Fachkräftemangel: EU-Kommission schlägt neuen Talentpool vor © Europäische Union, 2016, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Lieven Creemers

15.11.2023 Brüssel. Die EU-Kommission will Europa für auswärtige Fachkräfte attraktiver machen und die Mobilität innerhalb der EU erleichtern. Dazu hat sie einen neuen EU-Talentpool vorgeschlagen, der Arbeitgeber in der EU mit Arbeitsuchenden aus Drittländern zusammenbringen soll. Die Kommission empfiehlt auch, dass Qualifikationen, die in Drittländern erworben wurden, einfacher anerkannt werden. Dazu kommt die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, die Lernmobilität innerhalb der EU zum integralen Bestandteil aller Bildungswege zu machen, von der Schulbildung und der beruflichen Aus- und Weiterbildung bis zur Hochschul- und Erwachsenenbildung und zum Jugendaustausch. Hintergrund der Vorschläge ist der erhebliche Fachkräftemangel in der EU.

Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas betonte: „Unsere Bemühungen zur Schließung von Arbeitsmarktlücken müssen bei uns selbst ansetzen, mit soliden Maßnahmen zur Unterstützung der heimischen Erwerbsbevölkerung. Die Arbeitsmigration kann jedoch ein wichtiges ergänzendes Mittel sein, um dauerhafte Lücken zu schließen. Der neue EU-Talentpool mischt die Karten neu: die erste EU-weite Plattform, die Arbeitgeber in der EU direkt mit Arbeitsuchenden aller Qualifikationsstufen weltweit zusammenbringt.“

Fachkräftemangel in der EU

In der gesamten EU herrscht Fachkräftemangel in verschiedenen Wirtschaftszweigen und auf unterschiedlichen Qualifikationsstufen. Bei der Bekämpfung des Arbeits- und Fachkräftemangels steht die Maximierung des Potenzials der Erwerbsbevölkerung in den Mitgliedstaaten für die EU an erster Stelle. Doch um etwas gegen die Knappheit in den Mitgliedstaaten zu unternehmen, muss die EU außerdem Kompetenzen und Talente aus aller Welt anziehen.

Die Mitgliedstaaten werden beim globalen Wettlauf um Talente durch folgende Initiativen unterstützt:

  • Der EU-Talentpool – Anwerbung auswärtiger Fachkräfte leicht gemacht

Die Kommission schlägt die Einrichtung eines EU-Talentpools vor, um die Anwerbung von Arbeitsuchenden aus Nicht-EU-Ländern für Mangelberufe EU-weit zu vereinfachen. Diese Maßnahme ist innovativ – die erste EU-Plattform dieser Art – und sie vereinfacht und beschleunigt internationale Einstellungen, indem Arbeitgeber aus einem größeren Reservoir von Kompetenzen und Talenten schöpfen können. Die Teilnahme am EU-Talentpool wird für die Mitgliedstaaten, die das Management der Plattform unterstützen werden, freiwillig sein. Er wird auch Informationen über Einstellungsverfahren und die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der EU bieten und klare Schutzvorkehrungen enthalten, die faire Einstellungs- und Arbeitsbedingungen sicherstellen sollen.

Mit dem EU-Talentpool wird zusätzlich die Umsetzung von Talentpartnerschaften unterstützt. Das sind maßgeschneiderte Partnerschaften mit Nicht-EU-Ländern für die Mobilität zu Arbeits- oder Ausbildungszwecken. Die Gelegenheiten zur legalen Migration müssen mit einer verstärkten Zusammenarbeit bei Rückkehr und Rückübernahme einhergehen, um von irregulärer Migration abzuschrecken.

  • Einfachere und beschleunigte Anerkennung von in Drittländern erworbenen Qualifikationen

Die vereinfachte Anerkennung von Qualifikationen und die leichtere Validierung von Kompetenzen, die in Nicht-EU-Ländern erworben wurden, ist von zentraler Bedeutung für Arbeitgeber auf der Suche nach Fachkräften und für Drittstaatsangehörige, die Zugang zum EU-Arbeitsmarkt suchen und sich in die Aufnahmegesellschaften integrieren möchten.

Die Kommission empfiehlt eine Reihe von Maßnahmen, um die Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen von Drittstaatsangehörigen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Durch die Maßnahmen wird das derzeitige Anerkennungssystem der EU modernisiert und stärker an das System angepasst, das für EU-Bürger/innen eingerichtet wurde, die in einen anderen Mitgliedstaat ziehen. Das Ziel ist, die Kapazitäten der nationalen Anerkennungsbehörden zur Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren durch eine bessere Vergleichbarkeit der Qualifikationen von Drittstaatsangehörigen und verbesserte Methoden zur Bewertung der Kompetenzen Arbeitsuchender auszubauen. So können Anerkennungsentscheidungen schnell und zuverlässig getroffen werden, um freie Stellen in Mangelberufen zu besetzen.

  • Lernmobilität als Chance für alle

Mit der vorgeschlagenen Empfehlung des Rates „Europa in Bewegung – Lernmobilität für alle“ soll die Mobilität in allen Bereichen der allgemeinen und beruflichen Bildung gestärkt werden. Die Mitgliedstaaten werden darin aufgefordert, die Lernmobilität innerhalb der EU zum integralen Bestandteil aller Bildungswege zu machen, von der Schulbildung und der beruflichen Aus- und Weiterbildung – insbesondere der Lehrlingsausbildung – bis zur Hochschul- und Erwachsenenbildung und zum Jugendaustausch. Die Kommission schlägt neue ambitionierte Zielvorgaben bis 2030 vor: eine Steigerung der Mobilitätserfahrung auf mindestens 25 Prozent bei Hochschulabsolvent(inn)en, mindestens 20 Prozent bei Lernenden mit geringeren Chancen und mindestens 15 Prozent bei Auszubildenden. Durch den Vorschlag wird außerdem die Attraktivität der EU als Bildungsdestination für Talente aus Drittländern im Sinne der geopolitischen Dimension des Europäischen Bildungsraums gefördert. Sie baut auf den konkreten Empfehlungen eines Europäischen Bürgerforums zu diesem Thema auf. Der Vorschlag enthält eine Verpflichtung der Kommission zur Überwachung und Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Entwicklung ihrer nationalen Aktionspläne zur konkreten Umsetzung der Ziele.

Nächste Schritte

Das Europäische Parlament und der Rat werden nun über den Kommissionsvorschlag für einen EU-Talentpool verhandeln. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Empfehlung zur Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen von Drittstaatsangehörigen unterstützen und sie auffordern, über nationale Initiativen, Reformen, bewährte Verfahren und Statistiken zu berichten. Die Empfehlung „Europa in Bewegung“ wird dem Rat zur Prüfung und Annahme vorgelegt.

Hintergrund

Die EU sieht sich dauerhaft mit einem Arbeitskräftemangel in verschiedenen Wirtschaftszweigen und auf unterschiedlichen Qualifikationsstufen konfrontiert. Die Arbeitslosenquote ist auch weiterhin niedrig (6,0 Prozent im September 2023), und die Quote der unbesetzten Stellen stieg vergangenes Jahr auf 2,9 Prozent – das ist gegenüber 2012 mehr als das doppelte. Die Herausforderungen für den Arbeitsmarkt werden durch den demografischen Wandel weiter zunehmen. Die EU-Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird bis 2030 auf 258 Millionen zurückgehen, gegenüber 265 Millionen im Jahr 2022. Ohne konzertierte Aktion können diese Tendenzen den grünen und den digitalen Wandel untergraben, die Wettbewerbsfähigkeit der EU dämpfen und öffentliche Dienstleistungen in Bereichen schwächen, die bereits zu wenige Arbeitskräfte haben, wie die Gesundheits- und Langzeitpflege.

Die internationale Stellenvermittlung ist sowohl für Nicht-EU-Bürger/innen als auch für Arbeitgeber kompliziert und kostspielig. Ein erhebliches Hindernis für die Mobilität qualifizierter Fachkräfte ist der Mangel an Verständnis und Vertrauen bei den Arbeitgebern, was Kompetenzen und Qualifikationen anbetrifft, die in Drittländern erworben wurden. Das mindert nicht nur die Attraktivität der EU, es führt auch zu einem „Brain Waste“, einer Bildungsverschwendung – indem Drittstaatsangehörige oft unter ihrem Qualifikationsniveau beschäftigt werden.

Obwohl die Lernmobilität eine ausgesprochen wertvolle Erfahrung ist, durch die Menschen Wissen und Kompetenzen erwerben, die sie für ihren Bildungsweg und ihre persönliche und berufliche Entwicklung sowie ihr bürgerschaftliches Engagement und ihre soziale Inklusion brauchen, ist der Anteil der Europäerinnen und Europäer, die an einer Lernaktivität im Ausland teilnehmen, weiterhin gering.

Das Paket zur Fachkräftemobilität ist eine Folgemaßnahme der Rede zur Lage der Union 2022, in der Präsidentin von der Leyen die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Anerkennung der Qualifikationen von Drittstaatsangehörigen hervorgehoben hat, welche oft ein praktisches Hindernis für die legale Migration bilden. Es baut auf den laufenden Arbeiten am Paket zu Kompetenzen und Talenten und dem neuen Migrations- und Asylpaket auf und leistet einen Beitrag zum laufenden Europäischen Jahr der Kompetenzen, das den Schwerpunkt auf einen strategischen Ansatz zur Bewältigung des Arbeits- und Fachkräftemangels legt.

Links zum Thema:

 Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland