12.05.2020 Brüssel. Die Europäische Kommission bittet die Mitgliedstaaten und andere Interessenträger um Stellungnahme zu ihrem aktualisierten Vorschlag, aus nationalen Mitteln gewährte Beihilfen für Vorhaben, die im Rahmen bestimmter zentral verwalteter EU-Programme unterstützt werden, von der vorherigen beihilferechtlichen Prüfung durch die Kommission auszunehmen. Die Mitgliedstaaten wurden bereits zu einem früheren Vorschlagsentwurf konsultiert.
Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu: „Um das Zusammenspiel zwischen den Finanzierungs- und den Beihilfevorschriften der EU zu verbessern, schlagen wir vor, die Beihilfevorschriften für die Gewährung nationaler Mittel für Vorhaben oder Finanzprodukte, die unter bestimmte EU-Programme fallen, zu straffen. So wird der kombinierte Einsatz von nationalen Mitteln und EU-Fonds vereinfacht, indem bestimmte Beihilfen von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung und von der Prüfung nach den EU-Beihilfevorschriften freigestellt werden. Auch wenn es inzwischen besondere befristete Vorschriften für Beihilfen zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise gibt, ist besonders wichtig, dass Mittel, die keine übermäßigen Wettbewerbsverzerrungen verursachen, die im Binnenmarkt tätigen Unternehmen rasch erreichen. Wir fordern alle Behörden, Unternehmen und anderen Interessenträger auf, sich an dieser wichtigen zweiten Konsultation zu dieser Initiative zu beteiligen.“
Um das Zusammenspiel zwischen den Finanzierungs- und den Beihilfevorschriften der EU zu verbessern, schlägt die Kommission vor, die Beihilfevorschriften für die Gewährung nationaler Mittel für Vorhaben oder Finanzprodukte, die unter bestimmte EU-Programme fallen, zu straffen. Die für diese Finanzierungsarten geltenden Finanzierungs- und Beihilferegeln der Union sollten angeglichen werden, um unnötige Komplexität zu vermeiden. Dabei muss jedoch der Wettbewerb im EU-Binnenmarkt gewahrt bleiben.
Die Freistellung von Beihilfen in diesen Bereichen von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung und zur Genehmigung durch die Kommission bedeutet eine erhebliche Vereinfachung. Möglich ist sie aufgrund der in den zentral von der Kommission verwalteten EU-Programmen verankerten Garantien. So muss die im Rahmen dieser Programme gewährte Unterstützung auf ein Ziel von gemeinsamem Interesse ausgerichtet sein, auf die Behebung eines Marktversagens oder den sozioökonomischen Zusammenhalt abzielen und auf den erforderlichen Mindestbetrag beschränkt sein.
Die Kommission hat vom 27. Juli bis zum 27. September 2019 eine erste öffentliche Konsultation zur gezielten Überarbeitung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) durchgeführt. Die Überarbeitung zielt darauf ab, den Anwendungsbereich der Verordnung unter gewissen Voraussetzungen auf nationale Mittel auszudehnen, die in den folgenden drei Bereichen eingesetzt werden:
- durch den Fonds „InvestEU“ unterstützte Finanzierungen und Investitionen;
- Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsvorhaben (FuEuI-Vorhaben), die im Rahmen von Horizont Europa mit einem Exzellenzsiegel ausgezeichnet wurden, sowie Vorhaben im Rahmen des künftigen Kofinanzierungsprogramms;
- Projekte der Europäischen territorialen Zusammenarbeit (ETZ), der sogenannten „Interreg-Politik“.
Während der ersten Konsultation sind bei der Kommission zahlreiche Stellungnahmen eingegangen, die sie im Rahmen der Ausarbeitung dieses aktualisierten Vorschlags sorgfältig geprüft und berücksichtigt hat.
Der aktualisierte Vorschlag der Kommission trägt den von den Interessenträgern während der ersten Konsultation vorgebrachten zentralen Bedenken Rechnung und ist nun Gegenstand einer zweiten öffentlichen Konsultation. Die Änderungen gegenüber dem früheren Entwurf sollen insbesondere zu mehr Klarheit beitragen und die Vorschriften weiter an die einschlägigen EU-Finanzierungsvorschriften der EU angleichen. Ausführlicher dargelegt werden die Änderungen in den Erläuterungen zum aktualisierten Vorschlag.
