Winterprognose 2021: Ein fordernder Winter, aber Licht am Ende des Tunnels © Europäische Union, 2020, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Xavier Lejeune

11.02.2021 Brüssel. Die Coronavirus-Pandemie hat Europa weiterhin im Griff. Erneut steigende Fallzahlen und neue, ansteckendere Virus-Varianten haben viele Mitgliedstaaten zu erneuten oder schärferen Eindämmungsmaßnahmen gezwungen. Derweil gibt der EU-weite Start der Impfkampagnen Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Laut der Donnerstag (11. Februar) vorgelegten Winterprognose 2021 der Europäischen Kommission dürfte die Wirtschaft im Euroraum 2021 und 2022 um jeweils 3,8 Prozent wachsen, in Deutschland in diesem Jahr um 3,2 Prozent und 2022 um 3,1 Prozent. Sowohl im Euroraum als auch in der EU dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion ihr Vorkrisenniveau früher wieder erreichen, als in der Herbstprognose 2020 erwartet worden war, vor allem weil in der zweiten Jahreshälfte 2021 und im Jahr 2022 nun eine stärkere Wachstumsdynamik prognostiziert wird.

Für die EU-Wirtschaft wird 2021 ein Wachstum von 3,7 Prozent und 2022 ein Wachstum von 3,9 Prozent prognostiziert. Nach einem kräftigen Zuwachs im dritten Quartal 2020 war die Konjunktur im vierten Quartal abermals rückläufig, da die zweite Welle der Pandemie neue Einschränkungen mit sich brachte. Da diese noch fortbestehen, dürfte die Wirtschaft der EU und des Euroraums im ersten Quartal 2021 schrumpfen. Im Frühjahr dürfte dann wieder ein Wachstum einsetzen, das im Sommer in dem Maße Fahrt aufnehmen wird, wie die Impfkampagnen voranschreiten und die Einschränkungen allmählich gelockert werden. Auch ein verbesserter Ausblick für die Weltwirtschaft dürfte der Konjunktur Auftrieb geben.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind in den Mitgliedstaaten nach wie vor unterschiedlich, und auch bei der Erholung dürften erhebliche Tempounterschiede zu verzeichnen sein.

Inflationsausblick weiter gedämpft

Der Prognose zufolge wird die Inflation im Euroraum von 0,3 Prozent im Jahr 2020 auf 1,4 Prozent im Jahr 2021 anziehen, bevor sie sich im Jahr 2022 leicht auf 1,3 Prozent abschwächt. Gegenüber der Herbstprognose wurde die Inflationserwartung für den Euroraum und die EU damit für 2021 leicht hochgeschraubt, bleibt insgesamt aber weiterhin niedrig. Da sich die Erholung verzögert, dürfte der von der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ausgehende Preisdruck gering bleiben. Für eine vorübergehend höhere Teuerung sorgen 2021 positive Basiseffekte beim Energiepreisanstieg, steuerliche Anpassungen – vor allem in Deutschland – und die Auswirkungen des Nachfragerückstaus, der mit einigen noch verbleibenden Angebotsengpässen zusammentrifft. Im Jahr 2022, wenn sich das Angebot anpasst und die Basiseffekte verebben, dürfte die Inflation dann wieder nachlassen.

Weiterhin hohe Unsicherheit und erhebliche Risiken

Die Risiken, mit denen die Prognose behaftet ist, sind mittlerweile ausgewogener als noch im Herbst, bleiben allerdings hoch. Sie hängen vor allem mit der weiteren Entwicklung der Pandemie und dem Erfolg der Impfkampagnen zusammen.

Aufwärtsrisiken ergeben sich aus der Möglichkeit, dass Impffortschritte unerwartet schnelle Lockerungen und damit eine frühere und kraftvollere Erholung ermöglichen könnten. Auch NextGenerationEU – das EU-Aufbauinstrument mit der Aufbau- und Resilienzfazilität im Mittelpunkt – könnte für ein stärkeres Wachstum sorgen als erwartet, da die in Aussicht stehenden Finanzmittel bei der vorliegenden Prognose größtenteils noch nicht berücksichtigt sind.

Die Abwärtsrisiken bestehen darin, dass sich die Pandemie auf kurze Sicht als hartnäckiger bzw. schwerwiegender herausstellen könnte als in dieser Prognose angenommen, oder dass es bei den Impfkampagnen zu Verzögerungen kommen könnte. In diesem Fall wären Lockerungen möglicherweise erst später möglich, was sich wiederum auf Zeitpunkt und Stärke der erwarteten Erholung niederschlagen würde. Außerdem besteht das Risiko, dass die Krise im wirtschaftlichen und sozialen Gefüge der EU tiefere Narben hinterlassen könnte, insbesondere wenn es verbreitet zu Insolvenzen und Arbeitsplatzverlusten kommt. Dies würde auch den Finanzsektor treffen, die Langzeitarbeitslosigkeit erhöhen und Ungleichheiten verschärfen.

Äußerungen von Mitgliedern der Kommission:

Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident für eine Wirtschaft im Dienste der Menschen, erklärte: „In diesen für uns alle sehr unsicheren Zeiten gibt die heutige Prognose echte Hoffnung. Die erwartete solide Wachstumsbelebung in der zweiten Hälfte dieses Jahres zeigt ganz klar, dass wir in dieser Krise bald über den Berg sind. Eine kraftvolle europäische Antwort wird von zentraler Bedeutung sein, um Themen wie Arbeitsplatzverluste, einen geschwächten Unternehmenssektor und wachsende Ungleichheiten anzupacken. Es liegt noch viel Arbeit vor uns, um die weiterreichenden sozioökonomischen Auswirkungen einzudämmen. Unterstützt durch Impffortschritte und die Aussicht auf einen weltweiten Nachfrageaufschwung wird unser Aufbaupaket ganz entscheidend dazu beitragen, der wirtschaftlichen Erholung Auftrieb zu geben.“

Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte: „Den Europäerinnen und Europäern wird in diesen Zeiten viel abverlangt. Die Pandemie hat uns weiterhin schmerzhaft im Griff. Ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen sind unübersehbar. Aber endlich sehen wir Licht am Ende des Tunnels. Wenn in den kommenden Monaten immer mehr Menschen geimpft werden, dürfte die Erholung mit den Lockerungen im Frühjahr und im Sommer Fahrt aufnehmen. Die EU-Wirtschaft dürfte ihr Vorkrisenniveau beim BIP im Jahr 2022 wieder erreichen und damit früher als zuvor erwartet – auch wenn der Produktionseinbruch von 2020 nicht überall in der Union so schnell oder im selben Tempo wiedergutgemacht werden dürfte. Diese Prognose ist mit vielfachen Risiken behaftet, beispielsweise mit Blick auf neue Virusvarianten von Covid-19 und das weltweite Infektionsgeschehen. Auf der anderen Seite dürfte NextGenerationEU den am härtesten getroffenen Volkswirtschaften in den kommenden Jahren einen kräftigen Schub verleihen, was bei den heutigen Projektionen noch nicht berücksichtigt ist.“

Hintergrund

Mit der Winterprognose 2021 wird die Herbstprognose 2020 vom November 2020 zur BIP- und Inflationsentwicklung in allen EU-Mitgliedstaaten auf den neuesten Stand gebracht.

Die Prognose basiert auf einer Reihe technischer Annahmen für Wechselkurse, Zinssätze und Rohstoffpreise mit Stichtag 28. Januar 2021. Bei allen anderen herangezogenen Daten, auch den Annahmen zu staatlichen Maßnahmen, wurden Informationen bis einschließlich 2. Februar berücksichtigt. Den Projektionen liegt die Annahme einer unveränderten Politik zugrunde, es sei denn, es wurden glaubwürdig konkrete politische Maßnahmen angekündigt.

Die Prognose hängt insbesondere an zwei entscheidenden technischen Annahmen zur Pandemie. Erstens wird davon ausgegangen, dass die im vierten Quartal 2020 erheblich verschärften Beschränkungen im ersten Quartal 2021 noch streng bleiben. Die Prognose beruht auf der Annahme, dass es gegen Ende des zweiten Quartals zu ersten Öffnungsmaßnahmen und in der zweiten Jahreshälfte dann zu spürbareren Lockerungen kommen wird, wenn die am stärksten gefährdeten Personengruppen und ein wachsender Anteil der Erwachsenenbevölkerung geimpft sein dürften. Zweitens wird angenommen, dass die Beschränkungen gegen Jahresende 2021 gering bleiben und 2022 nur noch gezielte Maßnahmen in einzelnen Sektoren gelten werden.

Im Einklang mit der üblichen Annahme einer unveränderten Politik wird im Hinblick auf NextGenerationEU bzw. die Aufbau- und Resilienzfazilität bei der vorliegenden Prognose genauso verfahren wie bei der Herbstprognose. Bei der Prognose werden nur Maßnahmen berücksichtigt, die entweder bereits beschlossen wurden oder die – insbesondere in den nationalen Haushaltsplänen – glaubwürdig angekündigt und hinreichend konkretisiert wurden. Das heißt in der Praxis, dass Maßnahmen, die aus der Aufbau- und Resilienzfazilität finanziert werden sollen, nur zum Teil und nur bei einigen wenigen Mitgliedstaaten in die Wirtschaftsprojektionen eingeflossen sind.

Die Prognose trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die EU und das Vereinigte Königreich ein Handels- und Kooperationsabkommen geschlossen haben, das seit dem 1. Januar 2021 vorläufig Anwendung findet und ein Freihandelsabkommen beinhaltet.

Als nächste Prognose wird die Europäische Kommission im Mai 2021 ihre Frühjahrsprognose 2021 vorlegen.

Links zum Thema:

Die Prognose in voller Länge: Winterprognose 2021

Vizepräsident Dombrovskis auf Twitter: @VDombrovskis

Kommissar Gentiloni auf Twitter: @PaoloGentiloni

Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen auf Twitter: @ecfin

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.