13.08.2018 Brüssel – Am 8. Juni 2017 erzielten 20 EU-Mitgliedstaaten eine politische Einigung über die Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit. Die Verordnung zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft wurde vom Rat (Justiz und Inneres) am 12. Oktober 2017 angenommen und ist am 20. November 2017 in Kraft getreten.

Am 1. August 2018 bestätigte die Kommission die Beteiligung der Niederlande an der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA). In der letzten Woche bestätigte die Kommission Malta als 22. EU-Mitgliedstaat, der sich an der EUStA beteiligt.

Was ist die Europäische Staatsanwaltschaft?

Die Europäische Staatsanwaltschaft wird als unabhängige, dezentrale Strafverfolgungsbehörde der Europäischen Union für Ermittlung, Verfolgung und Anklageerhebung bei Straftaten zum Nachteil des EU-Haushalts wie Betrug, Korruption oder grenzüberschreitendem Mehrwertsteuerbetrug mit einem Schaden von mehr als 10 Mio. EUR zuständig sein.

Die Europäische Staatsanwaltschaft soll als länderübergreifende zentrale Behörde fungieren und europäische und nationale Strafverfolgung in den teilnehmenden Mitgliedstaaten in reibungsloser und effizienter Zusammenarbeit miteinander kombinieren.

Wozu brauchen wir eine Europäische Staatsanwaltschaft?

Zurzeit werden die finanziellen Interessen der EU nicht ausreichend geschützt und gehen den nationalen Haushalten durch grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug erhebliche Mittel verloren.

Erstens sind die bestehenden EU-Stellen – OLAF (Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung), Eurojust (Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen) und Europol (Europäisches Polizeiamt) – nicht befugt, strafrechtliche Ermittlungen durchzuführen oder Betrug zu verfolgen. Das OLAF kann lediglich die Ergebnisse seiner verwaltungsrechtlichen Untersuchungen den zuständigen nationalen Behörden übermitteln, die dann unabhängig entscheiden, ob aufgrund der Feststellungen des OLAF ein Strafverfahren eingeleitet wird.

Zweitens sind die nationalen Strafverfolgungsmaßnahmen über alle Mitgliedstaaten verteilt, die nicht immer die notwendigen Maßnahmen treffen, um Straftaten zum Nachteil des EU-Haushalts zu ahnden. Derzeit führen nur rund 50 % der Empfehlungen zur gerichtlichen Weiterverfolgung, die das OLAF den nationalen Strafverfolgungsbehörden unterbreitet, zu einer Anklage. Zudem ist die Anklagequote in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich.

Drittens geht mit der geringen Zahl der Strafverfolgungsmaßnahmen eine geringe Rückforderungsquote in Bezug auf die durch Betrug verloren gegangenen Gelder einher. Betrüger, die es auf den EU-Haushalt abgesehen haben oder einen komplexen Mehrwertsteuerbetrug organisieren (ein Delikt, durch das den nationalen Haushalten Jahr für Jahr Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von mindestens 50 Mrd. EUR entgehen), wissen, dass sie gute Chancen haben, die Erlöse aus ihren Straftaten behalten zu können, und profitieren somit von dem Fehlen einer kohärenten Strafverfolgungspraxis in der EU.

Wie muss man sich die Europäische Staatsanwaltschaft vorstellen?

Die Europäische Staatsanwaltschaft wird als unabhängige und hoch spezialisierte Strafverfolgungsbehörde fungieren, deren Staatsanwälte koordiniert in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten ermitteln, rasch Informationen austauschen und ihre Kräfte bündeln, eine rasche Einfrierung oder Beschlagnahme von Vermögenswerten veranlassen und gegebenenfalls einen Haftbefehl für Verdächtige beantragen können. Die Grundlage für ihre Arbeit soll eine gemeinsame europaweite Ermittlungs- und Strafverfolgungsstrategie bilden.

Die Europäische Staatsanwaltschaft wird sich auf die Kapazitäten der Mitgliedstaaten stützen und Fachkenntnisse in Bereichen wie Kriminalitätsanalyse, Steuerrecht, Rechnungsprüfung oder IKT bündeln und reibungslose Kommunikationskanäle ohne Sprachbarrieren gewährleisten. Als einheitliche Behörde wird sie reibungslose Arbeitsabläufe sicherstellen und damit gegenüber der zeitaufwendigeren und komplizierteren Ad-hoc-Zusammenarbeit nationaler Behörden die Ermittlungstätigkeit schlagkräftiger machen.

Zudem wird sie aufgrund ihres Blicks für das „große Ganze“ Betrugs- und andere Delikte leichter erkennen und verfolgen können.

Wie wird die Europäische Staatsanwaltschaft aufgebaut sein?

Die Europäische Staatsanwaltschaft wird aus zwei Ebenen bestehen: der zentralen und der nationalen Ebene. Die zentrale Ebene besteht aus dem Europäischen Generalstaatsanwalt, 21 Europäischen Staatsanwälten (einer aus jedem teilnehmenden Mitgliedstaat) – von denen zwei als Stellvertretende Europäische Generalstaatsanwälte fungieren –, einem Verwaltungsdirektor sowie Fachpersonal und -ermittlern. Die nationale Ebene besteht aus in den Mitgliedstaaten ansässigen Delegierten Europäischen Staatsanwälten. Die zentrale Ebene wird die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen auf der nationalen Ebene beaufsichtigen.

Wie werden die Delegierten Europäischen Staatsanwälte arbeiten?

Die Delegierten Europäischen Staatsanwälte sind Teil der Europäischen Staatsanwaltschaft. In der Regel führen die Delegierten Europäischen Staatsanwälte die Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen in ihrem Mitgliedstaat in Zusammenarbeit mit den nationalen Strafverfolgungsbehörden und in Anwendung des nationalen Rechts durch. Ihre Tätigkeit wird von einer zentralen Stelle koordiniert, an deren Spitze der Europäische Generalstaatsanwalt steht, der die Kohärenz und Effizienz der Maßnahmen in den teilnehmenden Mitgliedstaaten gewährleistet.

Durch diese dezentrale Struktur erhält die Europäische Staatsanwaltschaft einen direkten Zugang zum Fachwissen der Mitgliedstaaten, zum Beispiel eine umfassende Kenntnis der mitgliedstaatlichen Justiz, der Landessprache, des Aufbaus der örtlichen Staatsanwaltschaft und der Fallbearbeitungspraxis der örtlichen Gerichte.

Die Delegierten Europäischen Staatsanwälte können weiter ihrer Tätigkeit als nationale Staatsanwälte nachgehen (Doppelfunktion). Wenn sie jedoch im Auftrag der Europäischen Staatsanwaltschaft handeln, sind die Delegierten Staatsanwälte vollständig von ihren nationalen Strafverfolgungsbehörden unabhängig.

Wie werden die Staatsanwälte der Europäischen Staatsanwaltschaft ausgewählt?

Der Europäische Generalstaatsanwalt und die Europäischen Staatsanwälte werden von einem Auswahlausschuss ausgewählt. Zu diesem Zweck hat die Kommission am 31. Juli 2018 einen Durchführungsbeschluss des Rates zur Ernennung der Mitglieder dieses Ausschusses vorgeschlagen. Die wichtigste Aufgabe des Auswahlausschusses wird darin bestehen, eine Auswahlliste der Bewerber für das Amt des Europäischen Generalstaatsanwalts zu erstellen und die Qualifikationen der Bewerber für das Amt eines Europäischen Staatsanwalts vor deren Ernennung durch den Rat zu prüfen.

Der Ausschuss setzt sich aus zwölf Mitgliedern zusammen, die vorher als Mitglieder des Gerichtshofs und des Rechnungshofs, nationale Mitglieder von Eurojust, Mitglieder der höchsten nationalen Gerichte oder hochrangige Staatsanwälte und Juristen gearbeitet haben. Bei der Zusammenstellung des Ausschusses hat die Kommission der Notwendigkeit einer ausgewogenen geografischen Verteilung, eines ausgewogenen Verhältnisses von Frauen und Männern und einer angemessenen Vertretung der Rechtssysteme der sich an der Europäischen Staatsanwaltschaft beteiligenden Mitgliedstaaten Rechnung getragen.

Nach der Annahme dieses Vorschlags wird der Rat den Durchführungsbeschluss des Rates zur Ernennung der Mitglieder des Auswahlausschusses erörtern und erlassen. Der Auswahlausschuss könnte dann voraussichtlich im Oktober 2018 mit seiner Arbeit beginnen. Die Auswahl des Europäischen Generalstaatsanwalts und der Europäischen Staatsanwälte dürfte Ende 2019 abgeschlossen sein.

Auf welcher Rechtsgrundlage arbeitet die Europäische Staatsanwaltschaft?

Der Vertrag von Lissabon legt besonderen Nachdruck auf die Bekämpfung schwerer Finanz- und Wirtschaftsstraftaten mit grenzüberschreitender Dimension. Artikel 86 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) enthält die Rechtsgrundlage und die Vorschriften für die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft:

„Zur Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union kann der Rat gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen ausgehend von Eurojust eine Europäische Staatsanwaltschaft einsetzen.“

In Artikel 86 AEUV ist auch vorgesehen, dass die Europäische Staatsanwaltschaft im Wege einer Verstärkten Zusammenarbeit errichtet werden kann, wenn mindestens neun Mitgliedstaaten dies wünschen.

Die Europäische Staatsanwaltschaft wird für Straftaten zum Nachteil des Unionshaushalts im Sinne der Richtlinie über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug zuständig sein, die am 5. Juli 2017 erlassen wurde.

Was ist eine „Verstärkte Zusammenarbeit“ und ist es sinnvoll, die Europäische Staatsanwaltschaft auf diesem Weg einzuführen?

Bei einer Verstärkten Zusammenarbeit müssen sich mindestens neun Mitgliedstaaten darauf einigen, einen weiteren Integrationsschritt zu vollziehen und in einem bestimmten Bereich enger zusammenzuarbeiten. Dieses Verfahren kam bereits auf den Gebieten des Scheidungsrechts, des Patentrechts und der Güterstände zur Anwendung.

Mit der Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft wollen 22 Mitgliedstaaten ihre Kräfte bündeln und den Schutz der finanziellen Interessen der Union verbessern.

Die Europäische Staatsanwaltschaft wird bei der Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil des EU-Haushalts ein zentraler Akteur sein. Für den Schutz der finanziellen Interessen der EU bedeutet dies einen großen Schritt nach vorn.

Die Mitgliedstaaten, die sich nicht an der Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft beteiligen, können sich später jederzeit anschließen.

Welche Mitgliedstaaten wirken an der Europäischen Staatsanwaltschaft mit?

Am 8. Juni 2017 erzielten 20 Mitgliedstaaten eine generelle Einigung über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit. Die Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit wurde vom Rat (Justiz und Inneres) am 12. Oktober 2017 angenommen und ist am 20. November 2017 in Kraft getreten. Die folgenden Mitgliedstaaten nehmen seit Inkrafttreten der Verordnung teil: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Österreich, Portugal, Rumänien, die Slowakei, Spanien, Slowenien, die Tschechische Republik und Zypern.

Die Niederlande beteiligen sich seit dem 1. August 2018 als 21. Mitgliedstaat an der Europäischen Staatsanwaltschaft. Heute bestätigte die Kommission Malta als 22. Mitgliedstaat, der sich an der Europäischen Staatsanwaltschaft beteiligt.*

Nicht alle Mitgliedstaaten möchten sich derzeit an der Europäischen Staatsanwaltschaft beteiligen. Die übrigen Mitgliedstaaten können sich aber nach Erlass der Verordnung jederzeit anschließen.

Warum sollte Betrug nicht von den einzelnen Mitgliedstaaten selbst bekämpft werden?

Derzeit kann Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union nur von nationalen Behörden strafrechtlich untersucht und verfolgt werden, deren Befugnisse jedoch an der Staatsgrenze enden. Straftaten zum Nachteil des EU-Haushalts sind häufig komplex. Es geht dabei um mehrere Akteure, komplizierte, ausgefeilte Betrugsmuster und unterschiedliche nationale Hoheitsgebiete. Außerdem ist für erfolgreiche Betrugsermittlungen die genaue Kenntnis des einschlägigen rechtlichen und administrativen Rahmens erforderlich.

Eine wirksame Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten wird erschwert durch unterschiedliches Strafrecht, unklare Zuständigkeiten, zeitaufwendige Rechtshilfeverfahren, Sprachprobleme, Mangel an Ressourcen und wechselnde Prioritäten.

Dies kann dazu führen, dass die Bekämpfung von Betrug zum Nachteil des EU-Haushalts auf nationaler Ebene als zeit- und personalaufwendig angesehen wird. Infolgedessen werden Verfahren wegen dieser Art von Betrug möglicherweise gar nicht erst eingeleitet oder aber eingestellt, sobald Schwierigkeiten auftreten. In einigen Fällen könnten nationale Behörden beschließen, nur „ihren“ Teil einer Straftat zu untersuchen und die potenziell viel weiter reichenden Auswirkungen eines Betrugsmusters außer Acht zu lassen.

Was wird sich durch die Europäische Staatsanwaltschaft ändern?

Die Europäische Staatsanwaltschaft wird als zentrale Behörde in den teilnehmenden Mitgliedstaaten fungieren und nicht auf die herkömmlichen Instrumente des EU-Rechts für die Zusammenarbeit nationaler Justizbehörden angewiesen sein.

Sie wird Fachkenntnisse und Erfahrungen bündeln und als zentrale Behörde aller teilnehmenden Mitgliedstaaten fungieren. Sie wird rasch und ohne langwierige Verfahren der justiziellen Zusammenarbeit grenzübergreifend tätig sein können. Sie wird außerdem eine einheitliche Strafverfolgungspolitik ermöglichen und damit der bestehenden unterschiedlichen Praxis ein Ende setzen.

Die Europäische Staatsanwaltschaft wird die derzeitigen Unzulänglichkeiten überwinden und Betrugsdelikte im Zusammenhang mit EU-Mitteln mit einem Schaden von mehr als 10 000 EUR sowie komplexe Fälle grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrugs mit einem Schaden von mehr als 10 Mio. EUR aufgreifen.

Von der Arbeit der Europäischen Staatsanwaltschaft versprechen sich die Beteiligten eine erfolgreichere Strafverfolgung und eine verstärkte Rückforderung der auf betrügerische Weise erlangten Mittel.

Wie wird die Unabhängigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft gewährleistet?

Erstens ist in der Verordnung festgelegt, dass die Mitarbeiter der Europäischen Staatsanwaltschaft im Interesse der Union handeln und Weisungen von außerhalb weder einholen noch entgegennehmen dürfen. Damit ist gewährleistet, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU und die Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft achten und nicht versuchen, sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.

Zweitens ist die Europäische Staatsanwaltschaft strukturell unabhängig, da sie nicht in ein anderes Organ oder eine andere Dienststelle der EU integriert ist.

Drittens wird die Stelle des Europäischen Generalstaatsanwalts offen ausgeschrieben, und seine Ernennung erfolgt durch das Europäische Parlament und den Rat. Ein Ausschuss von ehemaligen Mitgliedern des Gerichtshofs, Mitgliedern der höchsten nationalen Gerichte, Mitgliedern nationaler Strafverfolgungsbehörden und/oder Juristen von anerkannt hervorragender Befähigung wirkt an der Auswahl der Bewerber mit. Die Amtszeit des Europäischen Generalstaatsanwalts ist auf sieben Jahre begrenzt und nicht verlängerbar, womit sichergestellt ist, dass er sich nicht von der Aussicht auf eine erneute Ernennung leiten lässt. Der Europäische Generalstaatsanwalt kann nur auf Antrag des Europäischen Parlaments, des Rates oder der Kommission vom Gerichtshof entlassen werden.

Hinsichtlich der Delegierten Europäischen Staatsanwälte gewährleistet die Verordnung viertens, dass sie bei ihrer Arbeit für die Europäische Staatsanwaltschaft in völliger Unabhängigkeit von den nationalen Strafverfolgungsbehörden handeln.

Welche Verfahrensrechte haben Verdächtige?

Es ist wichtig, die rechtlichen Garantien für den Schutz von Einzelpersonen und Unternehmen im Rahmen von Ermittlungs- oder Strafverfolgungsmaßnahmen in der Europäischen Union zu stärken. Die Verordnung enthält ein solides und umfassendes Paket von Verfahrensgarantien, mit dem gewährleistet wird, dass die Rechte von Verdächtigen und anderen an Verfahren der Europäischen Staatsanwaltschaft Beteiligten sowohl durch die bestehenden EU-Rechtsvorschriften als auch durch die nationalen Verteidigungsrechte geschützt werden.

Die Verordnung gewährleistet, dass der Verdächtige alle Rechte hat, die von den Rechtsvorschriften der EU und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert werden. Diese Rechte sind ausdrücklich aufgeführt und umfassen das Recht auf:

– Dolmetschleistungen und Übersetzung
– Belehrung oder Unterrichtung und Einsicht in die Verfahrensakte Zugang zu Rechtsbeistand und Kommunikation mit Dritten und deren Benachrichtigung im Falle einer Festnahme
– Aussageverweigerung und Unschuldsvermutung
– Prozesskostenhilfe
– Beibringung von Beweismitteln, Benennung von Sachverständigen und Anhörung von Zeugen
– Darüber hinaus verfügt der Verdächtige über die Verteidigungsrechte, die ihm das für das betreffende Verfahren geltende nationale Recht zuerkennt.

Welche Rolle wird Eurojust spielen, sobald die Europäische Staatsanwaltschaft errichtet ist?

In rund 1500 grenzüberschreitenden Fällen pro Jahr erleichtert Eurojust den einzelstaatlichen Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden die Koordinierung und Zusammenarbeit. Es hat dazu beigetragen, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und die Unterschiede in den Rechtssystemen und -traditionen in der EU zu überbrücken. Eurojust ist jedoch nicht befugt, strafrechtliche Ermittlungen durchzuführen oder Betrug zu verfolgen. 2013 hat die Kommission eine Reform von Eurojust vorgeschlagen. Mit ihr sollen die Arbeit der Behörde verbessert und das Kollegium und die Mitglieder aus den Mitgliedstaaten in die Lage versetzt werden, sich auf ihre operativen Aufgaben zu konzentrieren, d. h. die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Justizbehörden bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität zu koordinieren und zu fördern.

Nach der Reform wird Eurojust die Europäische Staatsanwaltschaft bei der Bekämpfung von Betrug zum Nachteil des EU-Haushalts unterstützen. Es wird die Koordinierung der Ermittlungstätigkeit von Europäischer Staatsanwaltschaft und Ermittlungsbehörden der Mitgliedstaaten, die sich nicht an der Europäischen Staatsanwaltschaft beteiligen, unterstützen. Ferner kann Eurojust der Europäischen Staatsanwaltschaft die Unterstützung und die Ressourcen seiner Verwaltung zur Verfügung stellen. Die Einzelheiten dieser Regelung werden in einer Vereinbarung zwischen der Europäischen Staatsanwaltschaft und Eurojust festgelegt.

Welche Rolle wird das OLAF spielen, sobald die Europäische Staatsanwaltschaft errichtet ist?

Das OLAF bleibt für die verwaltungsrechtliche Untersuchung von Unregelmäßigkeiten einschließlich Betrugs zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU und von schwerwiegenden Verfehlungen von EU-Bediensteten zuständig.

Da nicht alle Mitgliedstaaten an der Europäischen Staatsanwaltschaft mitwirken, wird das OLAF seine verwaltungsrechtliche Untersuchungstätigkeit gegenüber den nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten wie bisher fortsetzen.

In den teilnehmenden Mitgliedstaaten müssen die Europäische Staatsanwaltschaft und das OLAF in den Bereichen, für die die Europäische Staatsanwaltschaft zuständig ist, eng zusammenarbeiten, damit sich ihre Tätigkeit ergänzt und nicht überschneidet. Das OLAF wird daher keine verwaltungsrechtlichen Untersuchungen zu Sachverhalten einleiten, zu denen die Europäische Staatsanwaltschaft ermittelt. In diesen Fällen kann die Europäische Staatsanwaltschaft das OLAF ersuchen, sie zu unterstützen oder ihre Tätigkeit zu ergänzen. Führt die Europäische Staatsanwaltschaft keine Ermittlung durch, so behält das OLAF seine Befugnis, eine verwaltungsrechtliche Untersuchung von sich aus und in enger Abstimmung mit der Europäischen Staatsanwaltschaft einzuleiten. Diese kann dem OLAF sachdienliche Informationen bereitstellen, damit es geeignete verwaltungsrechtliche Maßnahmen prüfen kann.

Am 23. Mai 2018 hat die Kommission vorgeschlagen, die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 über die Untersuchungen des OLAF zu ändern, um sicherzustellen, dass das OLAF ein enger und zuverlässiger Partner der Europäischen Staatsanwaltschaft wird und dass es weiterhin verwaltungsrechtliche Untersuchungen durchführt, die die Arbeit der Europäischen Staatsanwaltschaft ergänzen.

Eine enge Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Staatsanwaltschaft und dem OLAF – und die fortgesetzte Tätigkeit des OLAF innerhalb seines Mandats – werden den Schutz der finanziellen Interessen der Union beträchtlich verbessern.

Wird die Europäische Staatsanwaltschaft nun mit eigenen Polizeikräften Menschen verhaften?

Nein. Nur die Behörden der Mitgliedstaaten können im Zusammenhang mit den Straftaten, für die die Europäische Staatsanwaltschaft zuständig ist, Personen festnehmen. Die Delegierten Europäischen Staatsanwälte führen die Ermittlungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen in den teilnehmenden Mitgliedstaaten durch und arbeiten dabei eng mit der Polizei und den übrigen Strafverfolgungsbehörden zusammen. Die Europäische Staatsanwaltschaft kann lediglich die Justizbehörden ersuchen, einen Verdächtigen festzunehmen, wenn sie der Auffassung ist, dass dies für ihre Ermittlungen unbedingt erforderlich ist und das angestrebte Ziel nicht mit weniger eingreifenden Maßnahmen erreicht werden kann. Die Festnahme wird nach einer Prüfung auf der Grundlage des nationalen Rechts von den zuständigen nationalen Justizbehörden genehmigt.

Wo wird die Europäische Staatsanwaltschaft ihren Sitz haben?

Die Europäische Staatsanwaltschaft wird ihren Sitz in Luxemburg haben.

Wann wird die Europäische Staatsanwaltschaft ihre Arbeit aufnehmen?

Nach dem Inkrafttreten der Verordnung zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft am 20. November 2017 ist mit dem Aufbau der Behörde begonnen worden. Es ist geplant, dass die Europäische Staatsanwaltschaft ihre Arbeit nach einer Aufbauphase von drei Jahren Ende 2020 aufnimmt.