Kommission will Kapitalmärkte in den Dienst des Wiederaufbaus stellen © Europäische Union, 2020, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Claudio Centonze

24.07.2020 Brüssel. Die Europäische Kommission hat heute (Freitag) Maßnahmen für die Erholung der Kapitalmärkte verabschiedet – ein Teil ihrer umfassenden Strategie zur Bewältigung der COVID-19-Krise. In dem Paket sind gezielte Änderungen der Kapitalmarktvorschriften vorgesehen, die Investitionen in die Wirtschaft ankurbeln, eine rasche Rekapitalisierung von Unternehmen ermöglichen und die Fähigkeit der Banken zur Finanzierung der Erholung erhöhen werden. Ferner hat die Kommission Maßnahmen mit Blick auf Risiken durch die absehbare Einstellung des Referenzzinssatzes LIBOR getroffen.

Am 28. April hatte die Kommission bereits ein Bankenpaket vorgeschlagen, um die Kreditvergabe von Banken an Haushalte und Unternehmen in der gesamten EU zu erleichtern.

Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen, sagte: „Wir bemühen uns weiterhin, den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen in der EU während der Coronakrise und der anschließenden Erholungsphase zu helfen. Eine Möglichkeit, die Unternehmen zu unterstützen, besteht darin, die Kapitalbeschaffung auf öffentlichen Märkten für sie zu erleichtern. Dank der heute vorgestellten gezielten Änderungen wird es für unsere Unternehmen einfacher, die erforderliche Finanzierung zu erhalten und in unsere Wirtschaft zu investieren. Die Kapitalmärkte sind für den Aufschwung von entscheidender Bedeutung, da die öffentliche Finanzierung allein nicht ausreichen wird, um unsere Volkswirtschaften wieder auf Kurs zu bringen. Im September werden wir einen umfassenderen Aktionsplan für die Kapitalmarktunion vorlegen.“

Das Paket enthält gezielte Anpassungen der Prospektverordnung‚ der MiFID II (2. Finanzmarktrichtlinie) und der Verbriefungsvorschriften. Alle Änderungen stehen im Mittelpunkt des Projekts der Kapitalmarktunion‚ das auf eine bessere Integration der nationalen Kapitalmärkte und die Gewährleistung eines gleichberechtigten Zugangs zu Investitionen und Finanzierungsmöglichkeiten in der gesamten EU abzielt.

Gezielte Änderungen der Prospektregelung – der EU-Prospekt für den Wiederaufbau: Leicht zu erstellen – leicht zu lesen – leicht zu prüfen

Ein Prospekt ist ein Dokument, das Unternehmen ihren Anlegern vorlegen müssen, wenn sie Aktien oder Anleihen begeben. Die Kommission schlägt heute vor, einen „EU-Wiederaufbauprospekt“ zu schaffen – eine Art Kurzprospekt für Unternehmen, die auf dem öffentlichen Markt einschlägige Erfahrung vorweisen können. Dieser temporäre Prospekt wäre für Unternehmen leicht zu erstellen, für Anleger leicht zu lesen und für die zuständigen nationalen Behörden leicht zu prüfen. Somit würden Prospekte nicht Hunderte von Seiten umfassen, sondern lediglich 30 Seiten lang sein. Dies würde Unternehmen dabei helfen, Kapital – z.B. in Form von Aktien – zu beschaffen, anstatt sich weiter zu verschulden. Ein zweites Paket gezielter Änderungen der Prospektverordnung zielt darauf ab, Banken, die eine wesentliche Rolle bei der Finanzierung der Erholung der Realwirtschaft spielen, die Mittelbeschaffung zu erleichtern.

