06.05.2021 Brüssel. Nach dem US-Vorstoß zur möglichen Aufhebung von Impfstoffpatenten hat sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen offen für Gespräche gezeigt. Gleichzeitig rief sie USA und alle anderen Impfstoffherstellerländer auf, Exporte zuzulassen. „Europa ist die einzige demokratische Region weltweit, die in großem Maßstab Impfstoff exportiert. Die Europäische Union ist zudem bereit, jeden Vorschlag zur wirksamen und pragmatischen Bewältigung der Krise zu diskutieren. Deshalb wollen wir erörtern, wie der Vorschlag der USA für eine Ausnahmeregelung zum Schutz des geistigen Eigentums für Corona-Impfstoffe dazu beitragen könnte, dieses Ziel zu erreichen“, sagte von der Leyen heute (Donnerstag). „Kurzfristig appellieren wir jedoch an alle Impfstoffherstellerländer, Exporte zuzulassen und von Maßnahmen abzusehen, die Lieferketten unterbrechen.“
Europa erreiche seine Ziele, ohne sich von der Welt abzuschotten, betonte die Kommissionspräsidentin. „Während andere ihre Impfstoffproduktion für sich behalten, ist Europa der weltweit größte Exporteur von Impfstoffen. Bislang wurden mehr als 200 Millionen Impfdosen, die in Europa hergestellt wurden, in den Rest der Welt geliefert. Europa exportiert genauso viel Impfstoff, wie es innerhalb seiner Grenzen verimpft“, sagte von der Leyen am Donnerstagmorgen in einer online übertragenen Rede auf der Konferenz zur Lage der Union des European University Institute in Florenz.
Heute seien die enormen Vorteile gemeinsamen europäischen Handelns für alle sichtbar. „Unser europäisches Impfprogramm ist ein Erfolg. Am Ende zählen nämlich weder die reißerischen Schlagzeilen in bestimmten Nicht-EU-Ländern noch die mithilfe von Sozialen Medien betriebene sogenannte Impfdiplomatie. Am Ende zählt, dass Tag für Tag mehr Menschen geimpft werden – bei uns und weltweit“, sagte von der Leyen.
200 Millionen Impfstoffdosen EU-weit ausgeliefert: Impfkampagnen in EU und USA nähern sich an
„Bislang wurden EU-weit rund 200 Millionen Impfstoffdosen ausgeliefert, 200 Millionen. Diese Impfstoffe reichen aus, um über die Hälfte unserer erwachsenen Bevölkerung mindestens einmal zu impfen. Weder China noch Russland schaffen das auch nur annähernd“, sagte die Kommissionspräsidentin.
Von kleinen Krankenhäusern bis hin zu großen Impfzentren laufe die Kampagne EU-weit. „Mittlerweile impfen wir über drei Millionen Menschen täglich. Und die Fortschritte in Europa werden von Tag zu Tag größer“, so von der Leyen. „Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir unser Ziel erreichen werden – dass wir ausreichend Impfdosen verabreichen, damit bereits im Juli 70 Prozent der Erwachsenen in Europa geimpft sind. Die USA haben ein ähnliches Ziel. Und das zeigt, wie sehr unsere Impfkampagnen sich bislang einander angenähert haben. Manche mögen nun einwenden: Länder wie die USA und das Vereinigte Königreich waren am Anfang schneller. Dabei muss man allerdings eines bedenken: Europa erreicht seine Ziele, ohne sich von der Welt abzuschotten.“
Die EU beliefere über 90 Länder, COVAX mitgerechnet. „Lieferungen gehen an unsere engen Verbündeten wie Kanada und das Vereinigte Königreich. Unsere britischen Freunde haben bisher insgesamt 28 Millionen Dosen von uns erhalten. Auch Japan erhielt 72 Millionen Dosen. Und weitere zig Millionen gingen an unsere Freunde in Singapur, Mexiko oder Kolumbien – um nur einige zu nennen. Europa ist zur Apotheke für die gesamte Welt geworden. Offenheit und Fairness sind weltweit unser Gütezeichen. Und darauf sind wir stolz.“
„Wir sind nicht geschützt, solange nicht alle geimpft sind“
„All dies war nicht selbstverständlich, insbesondere nicht zu Beginn dieser Krise. Sie wissen, dass manche sich für Alleingänge entschieden haben. Andere haben versucht, aus einer schwierigen Situation geopolitisches Kapital zu schlagen. Das war nie mein Ansatz. Ein Virus, das sich in Indien oder Afrika, Brasilien oder Russland ausbreitet, ist ein ernsthaftes Risiko für uns alle. Es ist der Nährboden für Fluchtvarianten. Und wir wissen, dass wir nicht geschützt sind, solange nicht alle geimpft sind“, sagte von der Leyen.
„Das gilt natürlich auch für unsere Zukunftsplanung. Denn wir müssen uns bereits jetzt auf die nächste Phase dieser Pandemie einstellen. Wie wir gesehen haben, sind für ein erfolgreiches Gegensteuern in der Pandemie Vorsorge und Schnelligkeit zentrale Elemente. Wir brauchen Auffrischungsimpfungen, um die Immunität zu stärken und zu verlängern. Wir müssen Kinder und Jugendliche beizeiten impfen. Und wir müssen möglicherweise Impfstoffe anpassen und neue Impfstoffe entwickeln, wenn Fluchtvarianten auftauchen — für Europa und für die gesamte Welt. Und hierzu brauchen wir mehr Produktionskapazitäten – und zwar hier, in Europa.
Neuer Vertrag mit BioNTech-Pfizer soll der EU 1,8 Milliarden Impfstoffdosen sichern
Deshalb freue ich mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir kurz vor der Unterzeichnung eines neuen Vertrags mit BioNTech-Pfizer stehen. Zwischen Jahresende und 2023 rechnen wir mit 1,8 Milliarden Impfstoffdosen. Und weitere Verträge werden folgen. Das zeigt klar, dass unsere Investitionen sich lohnen – dass es sich auszahlt, dass wir von Anfang auf die die vielversprechende, aber völlig neue Technologie — mRNA — und den Erfindergeist von Forschenden wie Uğur Şahin und Özlem Türeci gesetzt haben.
mRNA-Impfstoffe sind mittlerweile das Rückgrat unserer Impfkampagne. Und das Herzstück der europäischen Vorsorgestrategie. Das ist unsere Lebensversicherung angesichts einer möglichen nächsten Corona-Welle. Und ich möchte dem Virus stets einen Schritt voraus sein.
G20-Gesundheitsgipfel in Rom: „Die Welt braucht einen Neuanfang in der Gesundheitspolitik“
Und so muss auch die ganze Welt einen Schritt voraus sein. Deshalb habe ich einen G20-Weltgesundheitsgipfel vorgeschlagen. Gemeinsam mit Ministerpräsident Draghi werde ich diesen Gipfel noch in diesem Monat in Rom ausrichten. Denn wir müssen jetzt von den Ad-hoc-Lösungen dieses Jahres zu einem nachhaltigen System übergehen. Einem System, das für die ganze Welt tauglich ist. Viren machen bekanntlich nicht an den Grenzen halt.
In Rom wollen wir Formen der internationalen Zusammenarbeit in Gesundheitskrisen erörtern. Mit NGOs, Stiftungen und der Zivilgesellschaft. Das sind neue Bündnisse für bessere Lösungen. Ja, ich weiß, Vorsorge kostet Geld. Tatenlosigkeit aber kommt uns deutlich teurer zu stehen. Die Welt braucht einen Neuanfang in der Gesundheitspolitik.“
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Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.