09.11.2018 Straßburg – Das Europäische Parlament stimmt am 14. November über einen Vorschlag für ein neues humanitäres Visa-System der EU ab – damit Asylsuchende Europa erreichen können, ohne ihr Leben zu gefährden.

In dem Vorschlag wird die Europäische Kommission aufgefordert, Rechtsvorschriften vorzulegen, nach denen Personen, die internationalen Schutz suchen, bei einer EU-Botschaft oder einem Konsulat ein Visum beantragen können. Erfahren Sie mehr in unserem Interview mit dem Berichterstatter Juan Fernando López Aguilar aus Spanien (S&D).

Können Sie Ihre Vorschläge zur Einführung eines europäischen humanitären Visums erläutern?

Mehr als 90 Prozent derjenigen, die in Europa Asyl beantragen, sind auf irreguläre Weise angekommen. Wir müssen uns fragen, warum? Weil sie keinen legalen Weg in die EU hatten. Unser Vorschlag bedeutet, dass sie künftig ein Recht hätten, angehört zu werden, ohne ihr Leben zu riskieren und sich selbst und ihre Angehörigen dem illegalen Menschenhandel auszusetzen.

Sie würden eine territorial begrenzte Genehmigung erhalten, in einen bestimmten EU-Mitgliedstaat einzureisen, um Asyl zu beantragen. Sie könnten dies bei einem europäischen Konsulat, einer europäischen Botschaft oder bei einer EU-Delegation im Ausland tun. Das wäre eine Lösung für diejenigen, die derzeit einfach keine andere Wahl haben, als sich dem illegalen Menschenhandel auszusetzen. Denken Sie daran, dass in den letzten Jahren im Mittelmeerraum mindestens 30.000 Menschen ihr Leben verloren haben.

Wer würde diese Visa erhalten?

Es gibt eine ganze Reihe von Fällen, zum Beispiel Familien, die einer religiösen Gemeinschaft angehören, die Verfolgung oder systemischer Gewalt ausgesetzt ist. Dies ist der Fall für Christen in Syrien und im Irak, für Nicht-Muslime in Afghanistan, für LGBT-Personen in den meisten muslimischen Ländern oder für ethnische Gemeinschaften, deren Sicherheit gefährdet ist.

Wenn das Parlament diesem Vorschlag zustimmt, was ist der nächste Schritt?

Da es sich um einen Initiativbericht handelt, sprechen wir nicht von einem verbindlichen Gesetz in einem einzigen Schritt. Es ist eine Aufforderung an die Kommission, Rechtsvorschriften zur Behandlung dieser Angelegenheit vorzulegen.

Aktuelle Umfragen zeigen, dass die Migration den Europäern weiterhin Sorgen bereitet. Hat das Parlament noch weitere Vorschläge?

Das erste ist, Fakten von Wahrnehmungen zu trennen. Es gibt die weit verbreitete Auffassung, dass die Migration außer Kontrolle sei, es eine aggressive Invasion in die EU gebe – ein trojanisches Pferd. Es gibt jedoch keine empirischen Beweise, die diese Ansicht stützen. Tatsache ist, dass die Zahl der Ankünfte deutlich zurückgegangen ist.

Wir haben den Auftrag, durch ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem solidarisch zu handeln und Verantwortung zu teilen. Der Rat ist bisher jedoch das fehlende Bindeglied im EU-Entscheidungsprozess. Das Parlament hat sein Bestmöglichstes getan, um Rechtsvorschriften zu verabschieden, einschließlich der Überarbeitung der sogenannten Dublin-Verordnung, die zu einer äußerst ungerechten Verteilung der Zuständigkeiten führt. Wir brauchen ein gemeinsames europäisches System, um die Asylanträge zu bearbeiten, und um die Länder im Mittelmeerraum nicht zu überfordern.

Das Parlament wird über den Vorschlag zur Einrichtung europäischer humanitärer Visa am Dienstag (13. November) diskutieren und am Folgetag darüber abstimmen.

1853 Flüchtlinge und Migranten sind vermutlich in den ersten neun Monaten des Jahres 2018

im Mittelmeer ums Leben gekommen!

Weitere Informationen: