Coronakrise: Kommission genehmigt deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds © Europäische Union, 2020, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Jennifer Jacquemart

08.07.2020 Brüssel. Die Europäische Kommission hat heute (Mittwoch) den deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds für Liquiditäts- und Kapitalhilfen von bis zu 500 Milliarden Euro für Unternehmen genehmigt, die von der Coronavirus-Pandemie betroffen sind. Die Genehmigung erfolgte auf der Grundlage des Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu: „In diesen schwierigen Zeiten arbeiten wir weiterhin eng mit den Mitgliedstaaten zusammen, um gangbare Lösungen zu finden, wie Unternehmen, die unter den Folgen der Coronakrise leiden, im Einklang mit den EU-Vorschriften der Zugang zu Finanzmitteln erleichtert werden kann. Mit dem deutschen Fonds sollen Liquiditäts- und Kapitalhilfen von bis zu 500 Milliarden Euro mobilisiert werden. Die Ausgestaltung des Fonds gewährleistet, dass der Staat für das von den Steuerzahlern übernommene Risiko hinreichend vergütet wird, bei Rekapitalisierungsmaßnahmen Anreize für den schnellstmöglichen Ausstieg des Staates bestehen und Auflagen wie ein Verbot von Dividenden- und Bonuszahlungen sowie andere Vorkehrungen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen gelten.“

Die deutsche Unterstützungsmaßnahme

Deutschland hat bei der Kommission nach dem Befristeten Rahmen einen Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit einem Zielvolumen von bis zu 500 Milliarden Euro zur Genehmigung angemeldet, mit dem deutsche Unternehmen, die unter den Folgen der COVID-19-Pandemie leiden, durch Liquiditäts- und Kapitalhilfen unterstützt werden sollen.

Die vorgesehene Unterstützung erfolgt über i) Garantien (die 400 Milliarden Euro des Gesamtbetrags mobilisieren sollen), ii) subventionierte Fremdkapitalinstrumente in Form nachrangiger Darlehen sowie iii) Rekapitalisierungsinstrumente (im Gesamtumfang von bis zu 100 Milliarden Euro), insbesondere Eigenkapitalinstrumente (Erwerb neu ausgegebener Stamm- bzw. Vorzugsaktien oder anderer Beteiligungen) und hybride Kapitalinstrumente (Wandelanleihen und stille Beteiligungen).

Die Kommission hat festgestellt, dass die von Deutschland angemeldete Regelung die im Befristeten Rahmen vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt.

1. So gilt für Beihilfen in Form von Garantien, dass i) der Darlehensbetrag pro Unternehmen nicht höher sein darf, als zur Deckung des Liquiditätsbedarfs in naher Zukunft erforderlich, ii) die Garantien nur bis Ende dieses Jahres gestellt werden, iii) ihre Laufzeit auf höchstens sechs Jahre begrenzt ist, iv) die Garantien nur bis zu 90 Prozent des Risikos abdecken dürfen und v) die Garantieprämien mit der im Befristeten Rahmen vorgesehenen Mindesthöhe im Einklang stehen.

2. Im Hinblick auf Beihilfen in Form von nachrangigen Darlehen gilt, dass die Regelung i) für Darlehen zur Deckung des Betriebs- und Investitionsmittelbedarfs mit begrenzter Laufzeit und Höhe eingesetzt werden kann, ii) befristet ist, iii) eine angemessene Vergütung für den Staat vorsieht, die im Einklang mit dem Befristeten Rahmen steht, und iv) vorschreibt, dass nachrangige Darlehen, die die im Befristeten Rahmen festgelegten Volumenobergrenzen überschreiten, die für Rekapitalisierungsmaßnahmen geltenden Bedingungen erfüllen müssen.

3. Für Rekapitalisierungsmaßnahmen gilt, dass i) Unternehmen unterstützt werden können, wenn der Betrieb sonst nicht fortgeführt werden kann, keine andere geeignete Lösung zur Verfügung steht und die Unterstützung im gemeinsamen Interesse liegt, ii) die Unterstützung den Betrag nicht übersteigen darf, der erforderlich ist, um die Rentabilität der geförderten Unternehmen zu gewährleisten und ihre Kapitalausstattung wieder auf das Vorkrisenniveau zu bringen, iii) eine angemessene Vergütung für den Staat vorgesehen ist, iv) die Ausgestaltung der Maßnahmen für die begünstigten Unternehmen bzw. ihre Eigentümer einen Anreiz schafft, die Unterstützung baldmöglichst zurückzuzahlen (u.a. durch die stufenweise Erhöhung der Vergütung, ein Dividendenverbot, eine Obergrenze für die Vergütung der Geschäftsführung und ein Verbot von Bonuszahlungen an die Geschäftsführung), v) Vorkehrungen gelten, damit durch die staatliche Rekapitalisierungsbeihilfe keine ungerechtfertigten Vorteile entstehen, die den fairen Wettbewerb im Binnenmarkt beeinträchtigen würden (z.B. ein Übernahmeverbot zur Verhinderung aggressiver Geschäftsexpansion), und vi) Beihilfen für ein Unternehmen, die den Schwellenwert von 250 Millionen Euro überschreiten, zur Einzelprüfung gesondert zur Genehmigung anzumelden sind.

Schließlich kommen nur Unternehmen, bei denen es sich am 31. Dezember 2019 noch nicht um Unternehmen in Schwierigkeiten handelte, für eine Beihilfe im Rahmen der Regelung in Betracht.

Die Kommission ist daher zu dem Schluss gekommen, dass die Maßnahme Deutschlands zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Deutschland beiträgt. Außerdem ist sie erforderlich, geeignet und angemessen, um eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats zu beheben, und steht folglich mit Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV und den im Befristeten Rahmen festgelegten Voraussetzungen im Einklang.

Daher hat die Kommission die Maßnahme nach den EU-Beihilfevorschriften genehmigt.

Zusätzlich zu dem heute von der Kommission genehmigten Betrag von 500 Milliarden Euro darf der Fonds bis zu 100 Milliarden Euro für die Refinanzierung staatlicher Beihilfemaßnahmen mobilisieren, die bereits bei der Kommission angemeldet und von ihr genehmigt wurden, sodass sich das Gesamtbudget des Wirtschaftsstabilisierungsfonds auf 600 Milliarden Euro erhöht.

Hintergrund

Die Kommission hat einen Befristeten Rahmen angenommen, damit die Mitgliedstaaten den in den Beihilfevorschriften vorgesehenen Spielraum in vollem Umfang nutzen können, um die Wirtschaft nach dem Ausbruch des Coronavirus zu unterstützen. Nach dem Befristeten Rahmen vom 19. März 2020, der am 3. April und 8. Mai und 29. Juni 2020 geändert wurde, können die Mitgliedstaaten folgende Arten von Beihilfen gewähren

i) direkte Zuschüsse, Kapitalzuführungen, selektive Steuervorteile und Vorauszahlungen von bis zu 100.000 Euro je Unternehmen in der landwirtschaftlichen Primärproduktion, 120.000 Euro je Unternehmen im Fischerei- und Aquakultursektor bzw. 800.000 Euro je Unternehmen in allen übrigen Sektoren zur Deckung des dringenden Liquiditätsbedarfs. Bis zu einem Nennwert von 800.000 Euro je Unternehmen können die Mitgliedstaaten Darlehen auch zinsfrei vergeben oder zu 100 Prozent durch eine Garantie absichern; ausgenommen hiervon sind die Primärproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und der Fischerei- und Aquakultursektor, wo eine Obergrenze von 100.000 Euro bzw. 120.000 Euro je Unternehmen gilt;

ii) staatliche Garantien für Bankdarlehen an Unternehmen, um zu gewährleisten, dass die Banken Firmenkunden mit Liquiditätsbedarf weiterhin Kredite gewähren. Solche staatlichen Garantien können bis zu 90 Prozent der Risiken von Darlehen abdecken, um die Unternehmen bei der Deckung ihres unmittelbaren Betriebs- und Investitionsmittelbedarfs zu unterstützen;

iii) zinsvergünstigte öffentliche Darlehen an Unternehmen (vor- und nachrangiges Fremdkapital), um diese bei der Deckung ihres unmittelbaren Betriebs- und Investitionsmittelbedarfs zu unterstützen;

iv) Zusicherungen für Banken, die staatliche Beihilfen an die Realwirtschaft weiterleiten, dass solche Fördermaßnahmen als direkte Beihilfen zugunsten der Bankkunden und nicht zugunsten der Banken selbst betrachtet werden, wobei erläutert wird, wie etwaige Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Banken auf ein Minimum beschränkt werden können;

v) öffentliche kurzfristige Exportkreditversicherungen für alle Länder, ohne dass die Mitgliedstaaten nachweisen müssten, dass die mit dem jeweiligen Land verbundenen Risiken vorübergehend „nicht marktfähig“ sind;

vi) Unterstützung von Coronavirus-bezogener Forschung und Entwicklung (FuE) in Form von direkten Zuschüssen, rückzahlbaren Vorschüssen oder Steuervorteilen zur Bewältigung der derzeitigen gesundheitlichen Notlage. Bei grenzübergreifenden Kooperationsprojekten mehrerer Mitgliedstaaten kann die Beihilfeintensität erhöht werden;

vii) Unterstützung beim Bau und bei der Hochskalierung von Erprobungseinrichtungen zur Entwicklung und Erprobung von Produkten (wie Impfstoffen, Beatmungsgeräten oder Schutzkleidung), die für die Bewältigung des Coronavirus-Ausbruchs benötigt werden, bis hin zur ersten gewerblichen Nutzung. Die Unterstützung kann in Form von direkten Zuschüssen, Steuervorteilen, rückzahlbaren Vorschüssen oder Verlustausgleichsgarantien gewährt werden. Die Unternehmen können eine höhere Beihilfe erhalten, wenn ihr Investitionsvorhaben von mehr als einem Mitgliedstaat unterstützt und innerhalb von zwei Monaten nach Gewährung der Beihilfe abgeschlossen wird;

viii) Unterstützung der Herstellung von Produkten, die für die Bewältigung des Coronavirus-Ausbruchs benötigt werden, in Form von direkten Zuschüssen, Steuervorteilen, rückzahlbaren Vorschüssen oder Verlustausgleichsgarantien. Die Unternehmen können eine höhere Beihilfe erhalten, wenn ihr Investitionsvorhaben von mehr als einem Mitgliedstaat unterstützt und innerhalb von zwei Monaten nach Gewährung der Beihilfe abgeschlossen wird;

ix) gezielte Unterstützung in Form von Steuerstundung und/oder Aussetzung von Sozialversicherungsbeiträgen für die am stärksten von dem Ausbruch betroffenen Wirtschaftszweige, Regionen und Arten von Unternehmen;

x) gezielte Unterstützung in Form von Lohnzuschüssen für Arbeitnehmer; sie kann Unternehmen gewährt werden, die in den am stärksten vom Coronavirus-Ausbruch betroffenen Wirtschaftszweigen oder Regionen tätig sind und andernfalls Mitarbeiter entlassen müssten;

xi) gezielte Rekapitalisierungsbeihilfen für Nichtfinanzunternehmen, sofern keine andere geeignete Lösung zur Verfügung steht. Es wurden Vorkehrungen getroffen, um übermäßige Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt zu vermeiden. So gelten Voraussetzungen hinsichtlich der Erforderlichkeit, der Geeignetheit und des Umfangs der Maßnahmen, Voraussetzungen hinsichtlich der Beteiligung des Mitgliedstaats am Kapital von Unternehmen und der Vergütung, Voraussetzungen hinsichtlich des Ausstiegs des Mitgliedstaats aus der Beteiligung an den betroffenen Unternehmen, Voraussetzungen hinsichtlich der Governance (so ein Dividendenverbot und Obergrenzen für die Vergütung der Geschäftsleitung), ein Verbot der Quersubventionierung und ein Übernahmeverbot, weitere Maßnahmen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen sowie Transparenz- und Berichtspflichten.

Der Befristete Rahmen gilt bis Ende Dezember 2020. Solvenzprobleme können im Rahmen der Krise jedoch zeitverzögert auftreten, weshalb die Kommission den Geltungszeitraum ausschließlich für Rekapitalisierungsmaßnahmen bis Ende Juni 2021 verlängert hat. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, wird die Kommission vor Ablauf dieser Fristen prüfen, ob eine Verlängerung erforderlich ist.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, wird die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb der Kommission unter der Nummer SA.56814 zugänglich gemacht. Über neu im Internet und im Amtsblatt veröffentlichte Beihilfebeschlüsse informiert der elektronische Newsletter State Aid Weekly e-News.

Links zum Thema:

Staatliche Beihilfen: Kommission genehmigt deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds für Liquiditäts- und Kapitalhilfen von bis zu 500 Milliarden Euro für Unternehmen, die von der Coronavirus-Pandemie betroffen sind
Presseinformation der EU-Kommission vom 08.07.2020.

Der Befristete Rahmen und andere Maßnahmen, die die Kommission zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie ergriffen hat

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.