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Schutz von Herkunftsangaben und traditionellen Spezialitäten: Ein europäischer Schatz im Wert von 75 Milliarden Euro © Europäische Union, 2019, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Lukasz Kobus

20.04.2020 Brüssel. Schwäbische Spätzle, Nürnberger Lebkuchen, Allgäuer Bergkäse, Thüringer Rostbratwurst oder Beelitzer Spargel – diese Produkte sind nicht nur über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt, sie sind auch durch EU-Recht besonders geschützt. Agrarlebensmittel- und Getränkeprodukte, deren Namen von der Europäischen Union als „Geografische Angaben“ (GIs) geschützt sind, bringen es auf einen jährlichen Umsatz von fast 75 Milliarden Euro. Dies geht aus einer heute (Montag) von der Europäischen Kommission veröffentlichten Studie hervor.

Laut der Studie entfällt über ein Fünftel dieses Betrags auf Ausfuhren in Länder außerhalb der Europäischen Union. Der Studie zufolge ist der Verkaufswert eines Erzeugnisses mit einem geschützten Namen im Durchschnitt doppelt so hoch wie der Verkaufswert eines vergleichbaren Produkts ohne Zertifizierung.

Janusz Wojciechowski, Kommissar für Landwirtschaft, erklärte dazu: „Das europäische System der geografischen Angaben spiegelt den Reichtum und die Vielfalt der Erzeugnisse wider, die unser Agrarsektor zu bieten hat. Die Vorteile für die Erzeuger sind eindeutig: Sie können ihre Erzeugnisse zu höheren Preisen an Verbraucher verkaufen, die an authentischen regionaltypischen Produkten interessiert sind. Geografische Angaben spielen auch für unsere Handelsabkommen eine wichtige Rolle. Durch den weltweiten Schutz bestimmter Erzeugnisse verhindern wir die betrügerische Verwendung von Produktnamen und gewährleisten den guten Ruf der europäischen Agrarlebensmittel und Getränke. Geografische Angaben schützen lokale Werte auf globaler Ebene.“

Die EU-Vorschriften für Qualitätsregelungen haben zum Ziel, die Namen bestimmter Erzeugnisse zu schützen, um ihre mit ihrem geografischen Ursprung sowie dem regionsspezifischen Know-how verbundenen einzigartigen Eigenschaften herauszustellen. Diese Produktnamen sind Bestandteil des EU-Systems der Rechte des geistigen Eigentums, das sie rechtlich vor Nachahmung und Missbrauch schützt. Agrarlebensmittel und Weine können durch eine geschützte Ursprungsbezeichnung (g. U.) oder eine geschützte geografische Angabe (g. g. A.) und Spirituosen durch eine geografische Angabe (g. A.) geschützt werden. Die EU schützt zudem garantiert traditionelle Spezialitäten (g. t. S.), eine Kennzeichnung, bei der die traditionellen Aspekte eines Erzeugnisses hervorgehoben werden, ohne dass diese mit einem bestimmten geografischen Gebiet verbunden sind. Der Verkaufswert von als garantiert traditionelle Spezialitäten gekennzeichneten Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln beläuft sich auf 2,3 Milliarden Euro.

In die Studie wurden alle 3207 Produktnamen, die Ende 2017 in den EU-Mitgliedstaaten geschützt waren, einbezogen (Ende März 2019 belief sich die Zahl der geschützten Namen auf insgesamt 3322). Sie gelangt zu dem Schluss, dass der Verkaufswert eines Erzeugnisses mit einem geschützten Namen im Durchschnitt doppelt so hoch liegt wie der Verkaufswert eines vergleichbaren Produkts ohne Zertifizierung.

Der Studie zufolge besteht ein klarer wirtschaftlicher Nutzen für die Erzeuger, da sie die Erzeugnisse aufgrund ihrer hohen Qualität und ihres guten Rufes sowie der Bereitschaft der Verbraucher, mehr Geld für authentische Produkte auszugeben, besser vermarkten und absetzen können.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie sind:

  • Erheblicher Verkaufswert: Im Jahr 2017 erreichten geografische Angaben und garantiert traditionelle Spezialitäten einen Gesamtverkaufswert von ca. 77,15 Milliarden Euro, d.h. 7 Prozent des Gesamtumsatzes des europäischen Lebensmittel- und Getränkesektors, der 2017 auf 1 101 Milliarden Euro geschätzt wurde. Davon entfiel über die Hälfte auf Weine (39,4 Milliarden Euro); auf Agrarerzeugnisse und Lebensmittel entfielen 35 Prozent (27,34 Milliarden Euro) und auf Spirituosen 13 Prozent (10,35 Milliarden Euro). Von den 3207 im Jahr 2017 registrierten Namen (g. A. und g. t. S.) betrafen 49 Prozent Wein, 43 Prozent Agrarlebensmittel und 8 Prozent Spirituosen.
  • Höhere Verkaufspreise für geschützte Erzeugnisse: Der Verkaufswert der Erzeugnisse, die Gegenstand der Studie waren, lag im Durchschnitt doppelt so hoch wie der Verkaufswert vergleichbarer Erzeugnisse ohne Zertifizierung. Der Wert war bei Wein um den Faktor 2,85, bei Spirituosen um den Faktor 2,52 und bei Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln um den Faktor 1,5 höher.
  • Eine wahrhaft europäische Politik: Jedes EU-Land produziert Erzeugnisse, deren Namen auf EU-Ebene geschützt sind und als Markenzeichen für das traditionelle kulinarische Erbe der Regionen sowie als Wirtschaftsmotor für den nationalen Agrarlebensmittelsektor dienen.
  • Ausfuhr von Erzeugnissen mit geografischer Angabe: Diese Erzeugnisse machen 15,5 Prozent der gesamten Agrarlebensmittelausfuhren der EU aus. Wein blieb das wichtigste Erzeugnis sowohl in Bezug auf den Gesamtverkaufswert (51 Prozent) als auch im EU-Handel mit Drittländern (50 Prozent). Die USA, China und Singapur sind die wichtigsten Einfuhrländer für EU-Erzeugnisse mit geografischer Angabe. Auf sie entfällt die Hälfte des Ausfuhrwertes dieser Erzeugnisse.

Um sicherzustellen, dass die Qualitätspolitik der EU weiterhin bestmöglich greift, wurde vom 4. November 2019 bis zum 3. Februar 2020 eine öffentliche Online-Konsultation durchgeführt, bei der Meinungen von Interessenträgern eingeholt wurden. Dabei stimmte eine Mehrheit der Befragten darin überein, dass die Qualitätsregelungen der EU Erzeugern und Verbrauchern gleichermaßen zugutekommen. Der zusammenfassende Bericht enthält einen detaillierten Überblick über die Rückmeldungen aus der öffentlichen Konsultation.

Hintergrund

Geschützte Ursprungsbezeichnungen (g. U.), geschützte geografische Angaben (g. g. A.) und geografische Angaben (g. A.) für Spirituosen garantieren dem Verbraucher, dass die betreffenden Erzeugnisse tatsächlich in ihrer spezifischen Herkunftsregion mit Wissen und Verfahren aus der Region hergestellt wurden. Der Hauptunterschied zwischen der g. U. und der g. g. A. begründet sich durch den Rohstoffanteil, der aus dem jeweiligen Gebiet stammt, oder durch die Frage, welche Erzeugungsschritte in der jeweiligen Region stattfinden müssen. Bekannte Erzeugnisse mit geografischer Angabe sind z.B. Bayerisches Bier, Champagner, Irischer Whiskey, Kalamata-Oliven, Parmigiano Reggiano, polnischer Wodka, Queso Manchego und Roquefort.

Bei garantiert traditionellen Spezialitäten hingegen stehen Aspekte wie ein traditionelles Herstellungsverfahren oder die traditionelle Zusammensetzung eines Erzeugnisses im Vordergrund, ohne dass diese an ein bestimmtes geografisches Gebiet gebunden sind. Beispiele für weithin bekannte garantiert traditionelle Spezialitäten sind Bacalhau de Cura Tradicional Portuguesa, Amatriciana tradizionale, Hollandse maatjesharing und Kriek.

Die EU hat mehr als 30 internationale Abkommen geschlossen, durch die viele geografische Angaben der EU in Drittländern sowie nicht-europäische geografische Angaben in der EU anerkannt werden. Geografische Angaben spielen bei Handelsverhandlungen zwischen der EU und anderen Ländern eine immer wichtigere Rolle. Darüber hinaus stellt die Kommission jedes Jahr rund 50 Millionen Euro zur Förderung von Qualitätserzeugnissen in der EU und weltweit bereit.

Links zum Thema:

Studie zum wirtschaftlichen Wert der EU-Qualitätsregelungen, geografischen Angaben und garantiert traditionellen Spezialitäten

Broschüre mit den wichtigsten Ergebnissen der Studie

EU-Qualitätsregelungen

Hochwertige Lebensmittel und Getränke der EU

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland