EU-Hochleistungsrechner ermittelt mögliches COVID-19-Medikament © Europäische Union, 2000, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst

19.06.2020 Brüssel. Das für die Osteoporose-Therapie zugelassene Generikum Raloxifene könnte zur Behandlung von COVID-19 bei schwachen Symptomen geeignet sein. Das hat das EU-geförderte, europaweite Konsortium Exscalate4CoV gestern (Donnerstag) bekanntgegeben. Das Konsortium nutzt eine von der EU unterstützte Supercomputing-Plattform, eine der leistungsfähigsten der Welt, um den Einfluss bekannter Moleküle auf das Coronavirus zu untersuchen. Das Projekt ist eines von vielen Beispielen dafür, wie das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der EU die besten europäischen Forscher, Pharmaunternehmen, Technologien und Forschungsinfrastrukturen zusammenbringt, um zur Bekämpfung des Virus beizutragen.

Thierry Breton, EU-Kommissar für den Binnenmarkt, sagte: „Die Exscalate4Cov-Plattform bringt Innovationen für die Arzneimittelforschung in Europa und weltweit. Sie zeigt, wie wertvoll eine echte europaweite Zusammenarbeit ist, die europäische Spitzenkapazitäten in den Bereichen Biomedizinwissenschaft und Hochleistungsrechnen zusammenbringt. Wir werden weiterhin alle verfügbaren Technologien mobilisieren‚ um das Coronavirus zu bekämpfen, unter anderem künstliche Intelligenz.“

Exscalate4CoV, ein Konsortium aus 18 Partnern und weiteren 15 assoziierten Mitgliedern, kombiniert auf einzigartige Weise Hochleistungsrechner und Künstliche Intelligenz mit biologischer Verarbeitung. Dabei sind Hochleistungsrechenzentren in Italien, Spanien und Deutschland sowie große Forschungszentren, Pharmaunternehmen und biologische Institute aus ganz Europa eingebunden. Die Plattform verfügt über eine Rechenleistung von rund 120 Petaflops und ermöglicht so die Erforschung des Molekülverhaltens, um eine wirksame Behandlung gegen das Coronavirus zu finden. Die chemische Bibliothek des Projekts wächst stetig, da Vereinbarungen mit neu assoziierten Pharmaunternehmen geschlossen werden konnten.

Das Konsortium hat mit seinen Supercomputern bereits 400.000 Moleküle virtuell getestet. 7.000 Moleküle wurden vorausgewählt und „in vitro“ weiter getestet; dabei erwies sich Raloxifen als vielversprechend: Dem Projektteam zufolge könnte das Mittel die Replikation des Virus in Zellen wirksam blockieren und somit das Fortschreiten der Krankheit stoppen. Forscher weisen auf die Vorteile des Mittels hin – hohe Verträglichkeit bei Patienten, Sicherheit und ein etabliertes toxikologisches Profil.

Nächster Schritt sind nun Gespräche mit der Europäischen Arzneimittel-Agentur über die schnelle Durchführung klinischer Tests, um die mögliche neue Verwendung von Raloxifene zu evaluieren. Im Falle der Zulassung könnte das Medikament rasch in großen Mengen und zu geringen Kosten bereitgestellt werden.

Hintergrund

Exscalate4CoV kann mithilfe einer europäischen Hochleistungsrechnungsplattform, die zu den weltweit leistungsfähigsten zählt, innerhalb von Wochen ein Screening-Verfahren durchführen, das mit traditionellen Verfahren viele Jahre in Anspruch nehmen würde. In einem ersten Schritt hat wurden bisher sechs von 25 verschiedenen Proteinmodellen des neuartigen Coronavirus ermittelt, die sich ständig weiterentwickeln, wobei wöchentlich verschiedene Mutationen eingehen, die für den nächsten Schritt in eine digitale Form überführt werden. Der zweite Schritt besteht darin, die digitale Struktur der Coronavirus-Proteine mit der verfügbaren Molekül-Bibliothek abzugleichen. Im dritten und letzten Schritt werden die identifizierten Moleküle verschiedenen zusätzlichen biologischen Screenings in Laboratorien in Belgien und Deutschland unterzogen, um zu verstehen, wie ein identifiziertes Molekül mit dem Virusmodell interagiert, und um zu beurteilen, inwieweit es dessen Aktivität stoppen kann.

In der nächsten Projektphase werden diese Prüfungen auf eine noch größere Bibliothek mit 5 Millionen Molekülen (von den insgesamt 500 Milliarden dort gespeicherten Molekülen) ausgeweitet. Voraussichtlich werden weitere potenzielle Moleküle ermittelt und zu einer wirksamen Gesamtbehandlung der Krankheit beitragen.

Exscalate4CoV ist eines von 18 Forschungsprojekten, die mit insgesamt 48,2 Millionen Euro aus einer kürzlich im Eilverfahren veröffentlichten Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für die Coronavirus-Forschung finanziert wurden, die auf Arbeiten zur Prävention von Ausbrüchen und auf die Reaktion darauf sowie auf schnelle patientennahe Diagnosetests, neue Behandlungen und neue Impfstoffe ausgerichtet war. Die Arbeiten des Konsortiums Exscalate4CoV wurden durch EU-Sofortmittel in Höhe von 3 Millionen Euro im Rahmen der koordinierten Reaktion der EU auf die Coronavirus-Pandemie ermöglicht. Ferner wurde das Projekt von Unternehmen der pharmazeutischen Industrie unterstützt, die über die offene Plattform DrugBox Arzneimittelproben zur Verfügung stellen.

Im Zeitraum von 2014 bis 2018 hat die EU über 600 Millionen Euro aus dem Programm Horizont 2020 und der Fazilität „Connecting Europe“ in den Bereich Hochleistungsrechnen investiert. Im Jahr 2018 wurde das Gemeinsame Unternehmen EuroHPC gegründet, eine mit 1 Milliarden Euro ausgestattete gemeinsame Initiative der EU und 32 europäischer Länder zur Entwicklung eines weltweit führenden Ökosystems für das Hochleistungsrechen in Europa.

Am 4. Mai sagte die Kommission auf dem Coronavirus-Gipfel für eine globale Krisenreaktion insgesamt 1,4 Milliarden Euro an Mitteln zu. 1 Milliarde Euro wird über Horizont 2020 bereitgestellt, die für die Entwicklung von Impfstoffen sowie neuer Therapie- und Diagnosemethoden zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus eingesetzt werden. Seit Januar 2020 hat die Kommission im Rahmen von Horizont 2020 insgesamt Mittel in Höhe von 547 Millionen Euro für die Bekämpfung des Coronavirus mobilisiert.

Links zum Thema:

Coronakrise: EU-finanziertes Forschungsprojekt zeigt mithilfe europäischer Hochleistungsrechner vielversprechende Ergebnisse für mögliche Behandlung*
Presseinformation der EU-Kommission vom 18.06.2020.

Informationen der Kommission zur Reaktion auf die Coronavirus-Krise

EU-Forschungsinitiativen zur Bekämpfung des Coronavirus

Einsatz von Digitaltechnik zur Bekämpfung des Coronavirus

Europäische Supercomputer unterstützen Pharmaunternehmen, die neuen Arzneimitteln auf der Spur sind

Gemeinsames Unternehmen EuroHPC im Bereich Hochleistungsrechnen

Verwendung europäischer Hochleistungsrechner zur Behandlung des Coronavirus

Exscalate4CoV

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland