24.07.2019 Brüssel. EU-Staaten und Banken müssen bestehende EU-Vorschriften besser umsetzen, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung effektiv zu bekämpfen. Das zeigt eine heute (Mittwoch) vorgelegte Risikobewertung der Europäischen Kommission. Die Juncker-Kommission hat in der Vierten und der Fünften Geldwäscherichtlinie strikte EU-Vorschriften eingeführt und die Aufsichtsfunktion der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde gestärkt. „Wir verfügen zwar auf EU-Ebene über strenge Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche, müssen aber auch sicherstellen, dass alle Mitgliedstaaten diese Vorschriften auch anwenden. Wir wollen in der EU kein Schlupfloch haben, das Kriminelle ausnutzen könnten,“ erklärte EU-Justizkommissarin Věra Jourová.
Insgesamt hat die Kommission heute vier Berichte veröffentlicht: Der supranationale Risikobewertungsbericht enthält eine aktuelle Analyse der einzelnen Risikobereiche, in denen es zu Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung kommen kann. Er soll die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, Risikobereiche, in denen es zu Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung kommen kann, zu erkennen und anzugehen. In den Berichten zur Bewertung prominenter aktueller Fälle von Geldwäsche im Finanzsektor, über die zentralen Meldestellen und über die Vernetzung der zentralen Bankkontenregister werden die Mängel der derzeitigen Aufsicht und Zusammenarbeit im Bereich der Geldwäschebekämpfung analysiert und Wege zu ihrer Behebung aufgezeigt.
Der Erste Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, sagte: „Wir müssen Straftätern und Terroristen alle Möglichkeiten verwehren, unser Finanzsystem zu missbrauchen und die Sicherheit der Europäerinnen und Europäer zu untergraben. Dabei lassen sich einige sehr konkrete Verbesserungen auf operativer Ebene rasch umsetzen.“
Vizepräsident Valdis Dombrovskis fügte hinzu: „Die heutige Analyse zeigt erneut, dass unsere strikten Geldwäschebekämpfungsvorschriften nicht in allen Banken und allen EU-Mitgliedstaaten in gleichem Maße angewandt werden. Somit beschränkt ein strukturelles Problem die Union in ihrer Fähigkeit, den Missbrauch ihres Finanzsystems für unrechtmäßige Zwecke zu verhindern. Dieses Problem müssen wir angehen und schnellstmöglich lösen.“
Bewertung der Geldwäscherisiken im Binnenmarkt
Dem diesjährigen Bericht zufolge wurden die meisten Empfehlungen aus der ersten supranationalen Risikobewertung von den verschiedenen Akteuren umgesetzt. Allerdings bestehen nach wie vor einige horizontale Schwachstellen, insbesondere in Bezug auf anonyme Produkte, die Ermittlung der wirtschaftlichen Eigentümer und neue nicht regulierte Produkte wie virtuelle Vermögenswerte. Einige davon sollen im Zuge der anstehenden Umsetzung der Fünften Geldwäscherichtlinie beseitigt werden. In dem Bericht wird ferner darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten die Vierte Geldwäscherichtlinie noch nicht vollständig umgesetzt haben. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten daher auf, die Richtlinie vollständig umzusetzen und den Empfehlungen dieses Berichts nachzukommen. Dadurch würden die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden verbessert, die Verpflichteten sensibilisiert und weitere Orientierungshilfen für die Identifizierung wirtschaftlicher Eigentümer gegeben.
Bewertung der jüngsten Geldwäschefälle und diesbezügliche Erkenntnisse
Dieser Bericht analysiert zehn aktuelle, öffentlich bekannt gewordene Fälle von Geldwäsche in EU-Banken. Er zeigt auf,
- dass die betreffenden Banken in mehreren der untersuchten Fälle die Anforderungen zur Bekämpfung der Geldwäsche nicht wirksam und teilweise gar nicht befolgt haben. Ihre internen Mechanismen zur Verhinderung von Geldwäsche waren unzureichend, und im Falle von risikoreichen Geschäftsmodellen passten sie ihre Strategien zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nicht entsprechend an. Ferner wurde festgestellt, dass diese Strategien weder in den Instituten selbst noch auf Gruppenebene koordiniert wurden;
- die Aufsichtsmaßnahmen, die die nationalen Behörden infolge dieser Fälle getroffen haben, in Bezug auf ihre Schnelligkeit und Wirksamkeit sehr uneinheitlich waren. In Bezug auf die Prioritätensetzung, die eingesetzten Ressourcen, das vorhandene Knowhow und die verfügbaren Instrumente waren erhebliche Unterschiede festzustellen. Insbesondere in Bezug auf die Beaufsichtigung von Bankengruppen verließen sich die Aufsichtsbehörden in zu starkem Maße auf die in den Aufnahmemitgliedstaaten geltenden Geldwäschebekämpfungsvorschriften, wodurch die Wirksamkeit von Aufsichtsmaßnahmen auf EU-Ebene in grenzüberschreitenden Fällen beeinträchtigt wurde. Darüber hinaus führte die Aufteilung der Zuständigkeiten zu ineffizienter Zusammenarbeit zwischen den für die Bekämpfung von Geldwäsche zuständigen Behörden, den Aufsichtsbehörden, den zentralen Meldestellen und den Strafverfolgungsbehörden.
Diese Mängel offenbaren strukturelle, bislang nur teilweise angegangene Probleme bei der Umsetzung der EU-Vorschriften. Durch die Fragmentierung der Regulierungs- und Aufsichtsvorschriften in Verbindung mit den unterschiedlichen Aufgaben und Befugnissen der Behörden sowie den vielfältigen letzteren zur Verfügung stehenden Tools entstehen Schwachstellen bei der Umsetzung der EU-Vorschriften. Die Unzulänglichkeiten der Geldwäschebekämpfungsstrategien sowie der Aufsicht treten in grenzüberschreitenden Fällen – sei es zwischen einzelnen Mitgliedstaaten oder bei der Zusammenarbeit mit Drittstaaten – stärker zutage. Zwar haben die Banken und die Aufsichtsbehörden bereits umfangreiche Maßnahmen ergriffen, doch gibt es nach wie vor Handlungsbedarf. Beispielsweise sind eine weitere Angleichung zwischen den Mitgliedstaaten und eine verstärkte Aufsicht erforderlich.
Notwendige Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen (Financial Intelligence Units – FIU)
Die zentralen Meldestellen spielen bei der Ermittlung von Geldwäscherisiken in den einzelnen Ländern eine zentrale Rolle. Dank der von der Kommission eingesetzten FIU-Plattform (eine EU-Expertengruppe) hat sich die Zusammenarbeit in den letzten Jahren erheblich verbessert, doch verbleiben laut der Kommission noch bestimmte Schwachpunkte:
- Datenzugriff der zentralen Meldestellen: Aufgrund von Unterschieden bei ihrer Stellung, ihren Befugnissen und ihrer Organisation sind einige zentrale Meldestelle nicht in der Lage, auf relevante Informationen (Finanz-, Verwaltungs- oder Strafverfolgungsdaten) zuzugreifen oder diese weiterzuleiten.
- Informationsaustausch: Der Austausch zwischen den zentralen Meldestellen ist nach wie vor unzureichend und erfolgt häufig zu langsam.
- IT-Systeme: Die zentralen Meldestellen verfügen mitunter nicht über die geeignete IT-Ausstattung, um Informationen aus dem System FIU.net effizient auslesen oder in das System eingeben zu können.
- eingeschränktes Mandat der FIU-Plattform der EU: Die Plattform kann keine rechtlich bindenden Vorlagen, Leitlinien und Standards ausgeben.
In dem Bericht werden konkrete Änderungen vorgeschlagen, etwa ein neuer Unterstützungsmechanismus, der die Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen in der gesamten EU weiter verbessern würde.
Vernetzung der zentralen Bankkontenregister
Im Bericht über die Vernetzung der zentralen Bankkontenregister wird auf eine Reihe von Punkten hingewiesen, die bei der etwaigen Vernetzung von Bankkontenregistern und Datenabfragesystemen berücksichtigt werden sollten. Die Kommission regt an, dass ein solches System als dezentralisiertes System mit einer gemeinsamen Plattform auf EU-Ebene konzipiert werden könnte. Um die Vernetzung zu verwirklichen, wäre es erforderlich, nach Konsultation der Regierungen der Mitgliedstaaten, der zentralen Meldestellen, der Strafverfolgungsbehörden und der Vermögensabschöpfungsstellen einschlägige Rechtsvorschriften zu erlassen.
Hintergrund
Während des Mandats der Juncker-Kommission hat die EU den Rahmen für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gestärkt, indem sie die Vierte Geldwäscherichtlinie annahm, die bis Juni 2017 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen war. Die Kommission prüft derzeit die Umsetzung der Vierten Geldwäscherichtlinie sowie die ordnungsgemäße Anwendung der Vorschriften durch die Mitgliedstaaten. Die Kommission hat gegen die Mehrzahl der Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, da sie der Auffassung ist, dass die von diesen vorgelegten Mitteilungen keine vollständige Umsetzung der Richtlinie sicherstellen.
Durch die Fünfte Geldwäscherichtlinie sollen die Befugnisse der zentralen Meldestellen verbessert, die Transparenz der Angaben zu den wirtschaftlichen Eigentümern erhöht und virtuelle Währungen sowie Guthabenkarten einer Regulierung unterworfen werden, damit Terrorismusfinanzierung wirkungsvoller verhindert werden kann. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis Januar 2020 in nationales Recht umsetzen.
Infolge mehrerer im Jahr 2018 aufgedeckter Geldwäschefälle hat die Kommission im Mai 2018 mit den Europäischen Aufsichtsbehörden und der Europäischen Zentralbank eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet. Auf der Grundlage der Empfehlungen dieser Arbeitsgruppe hat die Kommission im September 2018 die Mitteilung „Stärkung des Unionsrahmens für die Finanzaufsicht und die Beaufsichtigung der Geldwäschebekämpfung bei Finanzinstituten“ veröffentlicht und neue Vorschriften zur Stärkung der Rolle der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde vorgelegt. Diese mündeten in striktere Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsbestimmungen in den Aufsichtsvorschriften für Banken, die in der im Dezember 2018 verabschiedeten Fünften Eigenkapitalrichtlinie enthalten sind.
Links zum Thema:
Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung: Kommission bewertet Risiken und fordert bessere Umsetzung der einschlägigen Rechtsvorschriften
Presseinformation der EU-Kommission vom 24.07.2019.
Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.