14.02.2019 Brüssel. Keine unbegründeten Kontensperrungen mehr, klare Bedingungen und Vorankündigung von Änderungen, transparentes Ranking und neue Wege zur Streitbeilegung: Das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission haben eine politische Einigung über die allerersten Vorschriften erzielt, die ein faires, transparentes und berechenbares Geschäftsumfeld für kleinere Unternehmen und Händler bei der Nutzung von Online-Plattformen schaffen sollen.

Der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Vizepräsident, Andrus Ansip, erklärte hierzu: „Die heutige Einigung ist ein wichtiger Meilenstein für den digitalen Binnenmarkt, der Vorteile für Millionen europäischer Unternehmen mit sich bringen wird, die beim Kundenkontakt auf digitale Plattformen angewiesen sind. Unser Ziel ist es, einige der besonders unlauteren Praktiken zu verbieten und einen Maßstab für Transparenz zu schaffen. Gleichzeitig wollen wir die großen Vorteile von Online-Plattformen sowohl für die Verbraucher als auch für die Unternehmen wahren.“

Elżbieta Bieńkowska, EU-Kommissarin für den Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU, fügte hinzu: „Unsere neuen Vorschriften sind besonders auf die Millionen von KMU ausgerichtet, die das wirtschaftliche Rückgrat der EU bilden. Viele von ihnen können nicht die Muskeln spielen lassen und eine Auseinandersetzung mit einer großen Plattform führen, aber dank dieser neuen Vorschriften haben sie ein neues Sicherheitsnetz. Sie werden nicht mehr befürchten müssen, einfach nach dem Zufallsprinzip von einer Plattform geworfen oder in den Suchergebnissen herabgestuft zu werden.“

Die neue Verordnung wird sicherstellen, dass Unternehmen wie Hotels, Online-Händler, App-Entwickler und viele andere derartige Unternehmen, die auf Online-Plattformen und Suchmaschinen angewiesen sind, um Internetverkehr auf ihre Websites zu leiten, mehr Rechtssicherheit und Klarheit in Bezug auf ihre Beziehungen zu diesen Plattformen und die Möglichkeiten zur Beilegung potenzieller Streitigkeiten haben.

Als Teil der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt gelten die neuen Vorschriften für die gesamte Online-Plattformwirtschaft – etwa 7000 Online-Plattformen oder -Marktplätze in der EU, viele von ihnen Start-ups – und setzen daher neue Standards auf dem stark wettbewerbsorientierten Online-Markt.

In einer Eurobarometer-Umfrage von 2017 gaben fast die Hälfte (42 Prozent) der kleinen und mittleren Unternehmen in der EU an, dass sie Online-Marktplätze für den Verkauf ihrer Produkte und Dienstleistungen nutzen. Eine Folgenabschätzung der Kommission im Vorfeld ihrer Vorschläge ergab, dass fast 50 Prozent der europäischen Unternehmen, die auf Plattformen tätig sind, auf Probleme stoßen. 38 Prozent der Probleme in den vertraglichen Beziehungen bleiben ungelöst und 26 Prozent können nur mit Schwierigkeiten behoben werden. In der Folge gehen bei den Verkäufen unmittelbar schätzungsweise 1,27 bis 2,35 Milliarden Euro verloren.

Kleine Unternehmen werden unmittelbar von folgenden Vorteilen profitieren:

