EU-Wettbewerbshüter genehmigen Corona-Staatshilfe für Alitalia © Europäische Union, 2020, Quelle: EU-Kommission - Audiovisueller Dienst, Fotograf*in: Etienne Ansotte

07.09.2020 Brüssel. Die Europäische Kommission hat festgestellt, dass die Finanzhilfe Italiens für Alitalia in Höhe von 199,45 Millionen Euro mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar ist. Mit der Maßnahme soll die Fluggesellschaft für die Einbußen durch den Coronavirus-Ausbruch entschädigt werden.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission Margrethe Vestager erklärte dazu: „Mit dieser Maßnahme kann Italien Alitalia für die Einbußen entschädigen, die der Fluggesellschaft durch die Reisebeschränkungen entstanden sind, die zur Eindämmung der Corona-Pandemie erforderlich wurden. Der Luftverkehr gehört zu den durch die Pandemie besonders hart getroffenen Branchen. Wir bemühen uns in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten um Lösungen, wie Unternehmen in diesen schwierigen Zeiten im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften unterstützt werden können. Gleichzeitig laufen unsere Untersuchungen zu früheren Fördermaßnahmen zugunsten von Alitalia weiter und stehen wir in Kontakt mit Italien in Bezug auf das weitere diesbezügliche Vorgehen des Landes und die Einhaltung der EU-Vorschriften.“

Alitalia ist eine große Netzwerkfluggesellschaft mit Sitz in Italien. Mit einer Flotte von über 95 Flugzeugen flog das Unternehmen 2019 Hunderte von Bestimmungsorten in aller Welt an und beförderte rund 20 Millionen Fluggäste von seinem wichtigsten Drehkreuz Rom und anderen italienischen Flughäfen zu verschiedenen internationalen Zielen. Seit Ausbruch von COVID-19 verzeichnet Alitalia einen erheblichen Rückgang seiner Flugverkehrsdienste und entsprechend hohe Betriebsverluste.

Italien hat deshalb bei der Kommission eine Maßnahme angemeldet, um Alitalia für die Einbußen zu entschädigen, die der Fluggesellschaft vom 1. März 2020 bis zum 15. Juni 2020 aufgrund der von Italien und anderen Zielländern getroffenen Eindämmungsmaßnahmen und Reisebeschränkungen entstanden. Die Unterstützung wird in Form eines direkten Zuschusses in Höhe von 199,45 Millionen Euro gewährt, was dem geschätzten Schaden entspricht, der der Fluggesellschaft in diesem Zeitraum direkt entstanden ist.

Die Kommission hat die Maßnahme auf der Grundlage des Artikels 107 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geprüft. Danach kann die Kommission Beihilfen der Mitgliedstaaten zur Entschädigung bestimmter Unternehmen oder Wirtschaftszweige im Falle von Verlusten genehmigen, die direkt auf außergewöhnliche Ereignisse zurückzuführen sind.

Der Ausbruch von COVID-19 stellt nach Auffassung der Kommission ein solches außergewöhnliches Ereignis dar, da diese beispiellose Situation nicht vorhersehbar war und sich erheblich auf die Wirtschaft auswirkt. Folglich sind Sondermaßnahmen der Mitgliedstaaten zum Ausgleich von Einbußen, die auf den Ausbruch zurückzuführen sind, gerechtfertigt.

Die Kommission hat festgestellt, dass mit der Maßnahme Italiens unmittelbar auf den Ausbruch des Coronavirus zurückzuführende Einbußen von Alitalia ausgeglichen werden. Sie hält die Maßnahme für angemessen, da die Entschädigung nicht über die zur Deckung des Schadens erforderliche Höhe hinausgeht.

Daher ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass die Entschädigungsmaßnahe Italiens mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht.

Hintergrund

Auf der Grundlage eingegangener Beschwerden leitete die Kommission am 23. April 2018 ein förmliches Prüfverfahren bezüglich der Alitalia 2017 von Italien gewährten Darlehen in Höhe von 900 Millionen Euro ein. Am 28. Februar 2020 eröffnete die Kommission ein weiteres förmliches Prüfverfahren wegen eines zusätzlichen Darlehens in Höhe von 400 Millionen Euro, das Italien im Oktober 2019 gewährt hatte. Beide Verfahren laufen noch.

Die finanzielle Unterstützung aus EU- oder nationalen Mitteln für Gesundheitsdienste oder andere öffentliche Dienste zur Bewältigung der Coronakrise fällt nicht unter die Kontrolle staatlicher Beihilfen. Dasselbe gilt für jegliche öffentliche finanzielle Unterstützung, die Bürgern direkt gewährt wird. Auch staatliche Fördermaßnahmen, die allen Unternehmen zur Verfügung stehen, wie z. B. Lohnsubventionen und die Stundung von Unternehmens- und Mehrwertsteuern oder Sozialbeiträgen, fallen nicht unter die Beihilfenkontrolle und bedürfen keiner Genehmigung der Kommission nach den EU-Beihilfevorschriften. In all diesen Fällen können die Mitgliedstaaten sofort handeln.

Wenn das Beihilferecht hingegen anwendbar ist, können die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem bestehenden EU-Beihilferahmen umfangreiche Maßnahmen zur Unterstützung bestimmter Unternehmen oder Wirtschaftszweige, die von den Folgen des COVID-19-Ausbruchs betroffen sind, konzipieren. Die Kommission hat am 13. März 2020 eine Mitteilung über eine koordinierte wirtschaftliche Reaktion auf die COVID-19-Pandemie angenommen‚ in der diese Möglichkeiten erläutert werden.

So sind zum Beispiel folgende Maßnahmen möglich:

  • Nach Artikel 107 Absatz 2 Buchstabe b AEUV können die Mitgliedstaaten Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Beihilferegelungen für Wirtschaftszweige einführen, denen aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse, etwa infolge des Coronavirus-Ausbruchs, unmittelbar Schäden entstanden sind.
  • Zudem können die Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Artikels 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV Unternehmen unterstützen, die mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen haben und dringend Rettungsbeihilfen benötigen.
  • Flankierend sind zusätzliche Maßnahmen möglich, z. B. im Rahmen der De-minimis-Verordnung und der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung‚ die von den Mitgliedstaaten ebenfalls unverzüglich und ohne Beteiligung der Kommission eingeführt werden können.

In einer besonders schwierigen wirtschaftlichen Lage wie der derzeit in allen Mitgliedstaaten und dem Vereinigten Königreich aufgrund des COVID-19-Ausbruchs herrschenden Lage können die Mitgliedstaaten nach den EU-Beihilfevorschriften Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung in ihrem Wirtschaftsleben gewähren. Dies ist in Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehen.

Am 19. März 2020 hat die Kommission einen auf Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b AEUV gestützten Befristeten Rahmen angenommen, damit die Mitgliedstaaten den in den Beihilfevorschriften vorgesehenen Spielraum in vollem Umfang nutzen können, um die Wirtschaft angesichts des Coronavirus-Ausbruchs zu unterstützen. Nach dem Befristeten Rahmen, der am 3. April und 8. Mai 2020 geändert wurde, können die Mitgliedstaaten folgende Arten von Beihilfen gewähren: i) direkte Zuschüsse, Kapitalzuführungen, selektive Steuervorteile und rückzahlbare Vorschüsse; ii) staatliche Garantien für Bankdarlehen an Unternehmen; iii) vergünstigte öffentliche Darlehen an Unternehmen, einschließlich nachrangiger Darlehen; iv) Zusicherungen für Banken, die staatliche Beihilfen an die Realwirtschaft weiterleiten; v) öffentliche kurzfristige Exportkreditversicherungen; vi) Unterstützung von Coronavirus-bezogener Forschung und Entwicklung (FuE); vii) Unterstützung beim Bau und bei der Hochskalierung von Erprobungseinrichtungen; viii) Unterstützung für die Herstellung von Produkten, die für die Bewältigung des Coronavirus-Ausbruchs relevant sind; ix) gezielte Unterstützung in Form einer Steuerstundung und/oder Aussetzung der Sozialversicherungsbeiträge; x) gezielte Unterstützung in Form von Lohnzuschüssen für Arbeitnehmer; xi) gezielte Unterstützung in Form von Eigenkapital- und/oder hybriden Finanzinstrumenten.

Der Befristete Rahmen gilt bis Ende Dezember 2020. Solvenzprobleme können im Rahmen der Krise jedoch zeitverzögert auftreten, weshalb die Kommission den Geltungszeitraum ausschließlich für Rekapitalisierungsmaßnahmen bis Ende Juni 2021 verlängert hat. Um für Rechtssicherheit zu sorgen, wird die Kommission vor Ablauf dieser Fristen prüfen, ob eine Verlängerung erforderlich ist.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, wird die nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb der Kommission unter der Nummer SA.58114 zugänglich gemacht. Über neu im Internet und im Amtsblatt veröffentlichte Beihilfebeschlüsse informiert der elektronische Newsletter State Aid Weekly e-News.

Weitere Informationen über den Befristeten Rahmen und andere Maßnahmen, die die Kommission zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie ergriffen hat, sind hier abrufbar.

Quelle dieser Informationen: EU-Nachrichten der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland.