Osigus zur Rede von der Leyens: „Die EU muss schneller werden“ Ministerin Wiebke Osigus © MB/ Spata

Europaministerin fordert von nächster Kommission Reformen und mehr Beweglichkeit

Niedersachsens Europaministerin Wiebke Osigus hat zentrale Punkte der Rede zur Lage der Union von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gelobt, gleichzeitig aber auch mehr Mut bei Entscheidungen gefordert. „Die Ziele der Kommission sind ambitioniert. Doch in der Umsetzung brauchen wir von Brüssel mehr Tempo“, mahnte Osigus in Hannover. So seien die Ankündigungen unter anderem zur Gleichstellung von Frauen, zum Bürokratieabbau, dem Ausbau der Windkraft und zum Dialog mit der Landwirtschaft begrüßenswert. In vielen Themen dränge die Zeit. „Die EU muss schneller werden“, sagte die Ministerin. „Wir brauchen Verschlankung und Beschleunigung, also in manchen Bereichen ein Mehr und anderswo ein Weniger“, sagte Osigus: „Mehr Tempo bei der Transformation der Wirtschaft, mehr Beteiligung, mehr soziale Sicherheit, mehr Planbarkeit und mehr Gemeinsamkeiten in zentralen Politikbereichen. Und weniger Bürokratie und weniger Schwerfälligkeit. Es ist gut, dass die Kommissionspräsidentin eine deutliche Reduzierung der Berichtspflichten angekündigt hat. Doch hier muss sich die Kommission an den Taten messen lassen.“

Von der Leyen hatte heute in Straßburg in ihrer Rede zur Lage der Union unter anderem Schritte zum Bürokratieabbau angekündigt. Es war die wohl letzte Rede von der Leyens als Chefin dieser EU-Kommission. Im kommenden Juni wird ein neues EU-Parlament gewählt, damit geht auch die Zeit dieser Kommission zu Ende. Die aktuelle EU-Kommission habe vieles vorangebracht, betonte Osigus: Doch die Herausforderungen der EU seien heute drängender als 2019. „In bewegten Zeiten brauchen wir auch eine bewegliche EU“, sagte die Ministerin. Auf das nächste Europäische Parlament und die nächste EU-Kommission komme viel Arbeit zu. Osigus skizzierte dies anhand einiger zentraler Punkte der Rede:

Gemeinsame Werte verteidigen

„Frau von der Leyen lobt zu Recht die gemeinsame Antwort der EU auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Für die nächste Kommission gilt es, diese Gemeinsamkeit weiter zu vertiefen und zu verteidigen. Der Krieg kurz hinter der EU-Außengrenze führt uns deutlich vor Augen, dass das europäische Wertefundament selbst in Europa weder selbstverständlich noch unumstritten ist“, sagte sie. Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung seien die Basis funktionierender Demokratien. „Diese Demokratien gilt es in diesen bewegten Zeiten zu festigen und zu verteidigen. Und im Fall der EU bedeutet dies auch, sie zu reformieren. Und nicht zuletzt muss sich die europäische Politik beim Thema Geflüchtete auf eine gemeinsame Linie verständigen.“

Green Deal

Ein zentrales Thema der aktuellen Kommission ist der grüne Wandel Europas mit dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dies soll mit dem „Green Deal“ vorangebracht werden. Ministerin Osigus mahnte an, hier die soziale Komponente stärker zu berücksichtigen. „Der Green Deal ist wichtig. Doch der Umbau der Wirtschaft gelingt nur, wenn die Menschen mitgenommen werden und am Erfolg teilhaben“, sagte die Ministerin. „Transformation gelingt mit Mut und Lust auf Neues, nicht mit Angst um den Arbeitsplatz und die Zukunft. Deshalb müssen die Reformen auch sozialpolitisch durchdacht sein. Der Green Deal muss auch ein Social Deal sein, der regionale Wertschöpfung unterstützen muss“, betonte Osigus. „Von der Leyen hat mehrere neue Dialogformate angekündigt. Nun müssen wir genau schauen, was sich hinter diesen Etiketten verbirgt. Denn wir brauchen greifbare Ergebnisse.“  

 Zukunft der Förderpolitik

 „Eine starke Union braucht eine solide ökonomische Basis. Wir haben in der EU eine starke Wirtschaft. Damit das so bleibt, müssen wir ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten: Hohe Energiepreise, überbordende Auflagen und fehlende Fachkräfte belasten Unternehmen. Und eine Kohäsionspolitik, die nur den schwächeren Regionen hilft, legt die Axt an die Weiterentwicklung erfolgreicher Regionen und damit auch an die EU insgesamt. Denn wenn die Stärkeren sich nicht entwickeln können, schwächt das die gesamte Union.“

Perspektiven für die Ukraine und Erweiterung der EU

Osigus schloss sich der Forderung der EU-Kommissionschefin zu einer weiteren Unterstützung der Ukraine an. „Die Ukraine gehört zu Europa. Das zeigen wir mit der politischen, finanziellen und logistischen Solidarität für das angegriffene Land und für die Menschen, die bei uns Zuflucht gefunden haben“, sagte Osigus. Dazu gehöre auch die Debatte um die europäische Zukunft des Landes. „Ich unterstütze den Wunsch des Beitritts der Ukraine. Doch vor einer Erweiterung steht uns noch viel harte Arbeit bevor: Nicht nur die Beitrittskandidaten müssen noch ihre Hausaufgaben machen. Auch die 27 Mitgliedstaaten müssen Reformen der EU anstoßen. Nur eine gut funktionierende Union kann weitere Staaten aufnehmen“, sagte sie. Osigus forderte eine Abkehr vom derzeit dominierenden Einstimmigkeitsprinzip in wichtigen Politikbereichen: „Eine größere EU würde durch die Forderung nach Einstimmigkeit auf Dauer zu sehr ausgebremst. Wir müssen auf ein Mehrheitsprinzip hinarbeiten“, sagte Osigus. „Es ist deshalb gut, dass sich die Kommissionspräsidentin offen für institutionelle Reformen gezeigt hat“, schloss die Ministerin.