13.09.2018 Straßburg – Juncker forderte, dass die EU auf der internationalen Bühne Einigkeit demonstriert, ihre demokratischen Werte verteidigt und sich von dem wie ein Gift wirkendem Nationalismus abwendet.

„Ja, wir sind ‚global payer‘, aber wir müssen auch ‚global player‘ sein”, so EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Union 2018. “Die Bündnisse von gestern könnten unter Umständen nicht mehr die Bündnisse von morgen sein”, fuhr Juncker fort, der weitere Vorschläge ankündigte, die Verteidigungsunion zu stärken, den Schutz der EU-Außengrenzen zu verbessern und den Euro als internationale Währung aufzuwerten. „Es ergibt keinen Sinn, dass wir in Europa unsere Energieimporte zu 80 Prozent in US-Dollar bezahlen. Schließlich stammen nur rund zwei Prozent unserer Öleinfuhren aus den USA“, fügte er hinzu.

Juncker hob den Unterschied zwischen einem aufgeklärten Patriotismus einerseits und einem kranken Nationalismus andererseits hervor. „Artikel 7 muss dort, wo die Medienfreiheit und der Rechtsstaat in Gefahr sind, Anwendung finden“, so Juncker. “Ohne freie Presse keine Demokratie […] Gerichtsurteile zu respektieren ist keine Option, sondern Pflicht.” Europa müsse seine Demokratie vor internationalen und privaten Interessen schützen.

Der Präsident des EP, Antonio Tajani, dazu: „Das Europäische Parlament ist mehr denn je bestrebt, das Herzstück der Demokratie zu bilden. Wir müssen dem Europäischen Parlament ein Initiativrecht einräumen. In der Tat sind wir das einzige Parlament weltweit ohne Initiativrecht.“

„Im Hinblick auf Afrika sind die Maßnahmen der EU ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings benötigen wir mehr Mittel: mindestens 50 Milliarden Euro, um Afrikanerinnen und Afrikanern Chancen in ihrer Heimat bieten zu können und der Migration Einhalt zu gebieten“, fügte er hinzu.

Manfred WEBER (EPP,DE): Neben Errungenschaften wie einem stabilen Wachstum in der EU, einer begrenzten Migration oder einem vereinten Europa im Angesicht des Brexit wünscht sich Weber auch einen neuen „fairen Deal“ für Europa: Es könne erst von einem geeinten Europa gesprochen werden, wenn es nicht länger Unterschiede zwischen den Lebensstandards gebe. Darüber hinaus forderte Weber einen schnelleren Entscheidungsfindungsprozess durch eine höhere Zahl von Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit im Rat: Europa sei eine Wirtschaftsmacht, müsse aber auch eine politische Großmacht werden.

Udo BULLMANN (S&D, DE) würdigte Junckers „politische“ Führung der Kommission, bewertete dessen Leistung jedoch im Gegensatz zu Weber weniger positiv. „Wir befinden uns immer noch in einer Übergangsphase, in einer Krise.“ Er forderte einen neuen Pakt für Mitteleuropa mit den Schwerpunktthemen sichere Energie und Zusammenhalt sowie einen neuen Masterplan für den Süden, in dem der Fokus auf der Beschäftigung junger Menschen liegt. Doch auch der Norden müsse im Auge behalten werden, so Udo Bullmann mit Blick auf den Brexit und die Wahl in Schweden.

Ryszard Antoni LEGUTKO (EKR, PL) begrüßte Junckers Investitionsplan, die EU-Migrationspolitik sei jedoch gescheitert. „Die eigentliche Frage ist, ob die EU zum gegenwärtigen Zeitpunkt in einer besseren Verfassung sei als noch vor vier Jahren, als Sie Ihr Amt angetreten haben, und die Antwort lautet Nein“, so Legutko unter Verweis auf die Unterschiede zwischen dem Osten und dem Westen einerseits und dem Süden und dem Norden andererseits.

Guy VERHOFSTADT (ALDE, BE) zufolge ist die eigentliche Frage die, ob das Erbe der amtierenden Kommission in die Praxis umgesetzt werden könne. Er rief alle proeuropäisch gesinnten Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich gegen die alternative Rechte und autoritäre Strömungen zusammenzuschließen, und forderte die Kommission auf, Maßnahmen vorzuschlagen, um zu verhindern, dass die Europawahl aus dem Ausland manipuliert werde.

Ska KELLER (Grüne/EFA, DE) stellte fest, dass die EU und ihre Bürgerinnen und Bürger stark sein können, sofern sie sich nicht selbst schwächen. Beim Klimawandel – ihres Erachtens die größte Herausforderung unserer Zeit – agiere die Kommission zu verhalten. So griffen etwa ihr Vorschlag für das langfristige EU-Budget und ihre Reform der EU-Landwirtschaftspolitik zu kurz.

Gabriele ZIMMER (GUE/NGL, DE) bedauerte, dass in vielen EU-Ländern nach der Finanzkrise immer noch kein angemessenes Wohlstandsniveau erreicht worden sei und die Menschen nicht vom Wachstum profitierten, sowie dass der Abbau der Arbeitnehmerrechte weitergehe. Es gebe zu viel „Krisenmanagement zum Nachteil der Ärmsten.“

Nigel FARAGE (EFDD, UK) sagte, Junckers Rede sei eine Forderung nach mehr Machtkonzentration. Der Kommissionspräsident ignoriere die „populistische Revolte“ in vielen Mitgliedsstaaten. Farage ermutigte die Kommission, sich um ein „Kanada-plus“-Freihandelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich zu bemühen.

Nicolas BAY (ENF, FR) bezeichnete das Handeln der Kommission in Bezug auf Polen, Ungarn und das Vereinigte Königreich als „undurchsichtig, antidemokratisch und strafend“. Er erläuterte die Ablehnung seiner Fraktion gegen internationale Freihandelsabkommen.