EU-Kommission verabschiedet neue Strategie für Opferrechte und diskutiert über Rassismus © Europäische Gemeinschaften, 1999, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst

24.06.2020 Brüssel. Die Europäische Kommission hat heute (Mittwoch) erstmals eine EU-Strategie für Opferrechte vorgelegt. Sie soll sicherstellen, dass alle Opfer von Straftaten ihre Rechte in vollem Umfang wahrnehmen können, unabhängig davon, wo in der EU die Straftat begangen wurde. In letzter Zeit waren Fälle von häuslicher Gewalt, dem sexuellen Missbrauch von Kindern, Cyberkriminalität und rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Hassdelikte im Rahmen der Corona-Ausgangssperren angestiegen, sagte Vizepräsidentin Věra Jourová nach der wöchentlichen Kommissionssitzung. In ihrer Sitzung heute haben die Kommissarinnen und Kommissare auch eine Grundsatzdebatte über Rassismus geführt. Konkrete Maßnahmen sollen im Herbst folgen.

Die Strategie für Opferrechte sieht ein Maßnahmenpaket für die nächsten fünf Jahre vor, mit dem zwei Ziele verfolgt werden: Erstens sollen Opfer in die Lage versetzt werden, Straftaten anzuzeigen, eine Entschädigung zu erwirken und sich schließlich von den Folgen einer Straftat zu erholen; zweitens wird eine Zusammenarbeit mit allen für die Opferrechte relevanten Akteuren angestrebt.

Věra Jourová, Vizepräsidentin für Werte und Transparenz, erklärte: „Zu viele Opfer von Straftaten finden kein Gehör, weil sie keinen Zugang zur Justiz haben und keine angemessene Unterstützung erhalten. Die Europäische Union steht an der Seite der Opfer. Die heute vorgelegte Strategie zielt darauf ab, die Opfer und insbesondere die Schutzbedürftigsten unter ihnen zu stärken, wie Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt oder von Hasskriminalität. Wir müssen die Mitgliedstaaten dazu anhalten, die EU-Vorschriften über die Opferrechte ohne Wenn und Aber vollständig umzusetzen.“

EU-Justizkommissar Didier Reynders sagte: „Eine Union der Gleichheit, die ihre Bürger schützt, muss für alle Opfer von Straftaten die notwendige Unterstützung, Schutz und einen diskriminierungsfreien Zugang zur Justiz gewährleisten. Dies wollen wir mit der neuen Strategie erreichen, indem wir mit den Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten.“

Die EU hat bereits ein solides Regelwerk eingeführt, um die Opferrechte zu gewährleisten. Dennoch können sich Opfer von Straftaten noch immer nicht in vollem Umfang darauf verlassen, dass sie die ihnen nach dem EU-Recht zustehenden Rechte auch wahrnehmen können. Ansatzpunkt muss eine bessere Anwendung der EU-Vorschriften in der Praxis sein. Gegebenenfalls wird die Kommission bis 2022 Vorschläge zur weiteren Stärkung dieser Vorschriften vorlegen.

Die heute vorgestellte neue Strategie sieht ein Maßnahmenpaket mit fünf Schwerpunkten vor:

  • Wirksame Kommunikation mit den Opfern und Schaffung eines sicheren Umfelds, in dem die Opfer Straftaten anzeigen können
    Allzu oft kennen die Opfer ihre Rechte nicht oder scheuen aus Angst vor dem Täter oder vor negativen Folgen davor zurück, die Straftat anzuzeigen. Unter anderem wird die Kommission eine EU-Kampagne zur Sensibilisierung für die Opferrechte auf den Weg bringen und die fachliche Unterstützung und den Schutz von Opfern mit besonderen Bedürfnissen fördern. Außerdem wird die Kommission weiterhin die Umsetzung der einschlägigen EU-Vorschriften‚ einschließlich der Bestimmungen der Opferschutzrichtlinie, überwachen.
  • Verbesserung des Schutzes und der Unterstützung der schutzbedürftigsten Opfer
    Alle Opfer sind schutzbedürftig, manche von ihnen in besonderem Maße: Kinder, ältere Menschen, Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt, von häuslicher Gewalt, von rassistischen oder homosexuellenfeindlichen Hassdelikten, Terroropfer sowie Opfer mit Behinderungen. Die Kommission wird erwägen, den Opferschutz durch die Einführung von Mindeststandards für den physischen Schutz von Opfern weiter zu stärken. Die Mitgliedstaaten sollten spezialisierte Unterstützungsdienste für die schutzbedürftigsten Opfer einrichten, z.B. Kinderhäuser, Familienhäuser oder sichere Unterkünfte für LGBTI+.
  • Erleichterung des Zugangs der Opfer zu Entschädigungsleistungen
    In vielen Mitgliedstaaten ist der Zugang der Opfer zu einer Entschädigung kompliziert. Im Rahmen der Strategie wird die Kommission die Umsetzung der Entschädigungsvorschriften der EU einschließlich staatlicher Entschädigungen und des Rahmenbeschlusses über die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen überwachen und beurteilen. Falls erforderlich wird die Kommission bis 2022 Maßnahmen zur Ergänzung dieses Rahmens vorschlagen.
  • Ausbau der Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen den Akteuren im Bereich der Opferrechte
    Um einen stärker horizontal ausgerichteten Ansatz für Opferrechte auf EU-Ebene zu gewährleisten, wird die Kommission eine Plattform für Opferrechte einrichten, die alle für Opferrechte zuständigen Akteure zusammenführt. Auf nationaler Ebene sollten die Mitgliedstaaten nationale Opferschutzstrategien aufstellen. Außerdem wird ein Koordinator der Kommission für Opferrechte die Kohärenz und Wirksamkeit der verschiedenen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Politik im Bereich der Opferrechte sicherstellen.
  • Stärkung der internationalen Dimension der Opferrechte
    Im kürzlich verabschiedeten EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie wird das Engagement der EU für die Förderung, den Schutz und die Durchsetzung der Menschenrechte weltweit bekräftigt. Die EU und ihre Mitgliedstaaten werden weiterhin mit den Vereinten Nationen und dem Europarat zusammenarbeiten und sich innerhalb dieser Organisationen für die Förderung der europäischen Opferrechte in den Partnerländern und den Austausch bewährter Verfahren einsetzen. Die EU wird weiterhin eng mit den Kandidatenländern und potenziellen Kandidaten zusammenarbeiten, um die Rechte der Opfer zu stärken, und Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau für prioritäre Partnerländer in Bezug auf die Unterstützung von Terroropfern unterstützen.

Im Jahr 2017 wurden etwa 15 Millionen Menschen in der EU Opfer von schweren Straftaten wie Mord, sexuellem Missbrauch von Kindern oder Entführungen. Das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt in der EU ist alarmierend: Jede dritte Frau (33 Prozent) hat nach ihrem 15. Lebensjahr körperliche Misshandlungen und/oder sexuelle Gewalt erlebt. Nur etwa ein Drittel der Frauen, die meist von ihren Partnern oder nahen Verwandten körperlich misshandelt oder sexuell missbraucht werden, wenden sich an die Behörden.

Die Umsetzung der Strategie wird regelmäßig überwacht werden, wobei unter anderem die regelmäßigen Sitzungen der Plattform für Opferrechte genutzt werden können, um über Maßnahmen unter der Verantwortung der verschiedenen Beteiligten auf dem Laufenden zu bleiben. Darüber hinaus wird die Kommission nach der Hälfte der Laufzeit dieser Strategie eine Bestandsaufnahme der Maßnahmen der Strategie vornehmen und sie gegebenenfalls aktualisieren.

Links zum Thema:

Opferschutz: neue Strategie zur Stärkung der Rechte von Opfern
Presseinformation der EU-Kommission vom 24.06.2020.

Fragen & Antworten

Strategie für die Rechte von Opfern

Factsheet zur Strategie für die Rechte von Opfern: zentrale Maßnahmen

Opferschutzrichtlinie

Kompetenzzentrum für Terroropfer

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland