25.07.2018 Brüssel/Straßburg – Plastikmüll wird in den Weltmeeren ein immer drängenderes Problem. Um dagegen vorzugehen und Kunststoffabfälle aus der Nahrungskette herauszuhalten, will die EU-Kommission die Menge bestimmter Einwegprodukte verringern. Wo es bereits „erschwingliche Alternativen“ gibt, will die Kommission Einweg-Plastikprodukte vom Markt nehmen.

„Diese Kommission hat versprochen, sich ambitioniert den großen Fragen zu widmen und den Rest den Mitgliedstaaten zu überlassen. Plastikmüll ist zweifellos ein großes Problem, und die Europäer müssen mit vereinten Kräften dagegen vorgehen, denn der Plastikmüll landet letztlich in unserer Luft, unseren Böden, unseren Ozeanen und unserem Essen“, sagte der für nachhaltige Entwicklung zuständige Erste EU –
Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans.

Die Kommission will die Suche nach Alternativen zum Einwegplastik unterstützen, etwa durch 100 Mio. Euro zusätzliche Forschungsmittel bis 2020. Außerdem sollen einheitliche EU -Vorschriften Unternehmen Anreize bieten, umweltfreundliche Ausweichmöglichkeiten zu entwickeln und sie im ganzen Binnenmarkt zu verkaufen. Und darüber hinaus. „Dies ist eine Chance für Europa, eine Vorreiterrolle zu übernehmen, indem wir neue Produkte auf den Markt bringen, nach denen die Nachfrage in der Welt in den nächsten Jahrzehnten groß sein wird, und indem wir unsere wertvollen und begrenzten Ressourcen wirtschaftlich sinnvoller nutzen“, sagte der für Wettbewerbsfähigkeit zuständige EU -Kommissionsvizepräsident Jyrki Katainen.

Das deutsche Umweltbundesamt (UBA) begrüßte diesen Ansatz. „Jede Plastikgabel, die am Strand endet, ist eine zuviel“, sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. Einwegprodukte würden für extrem kurze Zeit genutzt, belasteten die Umwelt aber sehr lange, oft für Jahrzehnte oder noch länger.

Verbote allein seien aber nicht ausreichend. „Wiederverwertbare Produkte sollten immer erste Wahl sein, deshalb brauchen wir gute Anreize, um sie zu fördern.“ Das UBA begrüßte deshalb besonders den Kommissionsvorschlag, dass die Mitgliedstaaten über verfügbare Alternativen
informieren sollen.

So gebe es heute bereits Wattestäbchen aus Papier, auch Papier- oder Holzeinwegteller seien verfügbar. Für Plastiktrinkhalme gebe es Alternativen aus Glas, Metall oder Grießmehl. Für alle Produkte müsse aber immer individuell untersucht werden, welches unter Berücksichtigung aller Faktoren die umweltfreundlichste Variante sei. Die Kommission will auf dem Erfolg der 2014 überarbeiteten Verpackungsrichtlinie aufbauen, durch die die EU -Staaten verpflichtet wurden, den Verbrauch bestimmter dünner Plastiktüten von durchschnittlich 200 pro Person und Jahr ab 2020 auf 90 und ab 2026 auf 40 zu senken.

Seit die Vorschriften in Kraft seien, habe sich die Zahl dieser Tüten halbiert, sagte Katainen. 72 Prozent der Europäer haben in einer Eurobarometer-Umfrage angegeben, weniger Plastiktüten zu verwenden, seit die Regeln in Kraft sind. Durch eine im Januar vorgeschlagene weitere Überarbeitung der Richtlinie will die Kommission zudem erreichen, dass alle in der EU vermarkteten Plastikverpackungen bis 2030 in kosteneffizienter Weise wiederverwendet oder recycelt werden können.

Hersteller an den Kosten beteiligen

Der aktuelle Richtlinienvorschlag zielt laut Kommission auf die zehn Einwegkunststoffprodukte, die am häufigsten an Europas Stränden und in den Meeren gefunden werden. Sie machen den Angaben zufolge 43 Prozent des Plastikmülls im Meer aus. 27 weitere Prozent entfallen auf Netze und andere entsorgte oder verlorene Fischfangausrüstung.

Der Vorschlag betrifft Wattestäbchen, Besteck, Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen und Luftballonstäbe aus Kunststoff. Aus Plastik hergestellte Einweggetränkebehälter werden noch zugelassen, wenn Deckel und Verschlüsse an ihnen befestigt sind. Hersteller bestimmter Kunststoffprodukte sollen künftig für den Aufbau von Müllsammelsystemen, die Säuberung der Umwelt und die Sensibilisierung von Verbrauchern für das Müllproblem zahlen. Das soll für Behälter, Tüten und Folienverpackungen für Lebensmittel – etwa Chips und Süßigkeiten – gelten, für Getränkeflaschen und -becher, für Tabakerzeugnisse mit Kunststofffiltern, Feuchttücher oder Luftballons.

Die Hersteller kunststoffhaltiger Fischfanggeräte sollen die Kosten für das Einsammeln der Abfälle aus Sammelbehältern in den Häfen tragen, sowie für den Transport und die Aufbereitung. Ebenso für die Sensibilisierung von Fischern. Diese selbst sowie kleine, handwerkliche Hersteller von Netzen sollen sich an den Kosten nicht beteiligen müssen. Sammelquote von 90 Prozent angestrebt Bei Einweg-Plastikflaschen sollen die Mitgliedstaaten bis 2025 eine Sammelquote von 90 Prozent erreichen, etwa durch Pfandsysteme.

Insgesamt müssen sie sechs Jahre nach Umsetzung der geplanten Richtlinie nationale Ziele für die Verminderung von Einwegkunststoffprodukten festlegen und zum Beispiel deren kostenlose Abgabe stoppen oder sich für die Verbreitung alternativer Produkte einsetzen. Die neuen Regeln, die der Zustimmung von Mitgliedstaaten und Europaparlament bedürfen, würden Kosten mit sich bringen, doch sei der ökologische und wirtschaftliche Nutzen deutlich höher, so die Kommission.

Zur Aufklärung der Verbraucher sind Kampagnen vorgesehen. Ferner soll auf Produkten wie z.B. Feuchttüchern oder Luftballons künftig stehen, dass sie Kunststoff enthalten und wie sie zu entsorgen sind. „Viel hängt vom Verhalten der Bevölkerung ab“, sagte Timmermans.

Abgabe auf Plastikmüll

Anfang Mai hat die EU -Kommission vorgeschlagen, künftig eine Abgabe von 0,80 Euro pro Kilogramm nicht wiederverwerteten Plastikmülls zu erheben. Diese soll direkt in den EU -Haushalt fließen, als Teil der so genannten „EU -Eigenmittel“. Die Mitgliedstaaten müssten dann geringere Beiträge zum Gemeinschaftshaushalt zahlen. Der Plan ist Teil des Vorschlags für den künftigen mehrjährigen EU -Finanzrahmen (MFR), über den Mitgliedstaaten und Europäisches Parlament zu entscheiden haben.