  • Keine plötzlichen, unbegründeten Kontensperrungen. Nach den neuen Vorschriften können digitale Plattformen ein Verkäuferkonto nicht mehr ohne triftigen Grund und Einspruchsmöglichkeiten sperren. Außerdem muss die Plattform das Verkäuferkonto wieder freischalten, wenn die Sperrung irrtümlich erfolgt ist.
  • Klare und verständliche Bedingungen und Vorankündigung von Änderungen. Die Geschäftsbedingungen müssen leicht verfügbar und in klarer und verständlicher Sprache abgefasst sein. Wenn diese Bedingungen geändert werden, muss dies mindestens 15 Tage vorab angekündigt werden, damit die Unternehmen ihre Geschäftspraktiken an diese Änderungen anpassen können. Erfordern diese eine komplexe Anpassung, verlängern sich die Kündigungsfristen.
  • Transparentes Ranking. Marktplätze und Suchmaschinen müssen die wichtigsten Parameter offenlegen, die sie für das Ranking von Waren und Dienstleistungen auf ihrer Website verwenden, damit die Verkäufer wissen, wie sie ihre Präsenz optimieren können. Ferner wird für die Verbraucher klar ersichtlich sein, wenn für angezeigte Suchergebnisse bezahlt wurde. Die Vorschriften sollen den Verkäufern helfen und die Manipulation des Rankingsystems vermeiden.
  • Neue Wege zur Streitbeilegung. Heutzutage stehen die Verkäufer oft allein da und haben keine Möglichkeit, Einspruch zu erheben oder Beschwerden zu klären, wenn Probleme auftreten. Dies wird sich durch die neuen Vorschriften ändern.
  • Alle Plattformen müssen ein internes System zur Bearbeitung von Beschwerden einrichten, um gewerbliche Nutzer zu unterstützen. Von dieser Verpflichtung ausgenommen sind nur kleinste Plattformen nach Mitarbeiterzahl bzw. Umsatz.
  • Die Plattformen werden den Unternehmen mehr Möglichkeiten bieten müssen, potenzielle Probleme mithilfe spezialisierter Mediatoren zu lösen. Dies wird dazu beitragen, mehr Probleme außergerichtlich zu lösen, und somit Unternehmen Zeit und Geld sparen.
  • Schließlich gibt es eine neue Möglichkeit gemeinsam vorzugehen, und zwar über Organisationen und Verbände, die die Interessen gewerblicher Nutzer vertreten und vor den zuständigen nationalen Gerichten in ihrem Namen tätig werden.

Nächste Schritte

Die neuen Vorschriften werden 12 Monate nach ihrer Annahme und Veröffentlichung in Kraft treten und innerhalb von 3 Jahren überprüft werden. So wird sichergestellt, dass sie mit dem sich rasch entwickelnden Markt Schritt halten. Die EU hat außerdem eine spezielle Beobachtungsstelle für Online-Plattformen eingerichtet‚ um die Entwicklung des Marktes und die wirksame Umsetzung der Vorschriften zu überwachen.

Hintergrund

Plattformen bieten zahlreiche Möglichkeiten für einen schnellen und effizienten Zugang zu internationalen Verbrauchermärkten. Aus diesem Grund sind sie für Millionen erfolgreicher Unternehmen unverzichtbar geworden. Allerdings führen bestimmte strukturelle Probleme zu unfairen Handelspraktiken zwischen Unternehmen, die beim Kundenkontakt auf Online-Plattformen angewiesen sind, und untergraben das Innovationspotenzial der Plattformen.

In der Mitteilung der Kommission über Online-Plattformen vom Mai 2016 wurden bestimmte Bereiche genannt, in denen weitere Anstrengungen erforderlich sind, um für ein auf Vertrauen beruhendes, rechtmäßiges und innovationsorientiertes Ökosystem in der EU zu sorgen. Daraufhin legte die Kommission im April 2018 einen Vorschlag für eine EU-Verordnung über Fairness und Transparenz beim Handel auf Online-Plattformen sowie für die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für die Online-Plattformwirtschaft vor. In dieser Initiative findet die in der Rede von Präsident Juncker zur Lage der Union 2017 gemachte Zusage zur Gewährleistung eines fairen, vorhersehbaren, tragfähigen und vertrauenswürdigen Geschäftsumfelds für die Online-Wirtschaft ihren Ausdruck.

Die neuen Vorschriften stützen sich auf eine Folgenabschätzung‚ in die Daten und Standpunkte von Interessenträgern eingeflossen sind, die während einer zweijährigen Bestandsaufnahme zusammengetragen wurden.

Links zum Thema:

Faktenblatt: Online-Plattformen – neue Vorschriften zur Verbesserung von Transparenz und Fairness

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.