Gezielte Änderungen der MiFID-II-Anforderungen an europäische Unternehmen

Die Kommission schlägt heute vor, mit einigen gezielten Änderungen an den Anforderungen der MiFID II den Verwaltungsaufwand für erfahrene Anleger im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehungen mit anderen Unternehmen teils zu verringern. Weniger erfahrene Anleger (wie Haushalte, die ihre Ersparnisse für den Ruhestand investieren) bleiben genauso geschützt wie zuvor. Diese Änderungen beziehen sich auf eine Reihe von Anforderungen, bei denen bereits im Rahmen der öffentlichen Konsultation zur MiFID und zur Finanzmarktverordnung (MiFIR) festgestellt wurde, dass sie viel zu aufwendig sind oder die Entwicklung der europäischen Märkte behindern. Angesichts der derzeitigen Krise ist es wichtiger denn je, unnötige Belastungen zu verringern und Chancen für neu entstehende Märkte zu schaffen. Die Kommission schlägt daher vor, durch die Neuausrichtung der Anforderungen für ein hohes Maß an Transparenz gegenüber den Kunden und zugleich für die höchsten Schutzstandards und akzeptable Befolgungskosten für europäische Unternehmen zu sorgen. Parallel dazu hat die Kommission heute eine öffentliche Konsultation zu Änderungen an der delegierten Richtlinie zu MiFID II eingeleitet, damit für kleine und mittelgroße Emittenten sowie für den Bereich Anleihen mehr Analysen verfügbar werden. Insbesondere für KMU müssen Finanzanalysen ausreichend verfügbar sein, damit sie gut sichtbar und für neue Investoren attraktiv sind. Der heutige Vorschlag betrifft auch eine Änderung der MiFID-Vorschriften, die sich auf die Märkte für Energiederivate auswirken. Dies soll die Entwicklung der auf Euro lautenden Energiemärkte unterstützen, die für die internationale Rolle des Euro von Bedeutung sind. Ferner soll es europäischen Unternehmen ermöglichen, ihre Risiken abzusichern, während gleichzeitig die Integrität der Rohstoffmärkte, insbesondere für landwirtschaftliche Erzeugnisse, gewahrt bleibt.

Gezielte Änderungen der Verbriefungsvorschriften

Die Kommission schlägt heute ein Maßnahmenpaket zur Änderung der Verbriefungsverordnung und der Verordnung über Aufsichtsanforderungen vor. Verbriefungen sind ein Instrument, mit dem Banken Darlehen bündeln, in Wertpapiere umwandeln und an den Kapitalmärkten verkaufen können. Ziel dieser Änderungen ist es, die Nutzung von Verbriefungen für den Aufbau Europas zu erleichtern, indem die Banken in die Lage versetzt werden, ihre Kreditvergabe auszuweiten und notleidende Risikopositionen aus ihren Bilanzen zu entfernen. Es ist sinnvoll, den Banken die Möglichkeit zu geben, einen Teil des Risikos von Darlehen an KMU (kleine und mittlere Unternehmen) auf die Märkte zu übertragen, um weiterhin Kredite an KMU vergeben können. Insbesondere regt die Kommission an, einen spezifischen Rahmen für einfache, transparente und standardisierte bilanzielle Verbriefungen zu schaffen, die in den Genuss einer aufsichtlichen Behandlung kommen würden, die dem tatsächlichen Risiko dieser Instrumente Rechnung trägt. Darüber hinaus schlägt die Kommission vor, bestehende regulatorische Hindernisse für die Verbriefung notleidender Risikopositionen zu beseitigen. Dies kann Banken dabei helfen, notleidende Risikopositionen, deren Umfang aufgrund der Coronavirus-Krise voraussichtlich zunehmen wird, abzustoßen. Die heute vorgestellten Änderungen beruhen auf umfangreichen Arbeiten und Analysen, die die Europäische Bankenaufsichtsbehörde in den Jahren 2019 und 2020 durchgeführt hat.

Links zum Thema:

Link zum heute beschlossenen Paket

Fragen und Antworten

Finanzstabilität: Kommission ergreift Maßnahmen gegen Risiken im Zusammenhang mit LIBOR-Einstellung
Presseinformation der EU-Kommission vom 24.07.2020.

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.