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Rede von Ministerin Birgit Honé im Niedersächsischen Landtag am Dienstag, den 6. Oktober 2020 zu TOP 5 „Grundwerte der Europäischen Union achten und schützen – für wirksamere Maßnahmen gegen Verstöße“ © Niedersächsisches Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung

PresseInformation des Niedersächsischen Ministeriums für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung vom 06.10.2020.

Rede von Ministerin Birgit Honé im Niedersächsischen Landtag am Dienstag, den 6. Oktober 2020 zu TOP 5

„Grundwerte der Europäischen Union achten und schützen – für wirksamere Maßnahmen gegen Verstöße“

Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und CDU (Drs. 18/7358)

(Es gilt das gesprochene Wort)

Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

es ist noch keine drei Wochen her, dass wir hier im Niedersächsischen Landtag über diesen Entschließungsantrag diskutiert haben.
Wer vor drei Wochen den Entschließungsantrag für nicht notwendig gehalten hat, der müsste heute vom Gegenteil überzeugt sein. Ich möchte meine damalige Rede hier nicht wiederholen und greife deshalb nur drei Beispiele aus den vergangenen drei Wochen heraus, die die Relevanz des Schutzes der Grundwerte der EU verdeutlichen:
Erstes Beispiel: Sie fordern in dem Entschließungsantrag einen Einsatz der Landesregierung für den Beitritt der EU zur Menschenrechtskonvention des Europarats, der EMRK. Heute vor einer Woche, am 29.09.2020 haben die Generalsekretärin des Europarats (Marija Pejčinović Burić) und die für die Grundwerte der EU zuständige EU-Vizepräsidentin (Věra Jourová) die Beitrittsverhandlungen formal wieder aufgenommen.
Das freut mich sehr. Aber ich bin mir auch bewusst: dies wird kein einfacher Prozess werden. Daher ist es gut, dass auch die deutsche Ratspräsidentschaft dieses Thema zu einer ihrer Prioritäten erklärt hat. Wir werden das Thema dort ebenfalls platzieren.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich kurz darauf hinweisen: Am 04.11.2020 feiert die Europäische Menschenrechtskonvention ihr 70. Jubiläum. Alle EU-Mitgliedstaaten haben sie ratifiziert. Die EMRK ist und bleibt das Wertefundament, dass uns mit 20 Ländern außerhalb der EU verbindet.

Sie fordern in dem Entschließungsantrag ganz am Anfang auch eine Konditionalität, also die Verknüpfung von EU-Mitteln mit der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit. Dieses Thema liegt auch mir sehr am Herzen. Und dazu möchte ich das zweite Beispiel anbringen: Die Botschafterinnen und Botschafter in Brüssel (im Ausschuss der Ständigen Vertreter, AStV) haben am 30.09. der deutschen Ratspräsidentschaft grünes Licht für die Aufnahme von Verhandlungen mit Kommission und Europäischem Parlament gegeben. Grundlage ist der Kompromisstext, den die deutsche Ratspräsidentschaft erarbeitet hatte.
Dieser Text hat nicht nur mich sehr enttäuscht. Die Konditionalität wird dort viel zu eng gefasst. Finanzielle Sanktionen sollen nur möglich sein, wenn sich ein Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit „in hinreichend direkter Weise“ auf die wirtschaftliche Haushaltsführung und die finanziellen Interessen der EU auswirkt. Das greift viel zu kurz.
Ich hoffe sehr, dass in den Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament und der Kommission substantielle Verbesserungen gelingen.
Denn wir leben in einem einheitlichen Rechtsraum und müssen uns gewiss sein, dass die Gerichte aller Mitgliedstaaten unabhängig arbeiten. Nur dann ist das gegenseitige Vertrauen in die Justizsysteme berechtigt. Nur dann kann der grenzüberschreitende Einsatz der vielen grundrechtsintensiven Instrumente der EU, überhaupt vor unseren Bürgerinnen und Bürgern verantwortet werden.

Mit dem Stichwort „gegenseitiges Vertrauen“ komme ich zum dritten Punkt. Am 30.09.2020 hat die Kommission ihren ersten Bericht zur Rechtsstaatlichkeit in der EU vorgestellt.
Manifeste Probleme mit der richterlichen Unabhängigkeit gibt es demnach nicht nur in Ungarn und Polen, sondern namentlich auch in Bulgarien, Rumänien, Kroatien und der Slowakei. Der Bericht zeigt: Die Probleme nur auf Victor Orban zu reduzieren, greift zu kurz.

Sie sehen: Ihr Entschließungsantrag kommt genau zur richtigen Zeit. Es gibt Risse im Fundament der EU. Lassen Sie uns deshalb alle weiter und noch entschiedener für die Grundwerte der EU eintreten!

Vielen Dank!