23.10.2018 Brüssel – Der Kommission zufolge stellt der von Italien vorgelegte Haushaltsplan 2019 einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die haushaltspolitischen Empfehlungen des Rates vom 13. Juli 2018 dar. Den einschlägigen Vorschriften entsprechend hat die Kommission Italien in einer Stellungnahme aufgefordert, binnen drei Wochen einen überarbeiteten Haushaltsplan vorzulegen.

Nachdem sie sämtliche Faktoren berücksichtigt und die italienischen Behörden konsultiert hat, ist die Europäische Kommission zu der Auffassung gelangt, dass der italienische Haushaltsplan 2019 eine besonders schwerwiegende Abweichung von der Empfehlung des Rates vom 13. Juli 2018 darstellt. Außerdem stellt die Kommission fest, dass der Plan nicht mit den Zusagen in Einklang steht, die Italien im Rahmen seines Stabilitätsprogramms vom April 2018 gegeben hatte. Die Kommission fordert Italien daher zur Vorlage eines überarbeiteten Haushaltsplans 2019 auf. Dieser sollte die Einhaltung der Empfehlung gewährleisten, die am 13. Juli 2018 vom Rat – einschließlich Italiens – an das Land gerichtet und am 28. Juni auch vom Europäischen Rat gebilligt worden war. Damit hat die Kommission erstmals den Schritt unternommen, die Vorlage eines überarbeiteten Haushaltsplans zu fordern.

Valdis Dombrovskis, Vizepräsident für den Euro und den sozialen Dialog, außerdem zuständig für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion, erklärte: „Das Euro-Währungsgebiet fußt auf großem gegenseitigen Vertrauen und seine Regeln gelten für alle gleichermaßen. Es ist unsere Aufgabe und Pflicht, das gemeinsame Interesse und die gegenseitigen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zu wahren. Italien hat einen der höchsten Schuldenstände in Europa und dieser kostet die italienischen Steuerzahler in etwa so viel wie die Bildung. Angesichts dessen sehen wir keine andere Möglichkeit, als die italienische Regierung aufzufordern, ihren Haushaltsplan für 2019 zu überarbeiten – einem offenen und konstruktiven Dialog in den kommenden Wochen sehen wir hoffnungsvoll entgegen.“

Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll, ergänzte: „Die heute von der Kommission angenommene Stellungnahme dürfte niemanden überraschen, da der Haushaltsplan der italienischen Regierung eine klare und vorsätzliche Abweichung von den Zusagen darstellt, die Italien im vergangenen Juli abgegeben hat. Doch schlagen wir die Tür nicht zu, sondern wollen unseren konstruktiven Dialog mit den italienischen Behörden fortsetzen. Ich begrüße die entsprechende Zusicherung von Minister Tria. Mit dieser Einstellung müssen wir nun in den kommenden Wochen vorankommen.“

Die Kommissionsbewertung des Haushaltsplans deutet auf eine geplante erhebliche Abweichung von dem vom Rat empfohlenen haushaltspolitischen Pfad hin. Im Juli 2018 hatte der Rat Italien eine strukturelle Verbesserung um 0,6 % des BIP empfohlen. Der von Italien vorgelegte Haushaltsplan sieht indes für 2019 eine strukturelle Verschlechterung um 0,8 % des BIP vor.

Sowohl die Tatsache, dass der Plan eine Ausgabenerhöhung um annähernd 1 % des BIP vorsieht, während der Rat eine Haushaltskonsolidierung empfohlen hatte, als auch das Ausmaß der Abweichung (eine Lücke von rund 1,4 % des BIP bzw. 25 Mrd. EUR) sind in der Geschichte des Stabilitäts- und Wachstumspakts beispiellos.

Auch sei darauf hingewiesen, dass die haushaltspolitischen Vorgaben für Italien für das Jahr 2019 – wie bei allen Mitgliedstaaten – am 28. Juni 2018 einstimmig vom Europäischen Rat gebilligt und vom Rat der Europäischen Union einschließlich Italiens am 13. Juli 2018 angenommen wurden.

Italiens öffentlicher Schuldenstand, der im Jahr 2017 bei 131,2 % lag, ist relativ gesehen der zweithöchste in der Europäischen Union und einer der höchsten der Welt. Er entspricht einer durchschnittlichen Belastung von 37 000 EUR je Einwohner. Für den Schuldendienst muss in Italien ein erheblich größerer Teil der öffentlichen Mittel aufgewandt werden als in den übrigen Ländern des Euro-Währungsgebiets, was zulasten der produktiven Ausgaben des Landes geht. Die Zinsausgaben Italiens beispielsweise beliefen sich 2017 auf rund 65,5 Mrd. EUR (3,8 % des BIP) und waren damit in etwa so hoch wie die öffentlichen Ausgaben für Bildung.

Angesichts der Tatsache, dass sie sich auf optimistische Wachstumsannahmen im Haushaltsplan stützt, ist die geplante Verringerung der Schuldenquote mit erheblichen Abwärtsrisiken behaftet. Dies bedeutet, dass Italiens Einhaltung des von allen Mitgliedstaaten vereinbarten Richtwerts für den Schuldenstand, wonach eine stetige Senkung des Schuldenstands in Richtung der in den Verträgen festgesetzten Obergrenze von 60 % erforderlich ist, ebenfalls in Frage steht.

Selbstverständlich ist es das Vorrecht eines jedes Mitgliedstaats, Prioritäten festzulegen und die Zuweisung von Haushaltsmitteln zu bestimmen. Doch müssen Verpflichtungen, die mit dem Ziel der finanziellen Tragfähigkeit eingegangen wurden und über die gemeinschaftlich entschieden wurde, ebenfalls eingehalten werden: Das ist die Logik der geltenden Regeln.

Die einschlägigen Rechtsvorschriften sehen vor, dass die italienischen Behörden der Kommission den überarbeiteten Haushaltsplan so bald wie möglich, spätestens jedoch drei Wochen nach Abgabe dieser Stellungnahme vorlegen.

Hintergrund

Die Kommission hat im Jahr 2015 Leitlinien vorgelegt, in denen sie erläutert, wie sie die geltenden Vorschriften des Stabilitäts- und Wachstumspakts zur engeren Verknüpfung von Strukturreformen, Investitionen und verantwortungsvoller Haushaltspolitik zugunsten von mehr Beschäftigung und Wachstum nutzen wird. Später wurde dies in einen „Gemeinsam vereinbarten Standpunkt zur Flexibilität im Stabilitäts- und Wachstumspakt“ übertragen und im Jahr 2016 vom Rat gebilligt. Mit einem Betrag in einer Größenordnung von 30 Mrd. EUR (oder 1,8 % des BIP) hat Italien zwischen 2015 und 2018 wie kein anderes Land von dieser Flexibilität profitiert. Die Flexibilität hat dazu beigetragen, Strukturreformen und Investitionen anzustoßen, und Italien geholfen, auf außergewöhnliche Ereignisse wie Gefahren für die Sicherheit des Landes und die Folgen des Flüchtlingszustroms und der Erdbeben zu reagieren.

Italien hat in den vergangenen Jahren in erheblichem Umfang EU-abgesicherte Finanzmittel aufnehmen können. Auch ist Italien der zweitgrößte Nutznießer des Juncker-Plans. Ab Oktober 2018 dürften Finanzierungen aus dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen zusätzliche Investitionen in Höhe von mehr als 50 Mrd. EUR nach sich ziehen. Italien ist ferner der zweitgrößte Empfänger von Mitteln aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds. Zwischen 2014 und 2020 wurden für das Land 44,7 Mrd. EUR bereitgestellt, um unter anderem die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen, die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, die Entwicklung notwendiger Qualifikationen, einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt und zur beruflichen Bildung, Forschung und Innovation, den Umweltschutz und den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft zu fördern.

In seinem Stabilitätsprogramm vom April 2018 kündigte Italien an, dass es 2019 ein Defizit von 0,8 % des BIP anvisieren werde. Dem Haushaltsplan 2019 zufolge dürfte das gesamtstaatliche Defizit im kommenden Jahr auf 2,4 % des BIP ansteigen; es läge damit dreimal so hoch wie ursprünglich geplant.

Nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 gibt die Kommission in Ausnahmefällen, in denen sie nach Anhörung des betroffenen Mitgliedstaats binnen einer Woche nach Übermittlung der Übersicht über die Haushaltsplanung einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die haushaltspolitischen Verpflichtungen feststellt, eine Stellungnahme ab, in der sie dazu auffordert, so bald wie möglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Abgabe der Stellungnahme einen überarbeiteten Haushaltsplan vorzulegen.

Weitere Informationen:

Memo: Stellungnahme der Europäischen Kommission zum Haushaltsentwurf Italiens für 2019 

Europäisches Semester

Haushaltspläne 2019 

Verordnung (EU) Nr. 473/2013