Von der Leyen nach dem Europäischen Rat: „Niemand kann einen Keil zwischen uns treiben“ © Europäische Union, 2020, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Etienne Ansotte

02.10.2020 Brüssel. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich bei ihrer Sondertagung in Brüssel auf eine gemeinsame Linie in den Beziehungen zur Türkei, zu China und auf Sanktionen gegen Verantwortliche für staatliche Gewalt in Belarus verständigt. „Was die Türkei betrifft, bekräftigen wir nachdrücklich die Solidarität mit Griechenland und Zypern. Und es ist ganz klar, dass niemand einen Keil zwischen uns treiben kann“, sagte Kommissionspräsidentin von der Leyen in der Nacht zum Freitag. Sie sei sehr froh, dass der Weg nun frei ist für Sanktionen gegen jene, die für das harte Vorgehen gegen Demonstranten und Oppositionspolitiker in Belarus verantwortlich sind. Die Kommission wird nun einen umfassenden Plan zur wirtschaftlichen Unterstützung eines demokratischen Belarus ausarbeiten. Heute (Freitag) sprach der Europäische Rat über den Binnenmarkt, die Industriepolitik und den digitalen Wandel.

Die EU hat ein strategisches Interesse an einem stabilen und sicheren Umfeld im östlichen Mittelmeerraum und an der Entwicklung einer kooperativen und für beide Seiten nutzbringenden Beziehung zur Türkei. „Alle Streitigkeiten müssen durch einen friedlichen Dialog und im Einklang mit dem Völkerrecht beigelegt werden“, heißt es in der Abschlusserklärung des Europäischen Rates zu den Außenbeziehungen, die in der Nacht zum Freitag verabschiedet wurde. Die EU begrüßt die jüngsten vertrauensbildenden Schritte Griechenlands und der Türkei. Zugleich verurteilte der Europäische Rat entschieden die Verstöße gegen die Hoheitsrechte der Republik Zypern.

Beziehungen EU-Türkei

„Unter der Voraussetzung, dass die konstruktiven Bemühungen zur Beendigung der illegalen Aktivitäten gegenüber Griechenland und Zypern fortgesetzt werden, ist der Europäische Rat übereingekommen, eine positive politische EU-Türkei-Agenda auf den Weg zu bringen, bei der besonderes Augenmerk auf der Modernisierung der Zollunion und auf Handelserleichterungen, auf Kontakten zwischen den Menschen, auf Dialogen auf hoher Ebene und auf einer fortgesetzten Zusammenarbeit bei Migrationsfragen liegt, im Einklang mit der Erklärung EU-Türkei von 2016. Der Europäische Rat ersucht seinen Präsidenten, in Zusammenarbeit mit der Präsidentin der Kommission und mit Unterstützung des Hohen Vertreters einen Vorschlag zur Neubelebung der EU-Türkei-Agenda in diesem Sinne auszuarbeiten“, heißt es weiter in der Schlusserklärung.

China

Nach der Videokonferenz der EU-Spitzen mit Präsident Xi Jinping vom 14. September bekräftigte der Europäische Rat das Ziel, bis zum Jahresende die Verhandlungen über ein ehrgeiziges umfassendes Investitionsabkommen zwischen der EU und China abzuschließen, das die gegenwärtigen Asymmetrien beim Marktzugang behandelt, einen Beitrag zu gleichen Wettbewerbsbedingungen leistet und aussagekräftige Verpflichtungen in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung enthält. Ferner fordert er China auf, bereits eingegangenen Verpflichtungen zur Beseitigung von Marktzugangshindernissen nachzukommen, Fortschritte bei Überkapazitäten zu erzielen und im Rahmen der Welthandelsorganisation Verhandlungen über Industriesubventionen aufzunehmen.

Der Europäische Rat ermutigt China, mehr Verantwortung bei der Bewältigung globaler Herausforderungen zu übernehmen. Dazu gehören insbesondere ehrgeizigere Maßnahmen zum Schutz des Klimas – im Einklang mit den Zielen des Übereinkommens von Paris – und der Artenvielfalt sowie die Unterstützung multilateraler Antworten auf die COVID-19-Pandemie, vor allem in Bezug auf Therapien und Impfstoffe, die unabhängige Überprüfung der internationalen gesundheitspolitischen Reaktion sowie Schuldenerlasse als notwendige Voraussetzung für die Erholung von der Pandemie, insbesondere in Afrika. Der Europäische Rat begrüßt die im Anschluss an die Videokonferenz der Führungsspitzen abgegebene Erklärung von Präsident Xi Jinping, dass China danach streben wird, vor 2060 CO₂-Neutralität zu erreichen, als wichtigen Schritt in die richtige Richtung.

