Europäisches Semester: Länderspezifische Empfehlungen für eine nachhaltige Erholung von der Coronakrise © Europäische Union, 2020, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Jennifer Jacquemart

20.05.2020 Brüssel. Die Europäische Kommission hat heute (Mittwoch) länderspezifische Empfehlungen vorgeschlagen, die allen EU-Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie wirtschaftspolitische Leitlinien an die Hand geben. Der Schwerpunkt liegt auf den dringendsten Herausforderungen in der Pandemie und einer nachhaltigen Erholung. Deutschland soll durchführungsreife öffentliche Investitionen vorziehen und private Investitionen in den ökologischen und digitalen Wandel unterstützen, insbesondere in nachhaltigen Verkehr, saubere, effiziente und integrierte Energiesysteme, digitale Infrastruktur und Kompetenzen, Wohnbau, Bildung sowie Forschung und Innovation. Die digitalen Verwaltungsleistungen auf allen Ebenen sind verbesserungswürdig.

Die Empfehlungen sind auf zwei Ziele ausgerichtet: kurzfristig Abmilderung der schwerwiegenden sozioökonomischen Folgen der Coronavirus-Pandemie; kurz- bis mittelfristig die Erreichung eines nachhaltigen und inklusiven Wachstums, das den Übergang zu einer grünen Wirtschaft und den digitalen Wandel erleichtert.

Ein neu ausgerichtetes Paket zum Europäischen Semester

In der jährlichen Strategie für nachhaltiges Wachstum wird die Wachstumsstrategie der Kommission dargelegt, die auf der Förderung wettbewerbsfähiger Nachhaltigkeit beruht und zum Ziel hat, eine Wirtschaft im Dienste der Menschen und des Planeten aufzubauen. Angesichts des Ausbruchs der Coronavirus-Krise ist dies weiterhin von größter Bedeutung. Die Empfehlungen umfassen die vier Dimensionen wettbewerbsfähiger Nachhaltigkeit – Stabilität, Fairness, ökologische Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit – und legen einen besonderen Schwerpunkt auf die Gesundheit. Sie spiegeln auch die Zusage der Kommission wider, die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung in das Europäische Semester zu integrieren, da sie einen umfassenden Rahmen für die öffentliche Gesundheit sowie für soziale, ökologische und wirtschaftliche Belange bieten.

Die Empfehlungen betreffen Bereiche wie Investitionen in die öffentliche Gesundheit und die Resilienz des Gesundheitssektors, Erhaltung der Beschäftigung durch Einkommensunterstützung für die betroffenen Arbeitnehmer, Investitionen in Menschen und Kompetenzen, Unterstützung des Unternehmenssektors (insbesondere kleine und mittlere Unternehmen) und Maßnahmen gegen aggressive Steuerplanung und Geldwäsche. Wirtschaftliche Erholung und Investitionen müssen Hand in Hand gehen und angesichts des digitalen und ökologischen Wandels zu einer Neugestaltung der Wirtschaft der EU führen.

Die diesjährigen haushaltspolitischen länderspezifischen Empfehlungen sind qualitativ und weichen von den normalerweise geltenden Haushaltsanforderungen ab. Sie spiegeln die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel wider und empfehlen den Mitgliedstaaten, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Pandemie wirksam zu bekämpfen und die Wirtschaft und die anschließende Konjunkturerholung zu unterstützen. Sofern die wirtschaftlichen Bedingungen dies zulassen, sollte die Finanzpolitik darauf abzielen, eine vorsichtige mittelfristige Haushaltslage zu erreichen und die Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten – unter gleichzeitiger Förderung der Investitionen.

Überwachung der haushaltspolitischen Entwicklungen

Die Kommission hat auch Berichte nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union für alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme Rumäniens angenommen, das bereits der korrektiven Komponente des Pakts unterliegt.

Die Kommission erstellt diese Berichte für die Mitgliedstaaten, die – aus Gründen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie – davon ausgehen, oder bei denen von der Kommission prognostiziert wird, dass sie die Defizitgrenze von 3 % im Jahr 2020 überschreiten werden. In den Berichten für Frankreich, Belgien, Zypern, Griechenland, Italien und Spanien wird auch bewertet, ob diese Mitgliedstaaten das Schuldenstandskriterium im Jahr 2019 auf der Grundlage bestätigter, von Eurostat validierter Daten erfüllt haben.

Dabei werden die negativen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die nationalen öffentlichen Finanzen berücksichtigt. Angesichts der außergewöhnlichen Unsicherheit im Zusammenhang mit den enormen makroökonomischen und haushaltspolitischen Auswirkungen der Pandemie ist die Kommission der Auffassung, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Entscheidung darüber getroffen werden sollte, ob die Mitgliedstaaten dem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit unterworfen werden sollen.

Nächste Schritte

Eine koordinierte europäische Wirtschaftsreaktion ist von entscheidender Bedeutung, um die Wirtschaftstätigkeit wieder anzukurbeln, den Schaden für das wirtschaftliche und soziale Gefüge zu mindern und Divergenzen und Ungleichgewichte zu verringern. Das Europäische Semester der wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Koordinierung stellt daher ein wesentliches Element der Konjunkturstrategie dar.

Somit ersucht die Kommission den Rat, die länderspezifischen Empfehlungen zu billigen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, sie vollständig und fristgerecht umzusetzen.

Äußerungen der Mitglieder der Kommission:

Der für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen zuständige Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis äußerte sich wie folgt: „Das Coronavirus hat uns wie ein Asteroid getroffen und in der europäischen Wirtschaft ein kraterartiges Loch hinterlassen. Dieses Frühjahrspaket wurde neu gefasst und gestrafft, um den Mitgliedstaaten in diesem Sturm Orientierung zu bieten. In der aktuellen Phase liegt unser Schwerpunkt auf Investitionen in die öffentliche Gesundheit und dem Schutz von Arbeitsplätzen und Unternehmen. Im Zuge der Erholung wird das Europäische Semester von entscheidender Bedeutung sein, wenn es darum geht, einen koordinierten Ansatz zu verfolgen, um unsere Volkswirtschaften wieder auf den Weg eines nachhaltigen und inklusiven Wachstums zu bringen – niemand sollte zurückgelassen werden. Wir brauchen auch Reformen, um die Produktivität und das Unternehmensumfeld zu verbessern. Sobald die Voraussetzungen dafür gegeben sind, müssen wir ein Gleichgewicht zwischen haushaltspolitischer Nachhaltigkeit und Ankurbelung der Investitionen finden.“

Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, fügte hinzu: „Die Unterstützung der Arbeitnehmer, die Stärkung des sozialen Schutzes, die Bekämpfung von Ungleichheiten und die Gewährleistung des Rechts der Menschen auf Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen werden oberste Priorität für unsere wirtschaftliche Reaktion auf die Krise sowie für die Gewährleistung eines inklusiven grünen und digitalen Wandels haben. Dies können wir jedoch nur gemeinsam erreichen. Die europäische Säule sozialer Rechte bleibt unser Kompass bei diesen Bemühungen. Die Erholung von der Coronavirus-Pandemie muss die Resilienz und Aufwärtskonvergenz fördern, indem die Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden.“

Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte: „Die Coronavirus-Pandemie und die erforderlichen Eindämmungsmaßnahmen haben die europäischen Volkswirtschaften hart getroffen. Die Empfehlungen spiegeln diese beispiellose Situation wider. Die heutigen Prioritäten bestehen darin, unsere Gesundheitsversorgung zu stärken, unsere Arbeitnehmer zu unterstützen und unsere Unternehmen zu retten. Die Herausforderungen, mit denen wir vor dieser Krise konfrontiert waren, sind jedoch nicht weggefallen. Wir müssen in die Zukunft blicken und unsere Investitions- und Reformziele weiterhin darauf ausrichten, den ökologischen und digitalen Wandel erfolgreich zu gestalten und für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Das bedeutet auch, dass jeder seinen Anteil zahlen muss: in einem Europa der Solidarität und Fairness kann es keinen Platz für aggressive Steuerplanung geben.“

Überwachungsberichte für Griechenland, Spanien und Zypern

Die Kommission hat den sechsten Bericht über die verstärkte Überwachung Griechenlands angenommen. In dem Bericht wird der Schluss gezogen, dass Griechenland angesichts der außergewöhnlichen Umstände im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um seine spezifischen Reformzusagen zu erfüllen.

Die Kommission hat auch die Berichte über die Überwachung nach Abschluss des Programms für Spanien und Zypern angenommen.

Links zum Thema:

Europäisches Semester – Frühjahrspaket 2020: Fragen und Antworten

Factsheet: Europäisches Semester – Frühjahrspaket

Mitteilung über die länderspezifischen Empfehlungen

Länderspezifische Empfehlungen

Länderspezifische Empfehlungen für Deutschland

Berichte nach Artikel 126 Absatz 3

Sechster Bericht über die verstärkte Überwachung Griechenlands

Überwachungsbericht für Spanien nach Abschluss des Anpassungsprogramms

Überwachungsbericht für Zypern nach Abschluss des Anpassungsprogramms

Europäisches Semester 2020: Länderberichte

Frühjahrsprognose 2020: Tiefe und ungleichmäßige Rezession, ungewisse Erholung
Presseinformation der EU-Kommission vom 06.05.2020.

Stabilitäts- und Wachstumspakt

Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten

Europäisches Semester

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland