BioNTech/Pfizer und Moderna beantragen Zulassung von COVID-19-Impfstoffen: So geht es weiter © Europäische Union, 2020, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Matthieu Rondel

01.12.2020 Brüssel. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat heute (Dienstag) sowohl von BioNTech/Pfizer als auch Moderna Anträge auf die bedingte Marktzulassung der Impfstoffe erhalten, die die Unternehmen gegen COVID-19 entwickelt haben. Die EMA wird nun innerhalb der nächsten Wochen unabhängige wissenschaftliche Bewertungen ihrer Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit durchführen. Kommt sie zum Schluss, dass der Nutzen eines Impfstoffs seine Risiken beim Schutz gegen COVID-19 überwiegt, wird sie eine positive Empfehlung aussprechen. Die Europäische Kommission kann dann binnen weniger Tage die europaweit gültige Zulassung für die Impfstoffe erteilen. Parallel dazu bereiten sich die EU-Staaten auf den Einsatz der Impfstoffe vor.

Innerhalb der EMA bereitet der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) die Entscheidungen der Agentur im Rahmen der Marktzulassung von Arzneimitteln vor. Um das Zulassungsverfahren zu beschleunigen, bewertet der Ausschuss den Impfstoff BNT162b2 von BioNTech/Pfizer bereits seit dem 6. Oktober und den Impfstoff mRNA-1273 von Moderna bereits seit dem 16. November im Rahmen der sogenannten „Rolling Review“ (fortlaufenden Überprüfung).

Die Rolling Review dient dazu, das Verfahren zur Zulassung eines COVID-19-Impfstoffes zu beschleunigen. Dafür wird mit der Bewertung von Datenpaketen der nichtklinischen und klinischen Entwicklung eines Impfstoffkandidaten bereits begonnen, bevor alle erforderlichen Daten für einen Zulassungsantrag erhoben sind. Der formelle Zulassungsantrag kann erst gestellt werden, sobald alle erforderlichen Daten vorliegen.

Hintergrund: Ausführliche Fragen und Antworten zum Zulassungsverfahren

Wie kann ein COVID-19-Impfstoff innerhalb von 12 bis 18 Monaten entwickelt und zugelassen werden, wenn das normale Verfahren etwa 10 Jahre dauert?

Derzeit befinden wir uns inmitten der schwersten Krise, die das öffentliche Gesundheitswesen in der jüngeren Geschichte erlebt hat. Ein sicherer und wirksamer Impfstoff ist ein Schlüsselelement dafür, einen Ausweg aus der Pandemie zu finden. Europa und die Welt müssen rasch handeln; Teams in der ganzen Welt arbeiten deshalb daran, in einem Zeitrahmen von 12 bis 18 Monaten einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln. Die Bereitstellung eines wirksamen Vakzins innerhalb eines engen Zeitrahmens bedeutet jedoch nicht, dass Abstriche bei der Sicherheit gemacht werden. Die Regulierungsprozesse sind zwar flexibel, sie büßen aber nichts von ihrer üblichen Strenge ein.

Die Kommission nutzt gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Arzneimittel-Agentur die im Rechtsrahmen der EU bestehenden Spielräume, um die Zulassung zu beschleunigen und für eine rasche Verfügbarkeit erfolgreicher Impfstoffe gegen COVID-19 zu sorgen, und dabei die Standards für die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen aufrechterhalten.

Allgemein: Wie funktioniert ein Zulassungsverfahren für Medikamente auf EU-Ebene?

Die Impfstoffhersteller entscheiden, ob und wann sie die Zulassung eines Impfstoffs beantragen. Die Aufgabe der EMA in diesem Zusammenhang besteht in der unabhängigen wissenschaftlichen Begutachtung des Antrags und der Erstellung eines wissenschaftlichen Gutachtens für die Europäische Kommission, die für die Erteilung einer EU-weiten Zulassung zuständig ist. Die Zulassung wird nur unter der Voraussetzung erteilt, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis nach einer Bewertung der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels positiv ausfällt.

Abweichungen von den üblichen Entwicklungsplänen sind im Notfallszenario möglich, und die Entwickler können Zeit sparen, indem sie zum Beispiel manche Studien parallel anstatt nacheinander durchführen und indem sie unterschiedliche Studiendesigns und Endpunkte zur Bestimmung der Wirksamkeit verwenden.

Die klinischen Prüfungen der COVID-19-Impfstoffe werden schneller als üblich durchgeführt, da Entwickler, Forscher und Regulierungsbehörden bedeutend mehr Arbeit in ihre Organisation und Durchführung investiert haben. Die weite Verbreitung der Pandemie bedeutet, dass zahlreiche Probandinnen und Probanden in relativ kurzer Zeit rekrutiert werden können, ohne dass die Qualität der Prüfungen selbst leidet.

Im EU-Regulierungssystem werden erhebliche Ressourcen für die rasche Entwicklung und Zulassung sicherer, wirksamer und hochwertiger COVID-19-Impfstoffe eingesetzt. Die Pandemie-Taskforce der EMA (COVID-ETF), die die besten wissenschaftlichen Fachleute des EU-Regulierungsnetzes in einer Gruppe versammelt, arbeitet eng mit dem Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA zusammen, um mit ihm die Tätigkeiten für die Entwicklung, Zulassung und Sicherheitsüberwachung von Impfstoffen gegen COVID-19 optimal und zügig zu koordinieren.

Schritt für Schritt: Wie läuft das Zulassungsverfahren ab? Wie wird es im Fall eines COVID-19-Impfstoffes beschleunigt?

Um eine Zulassung für einen Impfstoff in der EU zu erhalten, muss ein Impfstoffentwickler den Arzneimittelregulierungsbehörden in Europa die Ergebnisse aller Tests/Untersuchungen im Rahmen eines sogenannten Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen vorlegen.

Solche Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen, die bei der EMA eingereicht werden, werden einer umfassenden, unabhängigen wissenschaftlichen Begutachtung durch die wissenschaftlichen Ausschüsse der EMA für Humanarzneimittel (CHMP – Committee for Medicinal Products for Human Use) und für Arzneimittelsicherheit (PRAC – Pharmacovigilance Risk Assessment Committee) unterzogen, die sich aus Sachverständigen der nationalen Arzneimittelregulierungsbehörden zusammensetzen. Die EU-Rechtsvorschriften verlangen für alle Arzneimittel, dass die Erstbewertungen unabhängig voneinander durch zwei verschiedene Bewertungsteams (unter Leitung eines sogenannten Berichterstatters und Mitberichterstatters) vorgenommen und vom gesamten Ausschuss überprüft werden.

Für COVID-19 hat die EMA Schnellverfahren für die Überprüfung eingeführt, um Anträge rasch begutachten zu können und gleichzeitig fundierte wissenschaftliche Gutachten zu gewährleisten.

Entscheidend für diese Verkürzung des Zeitrahmens sind die Rolling Reviews (fortlaufende Überprüfungen). Liegt ein Notfall im Bereich der öffentlichen Gesundheit vor, prüft die EMA die Daten für vielversprechende Arzneimittel oder Impfstoffe, sobald diese verfügbar werden. Durch diese fortlaufenden Überprüfungen kann die EMA daher bereits während der Impfstoffentwicklung mit der Bewertung der Daten beginnen. Sobald die Entwicklung des Arzneimittels für einen Zulassungsantrag ausreichend fortgeschritten ist, kann das formale Bewertungsverfahren schneller als üblich durchgeführt werden, da die Daten im Rahmen der fortlaufenden Überprüfung bereits geprüft worden sind.

Im Fall von BioNTech/Pfizer hat die EMA den ersten Datensatz aus Laborstudien zu dem von dem Mainzer Unternehmen entwickelten Impfstoff bereits ausgewertet. Sie bewertet derzeit eine zweite Charge von Daten, die sich auf die Qualität des Impfstoffs beziehen, einschließlich der Daten über seine Inhaltsstoffe und die Art seiner Herstellung. Darüber hinaus haben Pfizer und BioNTech vorläufige Wirksamkeitsdaten aus einer laufenden Phase 3-Studie mit ihrem Impfstoff vorgelegt, die im Rahmen der rollenden Überprüfung ausgewertet werden.

Nachdem der CHMP seine wissenschaftliche Evaluierung der Daten abgeschlossen und die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels begutachtet hat, gibt er eine Empfehlung ab, ob das Arzneimittel eine Zulassung in der EU erhalten sollte.

Die Europäische Kommission entscheidet aufgrund der Empfehlung der EMA, ob sie eine Zulassung erteilt oder nicht. Die Mitgliedstaaten sind hier über das sogenannte Komitologieverfahren oder Ausschussverfahren eingebunden. Dieses sieht im Rahmen des Prüfungsverfahrens vor, dass die Kommission ihren Vorschlag annehmen muss, wenn eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten (55 Prozent der EU-Länder, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten) ihm zustimmt. Wenn eine qualifizierte Mehrheit gegen den Legislativvorschlag stimmt, kann die Kommission entscheiden, ihn nicht zu verabschieden. Das Komitologieverfahren kann verkürzt werden, indem der Zeitraum für die Konsultation der Mitgliedstaaten reduziert und ausnahmsweise zugelassen wird, dass die Übersetzungen der Dokumente in alle Amtssprachen erst nach der Annahme vorliegen.

Welche Sicherheitsanforderungen müssen eingehalten werden?

Für die Zulassung eines Arzneimittels benötigt die EMA belastbare Informationen über Sicherheit, Wirksamkeit und pharmazeutische Qualität, wobei die Sicherheit an erster Stelle steht. Die Sicherheitsanforderungen an COVID-19-Impfstoffe sind unverändert genauso hoch wie bei jedem anderen Impfstoff in der EU; daran wird auch eine Pandemie nichts ändern.

Bevor ein Impfstoff zur Anwendung zugelassen wird, wird der Kern der Nachweise für seine Sicherheit und Wirksamkeit aus den Ergebnissen der klinischen Prüfungen gewonnen, deren Teilnehmer sorgfältig ausgewählt und unter kontrollierten Bedingungen begleitet werden.

Darüber hinaus muss nach EU-Recht die Sicherheit des Impfstoffs – wie bei allen Arzneimitteln – nach der Zulassung während der Anwendung überwacht werden. Wie die Sicherheit sollte auch die Wirksamkeit des Impfstoffs überwacht werden. Im Rahmen dieser Überwachung werden auch nach dem Inverkehrbringen noch Studien durchgeführt. Zu einigen dieser Studien können Unternehmen in den Bedingungen für die Aufrechterhaltung ihrer Zulassung verpflichtet werden; weitere Studien werden von den für Impfprogramme zuständigen Behörden durchgeführt.

Die EU verfügt über ein umfassendes System für die Sicherheitsüberwachung (Pharmakovigilanz-System), das es gestattet, Maßnahmen zur Risikominderung, zur Sicherstellung der Meldung vermuteter Nebenwirkungen und zur Erkennung möglicher schädlicher Wirkungen zu ergreifen sowie frühzeitig notwendige Abhilfemaßnahmen einzuleiten.

Speziell für COVID-19-Impfstoffe ergreift die EMA in enger Zusammenarbeit mit der Kommission, den Mitgliedstaaten sowie europäischen und internationalen Partnern verschärfte Maßnahmen zur Sicherheitsüberwachung. Mit diesen Maßnahmen soll sichergestellt werden, dass alle neuen, nach dem Inverkehrbringen gesammelten Informationen so schnell wie möglich gesichtet und bewertet werden und zeitnah geeignete Regulierungsmaßnahmen für den Schutz der Patientinnen und Patienten und der öffentlichen Gesundheit getroffen werden. Dies umfasst die Erhebung von Expositionsdaten, die Verbesserung der Erkennung von Sicherheitssignalen und ihres Managements, größere Transparenz sowie die Schaffung einer europäischen Infrastruktur für die Impfstoffüberwachung, einschließlich multizentrischer Beobachtungsstudien bei COVID-19-Patientinnen und -Patienten. Eine rasche und klare Information über die Ergebnisse dieser Evaluierung wird sichergestellt werden.

Was geschieht, wenn der Impfstoff verfügbar ist?

Ein Impfstoff wird erst dann verfügbar, wenn er die festgelegten Sicherheitsanforderungen erfüllt und zuerst eine gründliche wissenschaftliche Begutachtung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur durchlaufen und das EU-Zulassungsverfahren abgeschlossen hat.

Die Mitgliedstaaten erhalten diese Dosen dann, wenn sie sie gemäß der abgeschlossenen Abnahmegarantie ankaufen. Weitere Informationen dazu hier.

Wer sollte zuerst geimpft werden?

Sobald ein sicherer und wirksamer COVID-19-Impfstoff verfügbar und EU-weit zugelassen ist, werden alle Mitgliedstaaten gleichzeitig und gleichberechtigt Zugang haben. In der ersten Phase (vor Hochfahren der Produktionskapazitäten) wird die Zahl der insgesamt verfügbaren Impfdosen noch begrenzt sein.

Die Mitgliedstaaten entscheiden, welchen Gruppen ihrer Bevölkerung sie die Impfstoffe anbieten. Die Kommission hat am 15. Oktober eine Mitteilung mit Empfehlungen darüber veröffentlicht, welche Vorkehrungen die EU-Staaten bei der für COVID-19-Impfstrategien und die Bereitstellung von Impfstoffen zu treffen sind. Sie hatte die Mitgliedstaaten darin aufgefordert, frühzeitig mit den Vorbereitungen beginnen. Bei der Entwicklung der Impfstrategien ist Folgendes zu berücksichtigen:

  • ausreichende Kapazitäten der Impfdienste für die Verabreichung der COVID-19-Impfstoffe (geschultes Personal und medizinische und Schutzausrüstung);
  • problemloser Zugang zu den Impfstoffen für Zielpopulationen (erschwinglich und in unmittelbarer Nähe);
  • Bereitstellung von Impfstoffen mit unterschiedlichen Merkmalen sowie Lager- und Transporterfordernissen (Kühlkette, Kühltransport- und -lagerkapazitäten);
  • vertrauensfördernde Aufklärung der Öffentlichkeit über die Risiken und die Bedeutung von COVID-19-Impfstoffen.

Sobald Impfstoffe in größerem Umfang verfügbar sind, müssen die Impfstrategien und Impfziele entsprechend angepasst werden. Zum Beispiel wird es zu Beginn wahrscheinlich darum gehen, die Zahl der Todesopfer zu senken und wesentliche Dienste zu entlasten. In einer späteren Phase könnte sich der Schwerpunkt auf die Aufhebung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Beschränkungen verlagern. In der Zwischenzeit muss unbedingt entschieden werden, welche Gruppen zuerst geimpft werden. Folgende Gruppen sollten gemäß den Empfehlungen der Kommission in Betracht gezogen werden (willkürliche Reihenfolge):

  • Beschäftigte im Gesundheitswesen
  • über 60-Jährige
  • Menschen, bei denen aufgrund ihres Gesundheitszustands ein erhöhtes Risiko besteht
  • systemrelevante Arbeitskräfte außerhalb des Gesundheitssektors
  • Arbeitskräfte, die keinen sozialen Abstand wahren können
  • schutzbedürftige soziale und wirtschaftlich benachteiligte Randgruppen und andere Risikogruppen

Wie laufen die Vorbereitungen in den EU-Staaten?

Die Kommission und das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) unterstützen die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung ihrer nationalen Impfstrategien. Die Kommission hat von allen Mitgliedstaaten Antworten auf die Entwicklung ihrer COVID-19-Impfpläne erhalten. Alle EU-Staaten berichten, dass sie Empfehlungen für die prioritären Gruppen erarbeiten, die zu Beginn der Impfkampagnen geimpft werden sollen. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten hat Informationen über logistische Erwägungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Impfstoffen vorgelegt, wobei viele planen, bestehende Impfvermittlungsdienste und -strukturen für die Einführung von COVID-19-Impfstoffen zu nutzen und darauf aufzubauen.

Wo werden die Dosen gelagert?

Jeder Mitgliedstaat entscheidet selbst, wie die Impfstoffe am besten gelagert werden. Die technischen Lagerungsbedingungen werden von jedem Hersteller anhand spezifischer Anforderungen für jede Art von Impfstoff festgelegt, damit dessen Qualität gewährleistet bleibt.

Links zum Thema:

Pressemeldungen der Europäischen Arzneimittelagentur (auf Englisch):

EMA receives application for conditional marketing authorisation of COVID-19 mRNA vaccine BNT162b2

EMA receives application for conditional marketing authorisation of Moderna COVID-19 vaccine

Website der Kommission zur EU-Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie im Bereich Gesundheit

Fragen und Antworten der Kommission vom 24. September 2020 zur EU-Impfstoffstrategie, inkl. zum Zulassungsverfahren

Pressemitteilung der EMA vom 6. Oktober 2020 zur Rolling Review BioNTech/Pfizer (Englisch)

Pressemitteilung der EMA vom 16. November 2020 zur Rolling Review Moderna (Englisch)

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.