Neue Leitlinien für Regionalbeihilfen gelten ab 2022 © Europäische Union, 2018, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Mauro Bottaro

19.04.2021 Brüssel. Die Europäische Kommission hat überarbeitete EU-Leitlinien für Regionalbeihilfen („Regionalbeihilfeleitlinien“) angenommen, die regeln, wie die Mitgliedstaaten – unter Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen in der EU – Unternehmen Beihilfen gewähren können, um die wirtschaftliche Entwicklung benachteiligter Gebiete zu fördern. Die überarbeiteten Leitlinien treten am 1. Januar 2022 in Kraft. Die Regionalbeihilfeleitlinien sind die ersten Beihilfevorschriften, die nach der Bekanntgabe des europäischen Grünen Deals sowie der Industriestrategie und der Digitalstrategie der EU überarbeitet werden.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager erklärte dazu: „Die heute angenommenen neuen Regionalbeihilfeleitlinien ermöglichen es den Mitgliedstaaten, den Aufholprozess der am stärksten benachteiligten Gebiete in der Europäischen Union zu unterstützen und die Ungleichheiten in Bezug auf das wirtschaftliche Wohlergehen, die Einkommen und die Arbeitslosigkeit zu verringern. Diese Kohäsionsziele sind ein zentrales Anliegen unserer Union. Zudem haben wir mehr Möglichkeiten zur Unterstützung von Gebieten geschaffen, die einen Übergang oder strukturelle Herausforderungen wie einen Bevölkerungsrückgang bewältigen müssen. Auf diese Weise leisten wir einen Beitrag zum ökologischen und zum digitalen Wandel und stellen zudem gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten sicher.“

Regionalbeihilfen sind ein wichtiges Instrument der Mitgliedstaaten zur Stärkung der regionalen Entwicklung. Die Kommission hat die überarbeiteten Regionalbeihilfeleitlinien nach einer 2019 durchgeführten Evaluierung der derzeit geltenden Vorschriften und einer umfassenden Konsultation aller Interessenträger angenommen. Zum Entwurf der Leitlinien konnten u. a. die Mitgliedstaaten, regionale und lokale Gebietskörperschaften, Unternehmensverbände, Interessengruppen, einzelne Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger Stellung nehmen.

Die überarbeiteten Regionalbeihilfeleitlinien enthalten einige gezielte Anpassungen zur Vereinfachung der Vorschriften und Nutzung der Erkenntnisse aus der Anwendung der früheren Regeln. Außerdem sollen die neuen politischen Prioritäten berücksichtigt werden, die im europäischen Grünen Deal, der Industriestrategie und der Digitalstrategie der EU dargelegt sind. Die wichtigsten Punkte der überarbeiteten Leitlinien sind:

  • Der Gesamtanteil der Bevölkerung in Fördergebieten wurde von 47 Prozent auf 48 Prozent der EU‑Bevölkerung angehoben und die Liste der A-Fördergebiete und der prädefinierten C-Fördergebiete wurde auf der Grundlage der neuesten verfügbaren Eurostat-Daten zum BIP (2016-2018) und zur Arbeitslosigkeit (2017-2019) aktualisiert. Die Kriterien für die Ausweisung von Fördergebieten haben sich im vorherigen Zeitraum als zweckmäßig erwiesen und wurden deshalb unverändert beibehalten. Gleichzeitig werden die Mitgliedstaaten über eine größere Flexibilität bei der Zuweisung sogenannter nicht prädefinierter C-Fördergebiete in den Fördergebietskarten verfügen: Zusätzlich zu den bereits geltenden Kriterien hat die Kommission eine Vereinfachung eingeführt, damit die Mitgliedstaaten Gebiete eines gerechten Übergangs, die der Übergang vor besondere Herausforderungen stellt, ohne größeren Aufwand als nicht prädefinierte C-Fördergebiete ausweisen können.
  • Die Beihilfehöchstintensitäten wurden angehoben, um die Ziele des europäischen Grünen Deals und der Digitalstrategie durch Schaffung zusätzlicher Anreize für Investitionen in den benachteiligten Gebieten der EU zu unterstützen. Zudem sehen die Leitlinien einige Aufschläge auf die Beihilfeintensität vor: i) für Gebiete in äußerster Randlage, ii) für Grenzgebiete, iii) für Gebiete eines gerechten Übergangs in den am stärksten benachteiligten Gebieten und iv) für Gebiete mit Bevölkerungsrückgang. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erhalten weiterhin Beihilfen mit höherer Beihilfehöchstintensität als große Unternehmen.
  • Die Fördergebietskarten gelten für den Zeitraum 2022-2027 und werden 2023 einer Halbzeitüberprüfung anhand aktueller Statistiken unterzogen. Auf diese Weise soll den jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen Rechnung getragen und den Gebieten ermöglicht werden, rasch die Krise zu überwinden.
  • Die Struktur der Leitlinien wurde vereinfacht. Einige Definitionen und Begriffe wurden präzisiert, und zur Berücksichtigung des europäischen Grünen Deals sowie der Industriestrategie und der Digitalstrategie der EU wurden einige gezielte Änderungen vorgenommen. So wurden beispielsweise der sektorale Anwendungsbereich der Leitlinien und die Kriterien für die Abwägung der positiven Auswirkungen der Beihilfe gegen ihre negativen Auswirkungen auf Wettbewerb und Handel aktualisiert. Bei der Abwägungsprüfung können nun auch andere positive und negative Auswirkungen wie ein wesentlicher Beitrag zum ökologischen oder zum digitalen Wandel oder einige diesbezügliche negative Auswirkungen zum Tragen kommen.

Gleichzeitig werden in den Regionalbeihilfeleitlinien solide Schutzmechanismen beibehalten, um die Mitgliedstaaten daran zu hindern, öffentliche Mittel für die Verlagerung von Arbeitsplätzen von einem Mitgliedstaat in einen anderen einzusetzen. Dies muss unbedingt verhindert werden, um den fairen Wettbewerb im Binnenmarkt zu wahren.

Da die überarbeiteten Regionalbeihilfeleitlinien am 1. Januar 2022 in Kraft treten, bleibt den Mitgliedstaaten genügend Zeit für die Vorbereitung ihrer Fördergebietskarten. Die Mitgliedstaaten können nun ihre künftigen Fördergebietskarten bei der Kommission zur Genehmigung anmelden, die Einzelbeschlüsse zu den einzelnen Fördergebietskarten erlassen wird.

Hintergrund

In Europa bestehen schon immer erhebliche regionale Ungleichheiten, was das wirtschaftliche Wohlergehen, die Einkommen und die Arbeitslosigkeit anbelangt. Die Regionalbeihilfeleitlinien sollen die wirtschaftliche Entwicklung von benachteiligten Gebieten in Europa voranbringen und gleiche Wettbewerbsbedingungen in den Mitgliedstaaten wahren.

In den Regionalbeihilfeleitlinien sind die Voraussetzungen, unter denen Regionalbeihilfen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können, sowie die Kriterien festgelegt, anhand deren festgestellt werden kann, ob ein Gebiet die Voraussetzungen des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe a oder c des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfüllt (und somit ein A- oder C-Fördergebiet ist). In den Anhängen der Leitlinien sind die am stärksten benachteiligten Gebiete, die A-Fördergebiete, d.h. die Gebiete in äußerster Randlage und die Gebiete, deren Pro-Kopf-BIP nicht mehr als 75 Prozent des EU-Durchschnitts beträgt, sowie die prädefinierten C-Fördergebiete, d.h. ehemalige A-Fördergebiete und Gebiete mit geringer Bevölkerungsdichte, aufgeführt.

Nun können die Mitgliedstaaten anhand bestimmter Kriterien die sogenannten nicht prädefinierten C-Fördergebiete ausweisen, bis ihr (in Anhang I oder II der Leitlinien festgelegter) maximaler Anteil der Bevölkerung in nicht prädefinierten C-Fördergebieten ausgeschöpft ist. Die Mitgliedstaaten müssen den Vorschlag für ihre Fördergebietskarte bei der Kommission zur Genehmigung anmelden.

Daher enthalten die Regionalbeihilfeleitlinien auch Vorschriften, nach denen die Mitgliedstaaten Fördergebietskarten aufstellen können, um die Gebiete auszuweisen, in denen Unternehmen Regionalbeihilfen erhalten können (die sogenannten Fördergebiete), und um festzulegen, in welcher Höhe (Intensität) diese Beihilfen gewährt werden dürfen.

Die Evaluierung der Regionalbeihilfeleitlinien wurde im Januar 2019 im Rahmen der laufenden Überprüfung der Beihilfevorschriften durch die Kommission eingeleitet, bei der festgestellt werden soll, ob diese Vorschriften den sich wandelnden Marktbedingungen gerecht werden. Die Überprüfung erfolgte im Rahmen einer „Eignungsprüfung, mit der die Kommission feststellen will, ob die 2012 angenommen Rechtsvorschriften zur Modernisierung des EU-Beihilferechts noch zweckmäßig sind. Zu diesem Zweck stellte die Kommission interne Analysen an, führte öffentliche Konsultationen durch und nutzte in einigen Fällen Studien externer Berater oder gezielte Konsultationen bestimmter Interessenträger.

Am 30. Oktober 2020 veröffentlichte die Kommission eine Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, in der die Ergebnisse der Evaluierung zusammengefasst sind. Die Evaluierung ergab, dass das System der Beihilfenkontrolle und die Beihilfevorschriften insgesamt ihren Zweck erfüllen. Bei einigen Vorschriften wie den Regionalbeihilfeleitlinien sind jedoch Anpassungen erforderlich, unter anderem um dem europäischen Grünen Deal, der Industriestrategie der EU und ihrer Digitalstrategie Rechnung zu tragen.

Da die Beihilfevorschriften für den Übergang zu einer grünen Wirtschaft im Einklang mit der Mitteilung der Kommission über den europäischen Grünen Deal eine wichtige Rolle spielen, kündigte die Kommission an, die Überarbeitung der relevanten Beihilfeleitlinien auf Ende 2021 vorzuziehen. Dies gilt für die Regionalbeihilfeleitlinien, die IPCEI-Mitteilung, den FuEuI-Rahmen, die Risikofinanzierungsleitlinien, die Umweltschutz- und Energiebeihilfeleitlinien und die einschlägigen Bestimmungen der AGVO. Die anderen Vorschriften, die Gegenstand der Eignungsprüfung waren, sollen mittelfristig überarbeitet werden.

 Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.