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Bericht zeigt Stärken und Schwächen des deutschen Gesundheitssystems im europäischen Vergleich © Europäische Union, 2015, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Etienne Ansotte

28.11.2019 Brüssel. Deutschland gibt pro Person mehr für Gesundheit aus als andere EU-Länder. Das deutsche Gesundheitssystem bietet zudem einen umfassenden Versicherungsschutz und ein hohes Niveau an Gesundheitsleistungen. Dennoch ist die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland mit 81,1 Jahren niedriger als in den meisten anderen westeuropäischen Ländern. Zudem ist die Zahl vermeidbarer Todesfälle in Deutschland (158 je 100.000 Einwohner) seit 2011 stabil, während sie in vielen anderen EU-Ländern gesunken ist. Das sind einige Ergebnisse der umfassenden Analyse „Gesundheitszustand in der EU“, die insgesamt 30 europäische Länder umfasst und Donnerstag (28. November) von der Europäischen Kommission gemeinsam mit der Industriestaatenorganisation OECD und dem „European Observatory on Health Systems and Policies“ veröffentlicht wird.

Die Profile der Gesundheitssysteme von 30 Ländern (EU28 plus Island und Norwegen) werden zusammen mit einem Begleitbericht herausgegeben, in dem einige der wichtigsten Trends beim Umbau der europäischen Gesundheitssysteme herausgestellt werden. Die heutige Veröffentlichung schließt den zweiten Bewertungszyklus zum Gesundheitszustand in der EU ab; erstmals war der „Gesundheitszustand in der EU“ 2017 erschienen.

Vytenis Andriukaitis, EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, erklärte dazu: „Verschiedene Erhebungen und Debatten in ganz Europa haben uns gezeigt, dass die Gesundheit zu den höchsten Prioritäten der europäischen Bürgerinnen und Bürger zählt. Besonders freut es mich, dass Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention endlich die ihnen zustehende Aufmerksamkeit erhalten. Es lässt sich ganz klar erkennen, dass dieses umfassende länderspezifische und EU-weite Wissen sowohl in die nationale Politikgestaltung als auch in die Zusammenarbeit auf Ebene der Union einfließt. Ich hoffe, dass meine Nachfolgerin diesen Prozess fortsetzen wird und sich mehr Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis an den Diskussionen über die Ergebnisse und den Austausch bewährter Verfahren beteiligen werden.“

Wichtigste Ergebnisse

Bei den länderspezifischen Gesundheitsprofilen handelt es sich um eine tiefgreifende Analyse der Gesundheitssysteme unter dem Blickwinkel der Gesundheit der Bevölkerung und wichtiger Risikofaktoren sowie der Wirksamkeit, Zugänglichkeit und Widerstandsfähigkeit der Gesundheitssysteme in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Die Berichte spiegeln deutlich die gemeinsamen Ziele der Mitgliedstaaten wider und zeigen Bereiche auf, in denen die Kommission das Voneinander-Lernen und den Austausch bewährter Verfahren fördern kann.

Deutschland

Deutschlands komplexes Gesundheitssystem bietet demnach einen nahezu universellen Krankenversicherungsschutz. Wegen der komplexen Versicherungsmechanismen besteht jedoch für bestimmte Bevölkerungsgruppen aufgrund finanzieller oder verwaltungstechnischer Hürden die Gefahr, dass sie keine Krankenversicherung haben. Nach jüngsten Schätzungen waren im Jahr 2015 rund 100.000 Menschen (0,1 Prozent der Bevölkerung) nicht versichert. Selbstständige mit niedrigem Einkommen gehören zu den Bevölkerungsgruppen mit hohem Risiko für das Fehlen einer Versicherung, da es für sie schwierig sein kann, die Beiträge zur gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung aufzubringen. Flüchtlinge, Asylbewerber und irreguläre Migranten bilden eine weitere Gruppe mit eingeschränktem Versicherungsschutz und vermindertem Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Im Jahr 2017 war die Zahl der Ärzte (4,3) und Krankenpflegekräfte (12,0) pro 1.000 Einwohner in Deutschland zudem höher als im EU-Durchschnitt (3,6 Ärzte und 8,5 Krankenpflegekräfte). Insbesondere die Zahl der Ärzte in den Krankenhäusern ist seit der Einführung eines Vergütungssystems der diagnosebezogenen Fallpauschalen in Krankenhäusern im Jahr 2004 deutlich gestiegen, während die Zahl der Pflegekräfte zurückging.

Im Jahr 2017 verfügte Deutschland über 8,0 Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner. Die Bettendichte ist EU-weit am höchsten und weitaus höher als in Nachbarländern wie Frankreich (6,0 pro 1 000). Dies lässt darauf schließen, dass Spielraum vorhanden ist, um die Versorgung mehr in die ambulante Versorgung zu verlagern. Aufgrund der außergewöhnlich hohen Bettenzahl gibt es relativ wenige Ärzte und Krankenpflegekräfte pro Bett – trotz der vergleichsweise hohen Zahl von Gesundheitspersonal.

Erheblichen Nachholbedarf hat das deutsche Gesundheitssystem im Bereich der eHealth-Anwendungen: Derzeit weist das deutsche Gesundheitssystem weist einen vergleichsweise geringen Digitalisierungsgrad auf.

In Deutschland sind – ähnlich wie im EU-Durchschnitt – etwa vier von zehn Todesfällen in auf verhaltensbedingte Risikofaktoren wie Ernährungsrisiken, Rauchen, Alkoholkonsum und geringe körperliche Aktivität zurückzuführen. Fast jeder fünfte Todesfall kann insbesondere auf schlechte Ernährung zurückgeführt werden. Die aus den eigenen Angaben der Befragten gewonnenen Daten zeigen, dass 2017 etwa jeder sechste Erwachsene in Deutschland fettleibig und fast jeder fünfte 15-Jährige übergewichtig oder fettleibig war, wobei ein höherer Anteil der Jungen von Übergewicht berichtet. Insgesamt sind die Fettleibigkeitsraten bei Erwachsenen und Jugendlichen höher als in vielen anderen EU-Ländern.

Begleitbericht der Europäischen Kommission

In dem Begleitbericht werden einige der wichtigsten europaweiten Trends bei der Umgestaltung unserer Gesundheitssysteme herausgestellt:

  • Die Impfskepsis ist eine große Bedrohung für die öffentliche Gesundheit in ganz Europa; Abhilfe kann hier die Verbesserung der Gesundheitskompetenz, die Bekämpfung von Desinformation und die aktive Einbeziehung des Gesundheitspersonals schaffen.
  • Der digitale Wandel bei Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention kann zu Gewinnern und Verlierern führen. Für Menschen, die am meisten von der mobilen Gesundheitsversorgung und anderen digitalen Instrumenten profitieren würden, ist der Zugang dazu unter Umständen am schwierigsten.
  • Immer noch ist die Gesundheitsversorgung nicht überall in der EU vollständig zugänglich. Will man den Zugang zur Gesundheitsversorgung sowie die zahlreichen Barrieren ermitteln, müssen sowohl die klinischen Bedürfnisse als auch die sozioökonomischen Merkmale der Patientinnen und Patienten berücksichtigt werden.
  • Innovationen zur Verwirklichung eines Qualifikationsmixes bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen bergen ein hohes Potenzial für die Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Gesundheitssystemen. In der gesamten EU finden sich vielversprechende Beispiele für die Verlagerung von Aufgaben unter den Beschäftigten des Gesundheitswesens, insbesondere für eine gestärkte Rolle von Krankenpflegekräften und Apothekern.
  • Der Lebenszyklus von Arzneimitteln bietet den Mitgliedstaaten breiten Spielraum für eine Zusammenarbeit zur Gewährleistung sicherer, wirksamer und erschwinglicher Therapien, wozu auch Aspekte wie eine rationale Ausgabenpolitik und verantwortungsvolles Verschreibungsverhalten gehören.

Hintergrund

2016 leitete die Europäische Kommission den Zyklus Gesundheitszustand in der EU zur Wissensvermittlung ein, um die EU-Mitgliedstaaten bei der Verbesserung der Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger und der Leistungsfähigkeit ihrer Gesundheitssysteme zu unterstützen. Die Berichte schließen mit einer kontextsensiblen, umfassenden Analyse eine Wissenslücke und bieten Einblick darin, welche Aspekte für die politischen Entscheidungsträger im Gesundheitswesen am schwierigsten sind.

Links zum Thema:

Website mit den 30 länderspezifischen Gesundheitsprofilen, Begleitbericht und Hintergrundinformationen

Pressemitteilung „Gesundheitszustand in der EU: Prävention und Grundversorgung wird zum wichtigsten Trend in allen Ländern“

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.