Der Europäische Rat bekräftigt seine große Besorgnis über die Menschenrechtslage in China – einschließlich der Entwicklungen in Hongkong und des Umgangs mit Menschen, die Minderheiten angehören –, die er auf dem Gipfeltreffen EU-China im Juni und bei der Videokonferenz der Führungsspitzen vom 14. September zum Ausdruck gebracht hat.

Der Europäische Rat bestätigt das politische Konzept für die Beziehungen zwischen der EU und China, das in der Gemeinsamen Mitteilung der Kommission und der Hohen Vertreterin mit dem Titel „EU-China – Strategische Perspektiven“ vom März 2019 dargelegt ist, und fordert weitere kohärente Anstrengungen zu seiner Umsetzung. Er ersucht die Kommission und den Hohen Vertreter, bis März 2021 einen Fortschrittsbericht vorzulegen.

Belarus

Der Europäische Rat verurteilt die inakzeptable Gewalt der belarussischen Behörden gegen friedliche Demonstranten sowie die Einschüchterungen, willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen nach den Präsidentschaftswahlen, deren Ergebnisse er nicht anerkennt. Der Europäische Rat unterstützt uneingeschränkt das demokratische Recht der belarussischen Bevölkerung, ihren Präsidenten in freien und fairen Neuwahlen ohne Einmischung von außen zu wählen. Der Europäische Rat fordert die belarussischen Behörden auf, Gewalt und Repression zu beenden, alle Inhaftierten und politischen Gefangenen freizulassen, die Freiheit der Medien und die Zivilgesellschaft zu achten und einen inklusiven nationalen Dialog einzuleiten. Er ist sich einig, dass restriktive Maßnahmen verhängt werden sollten, und fordert den Rat auf, den entsprechenden Beschluss umgehend anzunehmen. Zudem ermutigt der Europäische Rat die Europäische Kommission, einen umfassenden Plan zur wirtschaftlichen Unterstützung eines demokratischen Belarus auszuarbeiten.

Bergkarabach-Konflikt

Der Europäische Rat ruft dazu auf, die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen, und fordert die Parteien nachdrücklich auf, sich wieder zu einem dauerhaften Waffenstillstand und zur friedlichen Beilegung des Konflikts zu verpflichten. Der Europäische Rat bringt seine Unterstützung für die Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe der OSZE zum Ausdruck und ersucht den Hohen Vertreter auszuloten, wie der Konfliktbeilegungsprozess durch die EU weiter unterstützt werden kann.

Die Europäische Kommission kündigt die Bereitstellung humanitärer Soforthilfe für die gesamte vom Konflikt betroffene Zivilbevölkerung auf beiden Seiten der Kontaktlinie an. Mit den Mitteln werden mehrere tausend Menschen mit medizinischer Unterstützung, medizinischer Ausrüstung, Lebensmittelpaketen und anderen dringenden Hilfsgütern versorgt.

Alexej Nawalny

Der Europäische Rat verurteilt den Mordversuch an Alexej Nawalny durch Vergiftung mit einem chemischen Nervenkampfstoff der „Nowitschok“-Gruppe. Der Einsatz chemischer Waffen stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht dar. Der Europäische Rat ruft die Russische Föderation auf, uneingeschränkt mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) zusammenzuarbeiten, um eine unparteiische internationale Untersuchung zu gewährleisten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Europäische Rat wird sich am 15./16. Oktober 2020 erneut mit diesem Thema befassen.

Links zum Thema:

Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zu den Außenbeziehungen, 1. Oktober 2020

Sondertagung des Europäischen Rates, 1./2. Oktober 2020

Einleitende Bemerkungen von Präsidentin von der Leyen auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Präsident Michel im Anschluss an die außerordentliche Tagung des Europäischen Rates vom 1. Oktober 2020

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.