarifpolitik zu stärken“ © Europäische Union, 2019, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Lukasz Kobus

17.01.2020 Brüssel. EU-Kommissar Nicolas Schmit will langfristig Tarifpolitik und Sozialpartnerschaft in Europa stärken. Bessere Mindestlöhne seien ein Weg, dieses Ziel zu erreichen. Die EU müsse dafür sorgen, dass Menschen mit Mindestlohn ein angemessenes Leben führen können, sagte Schmit heute (Freitag) morgen im Deutschlandfunk. Schmit, zuständig für Beschäftigung und soziale Rechte, ist zu politischen Gesprächen in Berlin und trifft unter anderem die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Der Besuch erfolgt im Anschluss an die Mitteilung der Kommission über die Schaffung eines starken sozialen Europas für gerechte Übergänge in dieser Woche.

Schmit verwies darauf, dass die Mindestlöhne nicht in allen Ländern ein würdiges Leben garantieren. Jeder sechste Arbeitnehmer in Europa bekomme nur ein geringes Einkommen, also weniger als zwei Drittel des mittleren Einkommens im jeweiligen Mitgliedsstaat. Ein Lohngefälle von 1:6 entspreche nicht den wirtschaftlichen und Produktivverhältnissen in Europa. „Wir brauchen ein faires Verhältnis zwischen Löhnen und allgemeiner wirtschaftlicher Entwicklung, und die Löhne hinken eigentlich dieser Entwicklung hinterher. Niedrige Löhne sind auch nicht unbedingt ein gutes wirtschaftliches Argument. Es geht auch darum, in innovative Prozesse zu investieren“, führte der Kommissar aus und forderte eine gewisse Anpassung der Mindestlöhne und eine faire Lohnentwicklung in Europa.

Der Kommissar erklärte, dass es keinen einheitlichen Mindestlohn für ganz Europa geben werde und auch keine absolut einheitliche Art und Weise, Mindestlöhne zu fixieren. In sechs Ländern Europas wie z.B. Italien, Schweden oder Österreich gelte kein gesetzlicher Mindestlohn, sondern ein System auf Basis von Tarifverträgen. „Ich sage zu denen, ihr habt ein gutes System für die Lohnfindung – in dem Sinne, dass praktisch 80 bis 90 Prozent der Arbeitnehmer über Tarifpolitik abgedeckt sind. Das ist eigentlich die bessere Lohnfindung. Die besteht aber nicht in allen Ländern. In vielen Ländern ist das 50, unter 50 oder sogar weit unter 50. Das ist eigentlich unser Ziel, Tarifpolitik zu stärken, Sozialpartnerschaft zu stärken. Weil das aber ein eher längerfristiges Ziel ist, brauchen wir auch dazu bessere Mindestlöhne.“ Tarifpolitik bleibe Sache der Sozialpartner in allen Ländern, besonders auch in denen, die keinen Mindestlohn haben, betonte Schmit.

Die Kommission hatte in dieser Woche die erste Phase der Konsultation der Sozialpartner – d.h. der Arbeitgeber und der Gewerkschaften – zur Frage gerechter Mindestlöhne für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU eingeleitet. Dabei nimmt sie die Rolle der Zuhörerin ein und möchte wissen, ob die Sozialpartner der Ansicht sind, dass ein Tätigwerden der EU erforderlich ist, und wenn ja, ob sie selbst untereinander verhandeln wollen. Die erste Phase der Konsultation erstreckt sich über einen Zeitraum von sechs Wochen. In einer zweiten Phase der Konsultation kann dann der Schwerpunkt auf die möglichen Inhalte einer Initiative gelegt werden.

Der Dialog für einen gerechten Mindestlohn ist Teil der Europäischen Säule sozialer Rechte. Die Säule ist ein Katalog wesentlicher Grundsätze der Beschäftigungs- und Sozialpolitik, auf die sich Europäisches Parlament, Rat und Europäische Kommission 2017 geeinigt haben und gilt als gemeinsamer Kompass für zukünftige Reformen. Für 2020 plant die Kommission weitere Initiativen unter anderem eine Europäische Gleichstellungsstrategie und Einführung verbindlicher Maßnahmen für mehr Lohntransparenz, eine Europäische Arbeitslosenrückversicherung und einen Gipfel für Plattformarbeit.

Links zum Thema:

Das vollständige Interview mit Nicolas Schmit im Deutschlandfunk zum Nachlesen

Soziales Europa und Mindestlöhne: Ihre Meinung ist gefragt!
Presseinformation der EU-Kommission vom 17.01.2020.

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.