02.03.2021 Brüssel. Die Europäische Kommission hat am Dienstag (2. März) eine eingehende Untersuchung eingeleitet, um zu prüfen, ob die von Deutschland geplanten Entschädigungszahlungen von insgesamt 4,35 Milliarden Euro für die vorzeitige Stilllegung von Braunkohlekraftwerken von RWE und LEAG mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang stehen. Der schrittweise Ausstieg aus der Braunkohleverstromung trage zum europäischen Grünen Deal bei. Der Ausgleich für den vorzeitigen Ausstieg müsse aber auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt werden, sagte die für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsidentin Margrethe Vestager. „Die uns bisher zur Verfügung stehenden Informationen erlauben es uns nicht, dies mit Sicherheit zu bestätigen. Daher leiten wir dieses Prüfverfahren ein.“
Nach dem deutschen Kohleausstiegsgesetz soll die Verstromung von Kohle in Deutschland bis Ende des Jahres 2038 auf null reduziert werden. Deutschland hat beschlossen, mit den Hauptbetreibern von Braunkohlekraftwerken, RWE und LEAG, Vereinbarungen zu schließen, um die vorzeitige Stilllegung von Braunkohlekraftwerken zu fördern.
Deutschland hat bei der Kommission Pläne angemeldet, nach denen diesen Betreibern eine Entschädigung in Höhe von 4,35 Milliarden Euro gewährt werden soll, und zwar i) für entgangene Gewinne, da die Betreiber den Strom nicht mehr am Markt verkaufen können, und ii) für zusätzliche Tagebaufolgekosten, die durch die frühere Stilllegung entstehen. Von den insgesamt 4,35 Milliarden Euro sind 2,6 Milliarden Euro für die RWE-Anlagen im Rheinland und 1,75 Milliarden Euro für die LEAG-Anlagen in der Lausitz vorgesehen.
Untersuchung der Kommission
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die Kommission vorläufig der Auffassung, dass die deutsche Maßnahme zugunsten der genannten Betreiber von Braunkohlekraftwerken eine staatliche Beihilfe darstellen dürfte. Auch hat sie Zweifel an der Vereinbarkeit der Maßnahme mit den EU‑Beihilfevorschriften.
In erster Linie geht es um die Angemessenheit der Entschädigungszahlungen, besonders
- in Bezug auf den Ausgleich für entgangene Gewinne: Betreiber von Braunkohlekraftwerken erhalten eine Entschädigung für Gewinne, die sie aufgrund der vorzeitigen Stilllegung der Anlagen nicht mehr erzielen können. Die Kommission hat Zweifel, ob die Entschädigung der Betreiber für entgangene Gewinne, die sehr weit in die Zukunft reichen, als erforderliches Mindestmaß betrachtet werden kann. Sie äußert auch Bedenken hinsichtlich einiger Inputparameter des von Deutschland verwendeten Modells zur Berechnung der entgangenen Gewinne, so u. a. der angesetzten Brennstoff- und CO2-Preise. Ferner wurden der Kommission keine Informationen auf Ebene der einzelnen Anlagen vorgelegt.
- in Bezug auf den Ausgleich für zusätzliche Tagebaufolgekosten: Die Kommission räumt zwar ein, dass Zusatzkosten, die durch die vorzeitige Stilllegung der Braunkohleanlagen entstehen, ebenfalls eine Entschädigung für RWE und LEAG rechtfertigen könnten, hat jedoch Zweifel in Bezug auf die übermittelten Informationen und besonders das für LEAG zugrunde gelegte kontrafaktische Szenario.
Im Rahmen der nun eingeleiteten eingehenden Prüfung wird die Kommission prüfen, ob diese wettbewerbsrechtlichen Bedenken gerechtfertigt sind. Deutschland und Dritte erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Prüfverfahren wird ergebnisoffen geführt.
Allgemeiner Kontext
Im europäischen Grünen Deal wurde anerkannt, dass die weitere Dekarbonisierung des Energiesystems entscheidend ist, um die Klimaziele in den Jahren 2030 und 2050 zu erreichen. 75 Prozent der Treibhausgasemissionen der EU entstehen durch die Erzeugung und den Verbrauch von Energie in allen Wirtschaftszweigen. Daher muss ein Energiesektor entwickelt werden, der sich weitgehend auf erneuerbare Energiequellen stützt; dies muss durch den raschen Ausstieg aus der Kohle und die Dekarbonisierung von Gas ergänzt werden.
Im November 2020 war die Europäische Kommission zu dem Schluss gelangt, dass das wettbewerbliche Ausschreibungsverfahren, das Deutschland für die Entschädigung der Betreiber von Steinkohlekraftwerken und Steinkohle-Kleinanlagen (max. 150 MW) für die vorzeitige Stilllegung eingeführt hatte, die Klimaschutzziele der Europäischen Union fördert und mit den Beihilfevorschriften vereinbar ist. Die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses wurde über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb der Kommission unter der Nummer SA.58181 zugänglich gemacht.
Weitere Informationen
Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, wird die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb der Kommission unter der Nummer SA.53625 zugänglich gemacht. Über neu im Internet und im Amtsblatt veröffentlichte Beihilfebeschlüsse informiert der elektronische Newsletter State Aid Weekly e-News.
Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.