Nach dem Ausbruch der Coronakrise leitet die Kommission heute die zweite öffentliche Konsultation zur gezielten Überarbeitung der AGVO ein. Die finanzpolitische Reaktion auf das Coronavirus wird überwiegend aus den nationalen Haushalten der einzelnen Mitgliedstaaten finanziert. Die Kommission hat einen Befristeten Rahmen angenommen, damit die Mitgliedstaaten den in den Beihilfevorschriften vorgesehenen Spielraum in vollem Umfang nutzen können, um die Wirtschaft nach dem COVID-19-Ausbruch zu unterstützen. Ziel ist es zu gewährleisten, dass Unternehmen aller Art weiterhin über ausreichend Liquidität verfügen und die Wirtschaftstätigkeit während und nach der Krise fortgeführt wird, ohne dass dabei die Unterstützung von Unternehmen in einem Mitgliedstaat den europäischen Binnenmarkt untergräbt. Jedoch müssen wir uns auch auf die Zeit nach der Krise vorbereiten, unter anderem dadurch, dass wir die gezielte Überarbeitung der AGVO rechtzeitig für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (2021-2027) abschließen.
Mit der heute eingeleiteten öffentlichen Konsultation sollen die Ansichten der relevanten Interessenträger (einschließlich der Mitgliedstaaten) zu der vorgeschlagenen Änderung der AGVO eingeholt werden. Die Interessenträger werden gebeten, ihre Stellungnahmen bis zum 6. Juli 2020 einzureichen.
Die Kommission beabsichtigt, den endgültigen geänderten Text rechtzeitig für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen anzunehmen, damit alle Vorschriften mit ausreichendem Vorlauf vor dem Beginn des neuen Finanzierungszeitraums im Jahr 2021 in Kraft treten.
Den Entwurf der Änderungsverordnung sowie nähere Angaben zur öffentlichen Konsultation finden Sie unter: https://ec.europa.eu/competition/consultations/2020_gber/index_en.html
Hintergrund
Artikel 108 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sieht vor, dass die Mitgliedstaaten staatliche Beihilfen bei der Europäischen Kommission anmelden müssen und erst nach Genehmigung durch die Kommission durchführen dürfen. Gemäß der EU-Ermächtigungsverordnung für staatliche Beihilfen kann die Kommission bestimmte Gruppen staatlicher Beihilfen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären und von der im AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht freistellen.
Mit der AGVO werden bestimmte Gruppen von staatlichen Beihilfen für mit dem AEUV vereinbar erklärt, sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Diese Gruppen sind von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung bei der Kommission und von der Genehmigung durch die Kommission ausgenommen, sodass die Mitgliedstaaten solche Maßnahmen mit voller Rechtssicherheit unmittelbar durchführen können. Auf der Grundlage der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung von 2014 können die Mitgliedstaaten ein breites Spektrum von Beihilfemaßnahmen, bei denen nicht von einer Verfälschung des Wettbewerbs auszugehen ist, ohne vorherige Genehmigung durch die Kommission durchführen. Die Verordnung wurde mehrmals geändert, um ihren Anwendungsbereich zu erweitern und die Vorschriften zu vereinfachen. So mussten seit 2015 mehr als 96 Prozent der neuen Beihilfemaßnahmen, für die erstmals Ausgaben gemeldet wurden, nicht bei der Kommission zur Genehmigung angemeldet werden. Dies steht im Einklang mit der Politik der Kommission, sich auf die wirklich wichtigen Themen und Fragen zu konzentrieren, damit sie in kürzerer Zeit bessere Ergebnisse erzielen kann. Gleichzeitig will sie dort Zurückhaltung üben, wo ein Mehrwert fraglich ist.
Um die Durchführung des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens zu erleichtern und das Zusammenspiel zwischen den EU-Finanzierungsvorschriften und den EU-Beihilfevorschriften zu verbessern, hat der Rat der Union im November 2019 eine Änderung der EU-Ermächtigungsverordnung für staatliche Beihilfen (Verordnung (EU) 2015/1588 des Rates) angenommen, die auf einem im Juni 2018 angenommenen Vorschlag der Kommission beruht. Auf der Grundlage der überarbeiteten Ermächtigungsverordnung kann die Kommission gezielte Änderungen an der AGVO vornehmen.
Neben der heute eingeleiteten öffentlichen Konsultation wird der vorgeschlagene geänderte Text der AGVO auch auf einer Sitzung des Beratenden Ausschusses mit den Mitgliedstaaten erörtert werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die Mitgliedstaaten und die Interessenträger ausreichend Gelegenheit haben, sich zu dem Entwurf des Kommissionsvorschlags zu äußern.
Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland