21.02.2019 Straßburg – Wirtschaftsreformen in den EU-Mitgliedstaaten haben das Wachstum angekurbelt, aber es stehen noch Herausforderungen bevor, meinten Abgeordnete aus der gesamten Europäischen Union auf einer Konferenz im Europäischen Parlament.

Während der „Europäischen Parlamentarischen Woche“ in Brüssel (18. und 19. Februar) zogen Mitglieder des Europäischen Parlaments und Abgeordnete der Parlamente der einzelnen Mitgliedstaaten eine Bilanz des jährlichen Koordinierungszyklus der Wirtschafts- und Sozialpolitik auf EU-Ebene, dem so genannten Europäischen Semester.

Wirtschaftlicher Fortschritt

Die Teilnehmer stellten fest, dass sich die Volkswirtschaften der EU in den letzten Jahren gut entwickelt haben. Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der Europäischen Kommission, betonte, dass 2019 zum ersten Mal kein Land des Euroraums ein Haushaltsdefizit von über 3 Prozent des BIP aufweisen werde. Die EU-Kommissarin für Beschäftigung und Soziales, Marianne Thyssen, wies darauf hin, dass 240 Millionen Europäer heute einen Arbeitsplatz hätten, mehr denn je zuvor.

Die spanische Parlamentarierin María del Mar Angulo sagte, dass die EU-Wirtschaft 21 ununterbrochene Wachstumsquartale verzeichnet hätte und 12 Millionen Arbeitsplätze geschaffen wurden. „Diese Stabilität ist das Ergebnis unseres Engagements für das Europäische Semester.“

Weitere Reformen sind nötig

Andere wiederum sagten, dass die Zukunftsaussichten unsicherer seien, da die Prognosen der Kommission zeigten, dass sich das Wachstum in der EU verlangsame. Zu den genannten Herausforderungen gehörten die alternde Bevölkerung, die Digitalisierung, Handelskriege und der Brexit.

Der Bundestagsabgeordnete Uwe Feiler argumentierte: “Wir stehen vor großen und sich verschärfenden Herausforderungen, sodass die Mitgliedstaaten bei den von ihnen eingeleiteten Reformmaßnahmen nicht nachlassen dürfen“.

EU-Kommissar Dombrovskis plädierte auch für rechtzeitige Reformen in den Mitgliedstaaten: „Einige sagen, dass Reformen in einer Krise unter dem Druck der Märkte stattfinden, wenn es keine andere Wahl gibt. Dies ist der sogenannte „reformieren oder sterben“-Ansatz. Ich glaube nicht, dass das der beste Weg ist. Wenn man Reformen vorher durchführt, kann man sich rascher erholen und Schwierigkeiten vermeiden.“

Der EU-Abgeordnete Dimitris Papadimoulis (GUE/NGL) aus Griechenland sagte, Initiativen auf EU-Ebene könnten dazu beitragen, die Aussichten zu verbessern. Er führte fort, dass die Verzögerung bei den Verhandlungen über den nächsten langfristigen EU-Haushalt der EU-Wirtschaft Schaden zufüge. Er sagte auch, dass Internet-Giganten besteuert werden sollten, da „dies der einzige Weg ist, die ständig wachsenden Ungleichheiten in Europa zu beseitigen“.

Soziales Europa

Viele wiesen darauf hin, dass es im Europäischen Semester auch um Sozialpolitik und Reformen geht. Seit 2018 untersucht das sozialpolitische Scoreboard, wie gut die EU-Länder die Sozialpolitik umsetzen. Rund ein Drittel der Empfehlungen, die den Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Semesters ausgesprochen werden, betreffen soziale und bildungspolitische Prioritäten. „In Europa geht es nicht nur um Unternehmen und Banken, sondern vor allem um Menschen“, sagte Kommissarin Thyssen.

Einige Redner stellten jedoch die Kohärenz zwischen den Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik und den Empfehlungen zur Sozial- und Bildungspolitik in Frage. „Die Empfehlungen zur Unterstützung der Interessen des mächtigen Finanzsystems wurden zu 85 Prozent umgesetzt, während die bildungs- und sozialpolitischen Empfehlungen außer Acht gelassen wurden“, sagte Gabriela Cretu, Mitglied des rumänischen Senats.

Der EU-Abgeordnete Roberto Gualtieri (S&D) aus Italien hob hervor, dass die Haushaltskonsolidierung in den vergangenen Jahren die Auswirkungen der Krise verstärkt habe, der Politikmaßnahmen-Mix in den letzten Jahren durch die Einführung von Flexibilität und die Integration der sozialen Dimension aber „ausgewogener“ geworden sei. Er forderte auch einfachere Regeln für das Semester und einen verstärkten Dialog zwischen den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament.