Wojahn an Bundestagsabgeordnete und Europaminister: „Es geht ums Ganze“ © Europäische Union, 2019, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Lukasz Kobus

01.04.2020 Brüssel. Der Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland, Jörg Wojahn, hat sich in einem aktuellen Schreiben an alle Bundestagsabgeordneten und die Europaministerinnen und -minister der Länder gewandt, um ihnen einen Überblick über die Maßnahmen der EU zur Bewältigung des Coronavirus-Ausbruchs zu geben. „In diesen Wochen der Coronakrise ist es alles andere als still in Brüssel“, schreibt Wojahn. „In normalen Zeiten mag es auch innenpolitisch manchmal opportun sein, ‚die EU‘ abstrakt für vermeintliche Versäumnisse – vielleicht sogar die eigenen – verantwortlich zu machen. In der jetzigen Phase gilt es, sich das jeweils zweimal zu überlegen. Denn es geht ums Ganze.“

„Ich befürchte, dass wir alle bisher zu wenig dem Prinzip gefolgt sind: Tue Gutes und rede darüber. Nicht zuletzt daher ertönen EU-Kritiker zuweilen lauter und sind sichtbarer. Desinformation und Propaganda aus Drittstaaten, die dazu dienen sollen, unsere Union zu spalten, gefährden den Zusammenhalt“, so Wojahn. „Es geht mittelfristig um den EU-Binnenmarkt. Und der ist die Basis der exportorientierten deutschen Wirtschaft und Garant für Hunderttausende von Arbeitsplätzen in diesem Land. Das Beispiel Großbritannien hat uns gezeigt, wie die Mischung aus kluger Planung der EU-Gegner und kurzsichtiger Leichtfertigkeit der EU-Befürworter wirkt. Deswegen sollten wir auch nicht nur an die Befindlichkeiten daheim in Deutschland denken, sondern mit Weitblick handeln. Der größte und wirtschaftlich stärkste Mitgliedstaat der Europäischen Union hat eine Verantwortung, die über Hallig Hooge, Hunsrück, Hainich und Hochschwarzwald hinausgeht. Dies gilt es gerade in Hinblick auf die gefährliche Lage in Italien, einen der wichtigsten Exportmärkte der Bundesrepublik, zu beachten.“

„Die EU“ kann und darf in der Coronakrise nicht alles

Weiter schreibt Wojahn: „Zunächst einmal muss ich etwas in Erinnerung rufen, das auch nicht allen Entscheidungsträgern immer bewusst ist: Die Mitgliedstaaten haben der EU-Ebene nur eng begrenzte Befugnisse im Bereich Öffentliche Gesundheit übertragen (siehe 168 und 114 AEUV); deren Schutz haben sich die Nationalstaaten bewusst vorbehalten. In der Bundesrepublik Deutschland liegt diese Kompetenz weitgehend auf Ebene der Länder.

Das heißt aber nicht, dass wir auf EU-Ebene nichts tun könnten. Im Gegenteil:

Wir halten die Grenzen so weit wie möglich offen: Nur, wenn der Warenverkehr läuft, bleiben die Supermarktregale voll und die Produktionsketten – auch für Schutzmasken und Beatmungsgeräte – intakt. Die EU-Kommission beschloss am selben Tag, an dem Deutschland den Grenzverkehr stark einschränkte, Leitlinien zum Grenzmanagement und drängt seither mit Nachdruck – und mit einigem Erfolg – auf deren Einhaltung. Das Gleiche versuchen wir auch für die EU-Arbeitnehmer, die in für die Überwindung der Krise systemrelevanten Berufen arbeiten. Grenzen sollten ihre wichtige Arbeit nicht stoppen.

Wir kaufen gemeinsam medizinische Schutzausrüstung: Zusammen sind wir stark am Markt. Die gemeinsame EU-weite Beschaffung von Masken u.ä. läuft auf Hochtouren.

Wir legen gemeinsame Vorräte an: Damit eine gerechte Verteilung an die bedürftigsten Regionen künftig gesichert ist. Die EU-Kommission hat den Startschuss für die Anlage einer strategischen EU-Reserve medizinischer Schutzausrüstungen gegeben.

Wir schaffen Erleichterungen für die Industrie: Damit sie rasch mehr medizinische Ausrüstung produzieren kann. EU-Standards stehen nun unkompliziert und gratis bereit. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen steht in Kontakt mit Vorständen.

Wir fördern Forschung: Damit wir das Virus so bald wie möglich besiegen. Schon am 30. Januar haben wir ein neues Programm auf den Weg gebracht. 17 EU-weite Konsortien arbeiten darunter bereits an ihren gemeinsamen Projekten

Wir helfen unseren Bürgerinnen und Bürgern in der Ferne: Überall auf der Welt stecken Europäer fest. Wir unterstützen die EU-Staaten bei Rückholflügen.

Wir sichern Wirtschaft & Währung: Damit die Krisenbekämpfung nicht an den Finanzmärkten scheitert. Die Europäische Zentralbank hat 750 Milliarden Euro mobilisiert.

Wir helfen den Unternehmen: Mit Geldern aus dem gemeinsamen EU-Budget. Knapp 93 Milliarden Euro stehen auf EU-Ebene zur Stützung der Wirtschaft bereit. Aber der EU-Haushalt ist, wie Sie wissen, bescheiden im Vergleich zum Bundeshalt: 169 Milliarden Euro statt 362 Milliarden in 2020. Und die EU darf keine Schulden machen. Deshalb:

Wir machen massive Hilfen möglich: Damit unsere Mitgliedstaaten genügend Mittel zur Rettung von Unternehmen, Krankenhäusern, Selbständigen bereitstellen können, wenden wir die EU-Beihilferegeln entsprechend der Krisensituation großzügig und rasch an. Im Falle Deutschlands dürfen zum Beispiel die Staatsgarantien 90 Prozent von Kreditsummen an Unternehmer abdecken. Die restlichen 10 Prozent bleiben in der Verantwortung der auszahlenden Bank, um die Steuerzahler vor Schaden zu schützen. Diese 90/10 Regel wurde von der Kommission im Vorfeld mit allen Mitgliedstaaten konsultiert. Deutschland war damit einverstanden.

Europa wirkt

Auch die Arbeit für die Zeit nach der Krise hat schon begonnen. Vergangenen Donnerstag haben die Staats- und Regierungschefs die Präsidentin der Kommission und den Präsidenten des Europäischen Rates beauftragt, mit der Vorbereitung eines Fahrplans dafür zu beginnen“, so Wojahn abschließend.

Links zum Thema:

Website: Coronavirus – Krisenreaktion der EU

Kurzzusammenfassung: Coronavirus – Krisenreaktion der EU

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.